Ich konnte kaum glauben, dass er wirklich hier war. Ich war mir bis zum Schluss nicht sicher gewesen, ob er mich wirklich auch rein privat besuchen würde, wenn die Therapie vorbei war. Und hier stand er. Hier, in meinem Zimmer und strahlte mich an.
Ich versuchte dezent das Bild an dem ich gerade gearbeitet hatte, unter einen Stapel anderer Zeichnungen zu schieben, aber Kostas hatte schon einen neugierigen Blick darauf geworfen.
„Was malst du denn da schon wieder?", fragte er und griff nach dem Bild, doch ich zog es weg, bevor seine Finger es erreichen konnten. „Ach, ich kritzle nur so für mich!", sagte ich und Kostas zog eine Schnute. „Ich hoffe einfach mal, dass es nicht das ist, wonach es ausgesehen hat", ich runzelte die Stirn, verstaute das Bild aber sicher in der Schreibtischschublade.
„Das wirst du wohl nie erfahren...", sagte ich frei heraus. Ich hatte Kostas schon öfter so gezeichnet. Mit wenig Stoff am Körper und naja, er musste nicht wissen, in welchen Situationen noch. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er kurz vor der offiziellen Nachtruhe plötzlich in meinem Zimmer auftauchen würde.
„Können wir raus gehen? Nachtruhe ist erst in einer Stunde und heute kann man die Sterne sehen", bat ich ihn was ihn nachdenklich stimmte.
„Darfst du ohne Aufsicht raus?", fragte er skeptisch.
„Wenn du dabei bist, bestimmt", sagte ich, obwohl ich mir da nicht so sicher war.
„Gut, ich geh und frage die Gangaufsicht.", sagte er und verschwand für einige Minuten. Die Zeit nutzte ich um zu checken, ob hier noch etwas herumlag, was er besser nicht sehen sollte, doch sonst war das Zimmer in seiner langweiligen Tristesse ungetrübt.
„Wir können noch für eine halbe Stunde raus gehen. Aber ich soll dieses Armband tragen, an dem sich so ein Hilfe-Knopf befindet.", sagte Kostas und zeigte mir das Band. Ich kannte die Dinger. Sie gehörten zu meinem Alltag. Trotzdem war ich positiv überrascht, dass wir alleine gehen durften.
Auf der Terrasse hinter dem Gemeinschaftsraum gab es eine Reihe von Sonnenliegen. Manche waren bereits zerschlissen, doch die meisten waren noch ganz gut in Schuss. Wir steuerten die Liegen an und legten uns nebeneinander hin. Die Sterne waren bereits zu sehen, auch wenn es noch nicht ganz dunkel war.
„Kannst du dir vorstellen, dass wir das Licht von Sternen sehen können, die seit Jahren verglüht sind? Da das Licht Jahre braucht um bis zur Erde zu gelangen, sehen wir sie noch lange nachdem sie schon verschwunden sind. Wir sehen also quasi in die Vergangenheit, wenn wir in den Nachthimmel gucken.", flüsterte ich. Diese Thematik interessierte mich schon immer. Der Sternenhimmel stimmte mich immer nachdenklich und melancholisch.
„Stimmt, so habe ich das noch nie gesehen.", sagte Kostas.
„Wenn du in meine Vergangenheit gucken könntest, wäre da kein Leuchten. Nur Schwärze.", sagte ich und dachte an die dunklen Zeiten, voller Depressionen, Drogen und zerbrochenen Träumen.
„Du kannst die Vergangenheit nicht ändern.", flüsterte Kostas. „Darum solltest du dir darüber besser nicht so viele Gedanken machen. Aber die Zukunft. Die Zukunft gehört dir."
„Ach was, als wenn auf mich mehr wartet, als das hier!", ich deutete auf das Klinikgebäude hinter mir. „Und selbst wenn ich es hier raus schaffe. Wer sagt, dass ich nicht gleich wieder auf die Schnauze falle?"
„Ich sage das. Du wirst gesund. Und dann machst du deinen Schulabschluss nach. Und dann suchst du dir einen Job der dich ausfüllt. Künstler oder so.", sagte Kostas und sah zu mir rüber. Ich blickte wieder gen Himmel. „Als wenn Künstler ein richtiger Beruf wäre...", lachte ich freudlos. „Wenn du das so sagst, klingt es so einfach", sagte ich dann. „Aber ich glaube nicht, dass ich in dieser Welt noch zurechtkomme."
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My beloved Madman - Kostory
FanfictionMik ist seit seiner Jugend psychisch gestört. Nach einer Zeit mit Drogen, Alkohol und tätlichen Übergriffen, ließen ihn seine Eltern in eine Spezialklinik einweisen. Dass er dort lernen wird, wieder ein normales Leben zu führen, bezweifelt Mik inzwi...