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„Blaaake, du schaffst das, na na na na na!! Blaaake du schaffst das, na na na na na!!!"
Von rhythmischem Getrommel auf Holz schrecke ich auf.

Augenblicklich dringt ein widerliche Geruch, der hier in der Luft hängt, durch meine Nase und lässt mich das Gesicht verziehen. Die Augen zusammen kneifend versuche ich mich zu orientieren ohne den Kopf dabei zu sehr zu bewegen. Es fühlt sich nämlich so an, als wäre ein Tonnen schwerer Baum auf meinen Schädel gedonnert und hätte ihn so gequetscht, dass sämtliches Gedankengut jetzt Matsche ist.

Nachdem ich es geschafft habe gegen das viel zu grelle Licht anzublinzeln, erfasst mein Bewusstsein seine Umgebung. Hässlich gelb gestrichene Wände, vor denen noch hässlichere giftgrüne Stühle stehen, auf manchen sitzen Menschen, ein weißer Boden, der widerlich geleckt aussieht und schließlich ein großes rotes Schild auf dem in riesigen schwarzen Druckbuchstaben ‚Notaufnahme' steht. Durch zwei Glastüren dringt ein wenig orangenes Licht von den Laternen, die draußen direkt am Eingang angebracht sind und die graue Klinikauffahrt beleuchten.

Ein Zucken durchläuft meine Glieder, als mein Hirn zu arbeiten beginnt. Ich sehe mich weiter um. Mir gegenüber sitzen Olivia und Harper, Olivia klopft wie verrückt auf ihrem Stuhl herum.

„Camilla du bist wach.", stellt sie fest und hört auf zu trommeln.

„Sieht so aus.", murmle ich müde während ich mich mit beiden Armen mühsam versuche hochzudrücken. Sie fühlen sich jedoch an wie Wackelpudding, meine ganze Kraft scheint mich verlassen zu haben. Ich liege quer auf ein paar von diesen hässlichen giftgrünen Stühlen und meine Beine wurden mit einer Sweatjacke bedeckt. Nett von meinen Freunden, dass sie darauf geachtet haben mich nicht wie die letzte Nutte in der Notaufnahme rumliegen zu lassen.

Als ich mich aufsetze muss ich einen blitzartigen Würgreflex unterdrücken. Ich halte mir die Hand vor den Mund als mein Kopf nach vorne knallt und mein Mageninhalt den Anschein macht an die frische Luft zu gelangen, doch nichts passiert. Ich atme tief ein und aus, versuche die sich drehende Notaufnahme zum Stillstand zu bringen.

„Brauchst du einen Arzt Süße?" Besorgt streicht mir Harper mit ihren Fingerspitzen einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht und anschließend mehrere Male über meine Wange. „Ein Wunder, dass du es vom Auto hier rein geschafft hast."

Ihre Augen strahlen Unsicherheit und Angst aus, was mich wieder ganz traurig werden lässt.

„Nein.", schluchze ich und sofort füllen sich meine Augen wieder mit salzigen Tränen.
„Ich brauche Blake. Was ist mit ihm? Wieso ist er nicht hier?" Wie ein trotziges Kleinkind verschränke ich die Arme vor der Brust, ziehe meine Schenkel soweit es mit dem kurzen Rock möglich ist an meinen Oberkörper und schiebe die Unterlippe nach vorne.

„Blake hat eine Rauchgasvergiftung und ein paar üble Verbrennungen am Arm. Er ist vorher bewusstlos geworden und sie mussten schnell handeln. Frag mich nicht was genau sie da jetzt tun, wir warten im Moment auf einen Arzt okay?"
Man hört Olivia deutlich an, wie schwer es ihr fällt die Fassung zu bewahren und ich rechne ihr es hoch an, dass sie sich aufgrund meiner eigenen Verfassung so extrem zusammenreißt.

„Und du hast viel zu viel getrunken Camilla. Ist die schlecht? Hast du Kopfschmerzen?" Harper sieht mich eindringlich an.

„Nicht nur Kopfschmerzen...", sage ich und stöhne schmerzerfüllt auf als Harper beginnt meine Schläfen zu massieren.
„Ich glaube ich kann nie wieder stehen."

„Das wird schon wieder. Und bald kannst du zu deinem Freund okay Süße? Wir freuen uns übrigens für euch."

Ihre Worte treffen mich. Blake ist nicht mein Freund. Wir sind nicht zusammen. Nichts verbindet uns. Ich weiß nicht mal mehr ob er mich nach dem ganzen Theater noch mag oder ob er jemals wieder irgendetwas mit mir zu tun haben möchte. Wahrscheinlich packt er seine Sachen wenn er aus dem Krankenhaus kommt und zieht in ein anderes Haus. Vorausgesetzt er schafft es jemals aus diesem hässlichen Gebäude.

Ein grauenvolles Ziehen durchfährt meinen ganzen Körper und endet direkt in meinem Herzen. Ich schluchze erneut.

„Hey Camilla schh...ganz sicher kriegt ihr das wieder hin. Jeder Blinde sieht wie sehr ihr aneinander hängt.", meint Olivia dann als könnte sie meine Gedanken lesen.

Ich weiß nicht. Ich war diejenige, die sich hat abfüllen lassen. Ich war die, die abgehauen ist und definitiv war ich diejenige, die von Carter in die Büsche geschleppt wurde.

„Was ist mit Carter? Wo ist er?", frage ich plötzlich und schaue meine beiden Freundinnen gespannt an. Die beiden werfen sich einen kurzen Blick zu bevor Harper sich räuspert.

„Naja. Die Polizei hat ihn wohl mitgenommen. Er ist sogar freiwillig mitgegangen, sie wollten uns aber nicht viel sagen. Vielleicht kommt er jetzt wegen Körperverletzung oder was weiß ich was dran aber wahrscheinlich muss Blake ihn auch erstmal anzeigen. Mir ist das viel zu kompliziert auf jeden Fall ist er erstmal weg."

Nach ihrem Redeschwall und wilden Gestikulationen holt sie tief Luft und schaut mich abwartend an. „Wo warst du eigentlich die ganze Zeit?"

„Carter hat mich in den Wald geschleppt und wollte sich ein bisschen vergnügen." Grimmig starre ich die widerlichen gelben Wände an, als ich mir zurück erinnere.

„Und da hast du einfach so mitgemacht?"

„Natürlich nicht." Empört den Kopf schüttelnd halte ich mir die Hand in Form eines Shots vor den Mund und mache die typische Drink-Kipp Bewegung und wedle mir anschließen mit der Handfläche vor dem Gesicht herum, damit die beiden sehen, dass ich vor wenigen Stunden eindeutig nicht Herr meiner Gedanken war.

Schließlich erzähle ich den beiden alles, an das ich mich noch erinnern kann und zum Glück ist der Großteil des Abends noch präsent genug in meinem Kopf.

„Wenn du das so aussagst, kriegen sie ihn locker wegen sexueller Nötigung dran. Da bin ich mir sicher.", merkt Olivia in der Sekunde meines letzten gesprochenen Wortes an.
„Dieses widerliche Ekelpaket hätte ein paar Wochen Knast ziemlich verdient!"

„Ich weiß nicht ob ich das will ehrlich gesagt. Du kannst mir nicht erzählen, dass er alle Tassen im Schrank hat. Bestimmt ist er irgendwie gestört und gehört in eine Therapie und nicht ins Gefängnis."

„Ist das dein Ernst Camilla? Seit du mit diesem Typ zusammen bist macht er dir dein Leben zur Hölle?! Er wollte dich zweifellos zum Sex zwingen und hat seine widerliche Drecksbrühe ins Feuer gekippt, durch die Blake hier jetzt Qualen erleidet und um sein Leben kämpft. Und da sagst du du willst keine Aussage machen!? Ich verstehe das einfach nicht! Du solltest den Typ hassen und nicht auch noch verteidigen."

„Hör mal Harper. Carter ist ein Sack und ich würde ihm auch nochmal in seine Fresse schlagen, aber versteh doch, ich will ihn einfach los sein und mich nicht das nächste halbe Jahr vor Gericht streiten damit er irgendeine Strafe bekommt, die ihn ganz sicher auch nicht zu einem besseren Mensch machen wird."

Verzweifelt presse ich die Lippen aufeinander.
„Es ist alles so sinnlos. Ich will einfach nur dass Blake mich nicht hasst.", murmle ich kleinlaut und starre zu Boden.

Olivia rutscht zu mir und schlingt ihre Arme um mich. „Blake könnte dich nie hassen. Nicht mal wenn du ihn persönlich angezündet hättest. Und wenn, ist er ein Idiot, der einfach nicht einsehen will, dass er dich liebt."

Ich starre sie an. „Er liebt mich doch nicht.", sage ich abwehrend, die Augen zusammengekniffen.
Oder doch? Tut er das? Geht sowas überhaupt nach dieser kurzen Zeit.

„Oh doch das tut er. Und du liebst ihn. Keinen Zweifel." Ziemlich selbstsicher legt mir auch Harper ihre Arme von der anderen Seite um den Hals und drückt mir ein Küsschen auf die Wange.

Liebe ich ihn? Wirklich?
Ich sollte dringend mal darüber nachdenken.
Im selben Augenblick denke ich über Harper und Olivia nach, die sich sicherlich auch mehr mögen als sie zugeben.

„Wenigstens bin ich nicht die einzige, die hier verknallt ist.", murmle ich vor mich hin als plötzlich eine großen weiße Tür aufschwingt und ein grauhaariger Mann mit weißem Kittel und m einer blauen Mappe in der Hand in den Wartebereich läuft und sich umsieht.

„Ist hier irgendwo ein Henry Moore?", fragt er in die Runde und wir drei springen gleichzeitig auf.

„Der gehört zu uns.", rufe ich ein bisschen lauter als geplant, weswegen ich musternde Blicke der Leute um uns herum ernte.

„Dann einmal mitkommen bitte.", meint er, ehe er sich umdreht und wir ihm dorthin folgen wo er eben hergekommen ist.

Wenn Ich Mit Dir Kuscheln MussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt