Von verzierten Torten und bunten Kapitolsbewohnern (Prim POV)

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Schweigend sitze ich da. Die Geschwindigkeit des Zuges macht mir Angst, doch ich versuche ruhig zu bleiben. Peeta ist die ganze Zeit angespannt und schaut nervös aus dem Fenster. Wir haben noch kein Wort miteinander gesprochen, wozu auch? Er überlegt womöglich gerade wie er mich umbringen wird. 
Als Haymitch den Raum betritt bekomme ich einen Schock und das sieht man wahrscheinlich auch in meinem Gesicht, denn er schaut mich grinsend an.
Ich schaue in seine Hand. Ist das Alkohol? Er will doch nicht wirklich als unser Mentor trinken? Grinsend setzt er sich auf den Sessel gegenüber von Peeta. Ich bin froh, dass er nicht gegenüber von mir sitzt, denn sein Gestank ist fürchterlich. Vom Alkoholgeruch wird mir schlecht. Er bleibt sitzen und trinkt in vollen Zügen sein Glas aus. Peeta ist ganz zappelig, traut sich aber nicht etwas zu sagen.
Endlich beginnt Haymitch zu reden: „Dann habe ich dieses Jahr wohl eine stumme Meute erwischt. Gut so, dann habe ich mehr Zeit, den Drink hier zu genießen.“ Als er das sagt, holt er sich gerade ein neues Glas. Ich habe das Gefühl mich gleich übergeben zu müssen. 
Plötzlich bricht er in Gelächter aus und sagt: „Findet euch damit ab, dass ihr nächste Woche sterben werdet.“ Ich frage mich, ob er das ernst meint oder schon völlig vernebelt ist. Ich spüre die Tränen in meinen Augen und will sie mit allen Mitteln zurückhalten. 
Auf einmal muss ich an Butterblume denken und überlege, ob Katniss ihn jetzt gerade ertränkt. Dann schäme ich mich für meinen Gedanken, denn so wollte ich ganz bestimmt nicht über meine Schwester denken, die immer für mich da war.
Ich schaue in Peetas Hände und habe plötzlich ein Bild vor mir. Ich erinnere mich an die Torten der Bäckerei und die wundervollen Verzierungen. Jetzt muss ich in sein Gesicht schauen. Er kommt mir bekannt vor. Ist er der Bäckersohn? Es könnt tatsächlich sein, denn ich habe mal einen Jungen beobachtet, der Torten verziert hat. Er sah ihm ähnlich. Doch sicher bin ich mir nicht: Diese Erinnerung liegt Jahre zurück.
Ich möchte ihn darauf ansprechen, aber nicht wenn unser Mentor da ist.
Und als ob er meine Gedanken lesen könnte, verschwindet Haymitch mit einer Flasche Schnaps. „Gut, wenn ihr keine Fragen habt, geh ich. Umso besser für mich.“ Als die Tür verschlossen ist, höre ich ein eigenartiges Geräusch. Ich glaube, er hat sich soeben übergeben. Ha, selber Schuld, denke ich mir.
Die Situation passt nicht, jetzt von Torten zu reden, aber egal. Ich muss es wissen: „Bist du eigentlich der Bäckersohn...?“ Ich schaue ihn kurz an und ergänze: „Peeta.“ Er nickt kurz und meint dann: „Ja, ich verziere die Torten.“ Am Liebsten würde ich sagen , wie sehr ich für seine Kunststücke schwärme, doch das passt nicht zu der jetzigen Angelegenheit, immerhin geht es um Leben und Tod.
„Und deine Schwester heißt doch Katniss Everdeen, oder?“, fragt er unerwartet. Ich nicke schnell und frage mich woher er sie kennt. „Ihr seht euch aber nicht ähnlich,“ meint er kurz und schaut dann weg.
Ich wundere mich über seine Bemerkung. Gut, er und Katniss sind in der selben Klassenstufe, aber die Kinder aus dem Saum haben eigentlich nichts mit denen von der Stadt zu tun. 
Ich überlege, was ich noch tun soll und bin froh, als Effie auftaucht. Obwohl ich sie nie leiden konnte, bin ich froh sie zu sehen. In diesem Moment kommt sie mir sympathischer vor als Haymitch. „Euer Mentor kommt bald wieder zu sich. Die Diener kümmern sich um ihn. Nicht so schüchtern, isst!“, fordert sie uns zum Essen auf. 
Das Essen ist köstlich. Noch nie habe ich so gut gegessen. Doch es kommt mir falsch vor. Ich wünschte Katniss und Mum wären dabei und könnten auch das alles essen, doch sie sind nicht hier. Das Essen ist viel zu viel und ich glaube, ich könnte Gale mit seIch betrachte mein Zimmer und staune. Es ist moderner als das im Justizgebäude. Ich ziehe mir einen Schlafanzug an und krieche in das Bett. Es ist samtweich...die perfekte Atmosphäre zum Einschlafen. Doch ich kriege kein Auge zu, mir fehlt Katniss und ich habe Angst...schreckliche Angst. Heimlich vergieße ich ein paar Tränen und hoffe niemand hört mich.
Nach einigen Stunden holt mich Effie zum Essen. Obwohl ich noch satt bin, esse ich so viel ich kann. Es schmeckt einfach zu gut. Am Liebsten würde etwas von den Steaks für Butterblume mitnehmen. Zuhause bekommt er nur Knochen und Reste. Doch als mir klar wird, dass ich ihn nie wieder sehen werde, erstarre ich und esse nichts mehr.
Auf einmal wird es ganz dunkel: Wir fahren ins Kapitol! Peeta hat wohl viel nachgedacht, denn jetzt redet er wie ein Buch und will alles von Haymitch erfahren. Ich lausche und bleibe ruhig. „Geht zum Fenster, geht!“, sagt Haymitch. „Und nicht vergessen: Lächeln“, meint er noch, als er mich ansieht. Ich kann nicht lächeln, nie wieder werde ich lachen können. Ich schaue aus dem Fenster und es kommt mir vor wie ein Traum. Überall stehen bunt bekleidete Leute und lachen, winken und jubeln. Ich starre sie mit großen Augen an, da sind tausende Effie Trinkets! Sie sehen so lächerlich aus und ich frage mich wie sie lachen können. Wie kann man sich nur an den Tod von Kindern erfreuen? Lange schaue ich die bunten Menschen an und blicke böse zu Peeta. Er lacht. Wie kann er nur? Okay, soll er doch darüber lachen, dass er bald nicht mehr da.
Noch einmal schaue ich die bunten Menschen an, dann setze ich mich auf den Stuhl und schaue wütend auf das ganze Essen.

Die andere Version der 74. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt