Rückschritt

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Am Montagmorgen stellte ich bereits in der Dusche fest, dass ich mich heute unmöglich auf die Arbeit konzentrieren würde können. Mein Kiefer schmerzte immer noch, unter dem Kieferknochen auf der rechten Seite, schillerte bläulich ein gewaltiger Bluterguss.

Also meldete ich mich kurzerhand bei der Physiotherapie krank und fuhr direkt zur Klinik. Am Abend hatte ich noch Dienst im Fitnessstudio. Und ich brauchte mehr Zeit als die 2 Stunden zwischendurch und zu klären, wie es jetzt weiter ging. Als ich nach etwas Wartezeit in Rickerts Büro trat, nickte er wissend und bat mich mit einer Geste, mich zu setzen.

„Sie sind also immer noch da.", sagte der Doktor.

„Ja, natürlich.", sagte ich leise. Ich atmete tief durch. Das Wichtigste zuerst. „Darf ich nachher zu ihm?"

„Dürfen sie. Aber zuerst haben wir beide etwas zu besprechen.", sagte er und ich nickte schuldbewusst.

„Das ging alles so schnell. Es tut mir so leid, dass ich es nicht verhindern konnte!", sagte ich und hörte dabei wie meine Stimme zitterte.

„Sie trifft keine Schuld.", sagte Rickert ruhig. „Das ist das Verhalten welches der Patient üblicherweise in solchen Situationen an den Tag legt. Dass dies von heute auf morgen verschwinden würde, habe ich nie geglaubt. Allerdings kann ich ihn nicht mehr nach draußen lassen, wenn Anlass zur Sorge besteht, dass sich das wiederholt. Sollte das Opfer dieses Angriffs Anzeige erstatten, werden wir Marik nicht mehr aus der Klinik lassen können. Das war nicht der erste Angriff dieser Art. Seine Bewährungszeit würde sich erhöhen, genau wie das Sicherheitslevel, was von uns verlangt wird. Damit ist die Resozialisierung aber auch Schwieriger, da er dann auch weniger Kontakt zur Außenwelt hat. Ein Teufelskreis im klassischen Sinne.", führte der Doktor aus. Ich legte mein Gesicht in meine Hände.

„Was können wir tun?", fragte ich verzweifelt.

„Sie haben an diesem Patienten, seit sie da sind, wahre Wunder bewirkt. Es tut mir leid, dass ich am Anfang Zweifel hatte. Ich glaube inzwischen, dass sie Marik wirklich gut tun. Und daran, dass sie auch jetzt wieder hier sitzen, sehe ich, wie ernst es ihnen ist. Ich werde unseren Rechtsbeistand anrufen. Vielleicht können wir einen Vergleich machen, und uns außergerichtlich mit dem Geschädigten einigen. Allerdings muss ich darauf bestehen, dass Marik, falls er weiterhin Ausgang bekommt, nur noch unter zusätzlicher Aufsicht den öffentlichen Raum betritt." Ich nickte. Damit würden wir wohl Leben können.

„Wenn ich weiteres weiß, sag ich ihnen bescheid. Im besten Fall erfahren wir die Woche noch, ob der Geschädigte zu einem Vergleich bereit ist. Andernfalls kann ich Marik natürlich nicht mit auf Kur schicken."

Ich runzelte die Stirn „Ansonsten steht die Kur noch im Raum?", fragte ich überrascht. Mit dem Trip ans Meer hatte ich bereits Gedanklich abgeschlossen.

„Ja, ich sehe keinen Grund dafür sie von meiner Seite aus abzusagen. Ich weiß jetzt, dass sie alles tun, um Marik vor unüberlegten Handlungen zu bewahren. Dass sie alleine da nicht viel ausrichten können, hätte ich wissen müssen. Also war es vielleicht auch mein Fehler. Wenn wir den Vorfall aber nun bei Seite legen, und statt ihm zu viel Bedeutung beizumessen nach vorne sehen, und da anknüpfen wo wir vorher schon gute Erfolge erzielt haben, dann wird das hoffentlich der letzte Vorfall dieser Art sein. Marik ist sehr reumütig. Das war er die letzten Male nicht. Er reflektiert viel besser, als noch vor einem viertel Jahr. Ich schätze seine Chancen sehr gut ein, im Moment. Allerdings muss er jetzt ermutigt werden, damit er nicht aufgibt. Und ich glaube, das können sie besser als ich." Mit diesen Worten entließ mich der Doktor. Ich ging direkt zu Miks Zimmer und klopfte zaghaft.

My beloved Madman - KostoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt