April 2016

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In der nächsten Deutschstunde dachte ich nicht mehr an den Brief. Am Ende der Stunde ging ich wie alle anderen nach vorne, um mein Handy zu holen. ,, Wir können über die Sache jetzt reden, wenn du willst", sagte Frau Vahnlig auf einmal leise zu mir. Shit, sie hat den Brief also gelesen! ,, Ja", antwortete ich nur. Darauf sagte sie etwas, was ich nicht verstand. Sie packte ihre Sachen ein. Soll ich jetzt warten oder nicht? Vielleicht hat sie auch gesagt, dass sie ein anderes Mal darüber mit mir sprechen wolle. Ich ging langsam in den Flur und zog meine Jacke an. Ich wartete noch eine Minute. Frau Vahnlig kam nicht, also ging ich nach draußen. Als ich draußen war, bekam ich Schnappatmungen. Oh mein Gott, sie hat den Brief gelesen und mich darauf angesprochen! Ich war so perplex, dass sie so nett reagiert hat. Ich muss mit ihr auf jeden Fall darüber sprechen! Tja, nur jetzt muss ich sie ansprechen.

Am Dienstag hatten wir wieder Deutsch. Ich war die ganze Stunde aufgeregt. Am Ende mussten wir wieder nach vorne, um die Handys zu holen. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, um sie anzusprechen. Ich nahm mein Handy und schwieg. Ich sagte nichts! Nichts! Ich war wie gelähmt. Und meine Füße trugen mich nach draußen. Na super! Werde ich jemals mutig sein? Ich hätte mich ohrfeigen können! Morgen werde ich es wieder versuchen.

Heute, am Mittwoch, hatten wir eine Doppelstunde Deutsch mit ihr. Ich freute mich sehr, war aber sehr nervös. Am Ende der Stunde war es soweit. Ich ging nach vorne und diesmal konnte ich sprechen. Nervös fragte ich sie:,, Können wir jetzt darüber reden?" ,, Wenn du möchtest", sagte sie locker. ,,OK", sagte ich. Es war vollbracht. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Wir warteten bis alle draußen waren. Schließlich verließ das letzte Mädchen den Raum. Jetzt fing ich an sehr nervös zu werden. ,, Du hast geschrieben, dass ich dir helfen soll. Wie soll ich dir denn helfen?", fragte sie mich. ,, Keine Ahnung", antwortete ich ehrlich. ,, Naja, irgendetwas musst du dir darunter doch vorstellen." ,, Nicht wirklich. Halt nur, dass wir darüber reden.",, Ich weiß jetzt auch nicht, wie ich dir helfen kann. Als ich den Brief gelesen habe, war ich schon ziemlich schockiert. Aber dann wurde mir bewusst, wie mutig das von dir war. Bisher war noch kein Schüler in mich verliebt gewesen. Ich fühle mich schon ein bisschen geehrt deswegen.",,Oh", sagte ich nur. Atme, Jennifer, atme! ,, Ich meine, das Ganze wird auch mal vorbei sein", fuhr sie fort. ,, Aber ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann. Ich werde dich weiterhin wie eine normale Schülerin behandeln. Ich bin nun mal deine Lehrerin. " Plötzlich ging die Tür auf und dort war ein 10. Klässler. ,, Siehst du nicht, dass wir was besprechen? Mach die Tür zu!", sagte Frau Vahnlig zu ihm. Ziemlich laut. Er gehorchte und schloss die Tür. ,, Möchtest du vielleicht mit deinen Eltern darüber reden?", fragte sie an mich gewandt. ,, Ne, nicht so gerne." ,, Ansonsten weiß ich auch nicht, wie ich dir helfen soll." Jetzt wäre eine gute Gelegenheit ihr die Schokolade zu geben. Ich sagte nervös:,, Ähm... ich hätte noch etwas für sie." ,, Oh, dass geht leider nicht. Das wäre Bestechung." ,,Oh, dass wusste ich nicht." Ach du scheiße, ist das peinlich! ,, Das wusste ich wirklich nicht." ,, Das glaube ich dir. Ist dir diese Sache unangenehm?" ,, Ja, schon." ,, Es muss dir nicht unangenehm sein. Irgendwann wird es vorbei gehen.",, Vielleicht." ,, Ich kann dir jetzt leider auch nicht helfen.",, Ach, nicht so schlimm." Sie ging zur Tür. Ich folgte ihr. Sie machte das Licht aus und schloss die Tür ab, während sie mich fragte:,, Hat euch eure Klassenlehrerin schon gesagt, dass ihr wahrscheinlich ein Flüchtling in die Klasse bekommt?" Ich zog gerade meine Jacke an und antwortete:,, Ja, sie hatte das schon mal erwähnt, dass wir wahrscheinlich einen Flüchtling bekommen." Dann verabschiedeten wir uns und das Gespräch war zuende. Oh mein Gott, ich schwöre, ich bin noch nie in meinem Leben so aufgeregt gewesen! Ich hätte kotzen können! Aber gleichzeitig war es ein wunderbares Gefühl. Von diesem Tag an nahm Frau Vahnlig mein ganzes Herz in Besitz.

Am Freitag, 2 Wochen nach dem Gespräch, hatten wir wie immer Geografie & Deutsch. Geo war normal, Deutsch nicht. Wir schrieben gerade, als ein Handy vibrierte. Frau Vahnlig suchte in der Handybox nach dem Handy. Schließlich fand sie es und fragte:,, Wem gehört das?",, Das ist meins", sagte ein Junge. ,, Du hast eine What's App Nachricht von deinem Kumpel. Er fragt, wann ihr euch treffen wollt", sagte die süße Frau Vahnlig. Sie sagte noch etwas dazu. Was sie dann tat, konnte ich kaum glauben: Sie schrieb ihm eine What's App Nachricht! Nach ca. 2 Minuten sagte sie:,, So, jetzt bist du mit deinem Freund verabredet. Sag ihm liebe Grüße von deiner Deutschlehrerin, er möge beim nächsten mal nicht meinen Unterricht stören.",, Machen sie doch eine Sprachnachricht", sagte jemand. Darauf lachte sie nur. Oh mein Gott, ich kann nicht glauben, was sie gemacht hat! Das war übertrieben niedlich! Nein, viel mehr als übertrieben! Ab diesem Moment wusste ich, dass ich sie für so etwas niemals verurteilen könnte. Im Gegenteil, ich würde sie nur noch mehr lieben.

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