Das schwarze Kleid (Prim POV)

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„Heute wird die Wagenparade stattfinden!“, erzählt Effie in freudigem Ton, der mich jetzt im Gegensatz zum Zug total aufregt, genau wie das ganze Kapitol. Wir haben kaum Zeit im Trainingscenter und werden sofort den Stylisten überlassen. In meinem Kopf will nichts richtig Sinn ergeben: Warum werden wir jetzt schick gemacht und später in der Arena brutal umgebracht? In der Arena sieht keiner besonders hübsch aus und wenn ich dann an das ganze Blut denke, nachdem die Kapitolsbewohner so gieren, wird mir übel. Nicht von dem Blut, sondern vom Anblick dieser bunten grausamen Menschen.
Ich bekomme mit, wie an meinen Haaren geschnitten wird und verstehe den Satz von der Frau mit der grünen Haut nicht: „Zum Glück hat sie sonst keine Behaarung wie die meisten Anderen.“ Es werden irgendwelche Flüssigkeiten auf meinem Körper abgespritzt und ich frage mich, ob sie einen Sinn haben. Endlich sind sie fertig und verlassen den Raum. Ich genieße den kurzen Augenblick der Ruhe, doch dann kommt jemand anderes rein.
Als ich ihn sehe, spüre ich zuerst den Schock und glaube in einem Traum zu sein. Wer weiß, vielleicht gehörte das alles zu einem Traum. Er sieht nicht so aus wie die anderen Kapitolsbewohner, nur ein goldener Lidstrich erinnert an seine Herkunft. Erst jetzt realisiere ich, dass er mein Stylist sein muss von dem die drei anderen vorher andauernd geredet haben.
Er kommt langsam auf mich zu und dann muss ich ihn einfach fragen, weil ich mir so unsicher bin: „Bist du ein Kapitolsbewohner oder kommst du aus einem Distrikt?“ Er muss leicht lächeln und ich habe Angst etwas falsches gesagt zu haben, doch seine ganze Ausstrahlung wirkt überhaupt nicht so, als ob er mich verspotten möchte.
„Ich bin hier im Kapitol geboren. Muss dir hier wohl komisch vorkommen, hmm?“, sagt er mit ruhiger Stimme.
„Ja, hier sind sie so...so..“, ich weiß nicht was ich sagen soll, weil ich ihn nicht verletzten will. „Eigenartig“, beendet er meinen Satz. Ich nicke nur. „Ich bin Cinna und für deine Kleider verantwortlich“, stellt er sich vor. „Hallo Cinna, ich bin Prim“, sage ich und wieder huscht ein Lächeln über seine Lippen.
Obwohl ich alle hier verachte, schaffe ich es nicht Cinna zu verachten, dafür ist er zu nett. Vielleicht ist das ja nicht mal schlecht, denn ich sollte meinen letzten Tage nicht damit verschwenden, darüber nachzudenken, wie ich die Menschen hier alle verachte.
„Ich habe das Kleid für dich gemacht“, sagt er und zeigt mir sofort eine Tasche in der das Kleid versteckt liegt. „Schließe deine Augen!“, befielt er, doch ich schaue ihn genervt an. Er lächelt leicht und schaut mich bittend an, so dass ich sie doch schließe. Ich spüre den samtweichen Stoff und freue mich schon darauf mich im Spiegel zu sehen. Endlich darf ich meine Augen öffnen.
Ich trage ein schlichtes knielanges schwarzes Kleid das ärmellos ist, der Rock ist so wie bei einem Reifrock gemacht, aber nicht zu übertrieben. Ich berühre den Stoff mit meinen Finger und erschrecke. An meinem Rücken ist er ganz und gar nicht weich, sondern hart. Cinna bemerkt meinen Blick und erklärt: „Keine Sorge, wir müssen ja jedes Distrikt widerspiegeln und weil ihr Kohle befördert, habe ich mich dazu entschieden ein Feuer an deinem Rücken zu entfachen. „Was?!“, sage ich erschreckt, während Cinna an meiner Hochsteckfrisur arbeitet. „Keine Sorge, wird schon alles klappen“, versucht Cinna mich aufzumuntern, doch ich kann nur an das Feuer denken. Mir wäre es sogar lieber eins dieser schrecklichen Bergarbeiteroutfits zu tragen, denn dann würde ich ganz bestimmt nicht verbrennen.
Im Spiegel sehe ich mich und doch kann das nicht die Prim sein, die ich bin. Obwohl bei meinem Make-Up gespart wurde, habe ich das Gefühl älter auszusehen und nehme Cinnas letzten Tipp dankbar an: „Begeistere die Menge und vergiss nicht zu Lächeln. Sie werden dich mögen!“
Dann bringt mich Cinna runter zum Trainingscenter, dort wo die Wagenparade stattfinden wird.

Die andere Version der 74. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt