Das Auto vollgepackt machte sich die Familie auf den Weg in den Skiurlaub nach Österreich. Marie freute sich bereits auf die Abfahrten mit ihrem Bruder. Letztes Jahr hatte er gewonnen. Doch das sollte dieses Jahr anders werden.
Je näher sie in Richtung Berge kamen, desto mehr Schnee lag auf den Feldern neben der Straße. Marie machte ein paar Fotos und packte das Handy danach wieder ein.Nach gut zwei Stunden Fahrt erreichten sie ihre Unterkunft. Das Dach war umhüllt von der weißen, unberührten Pracht. Direkt um das Gebäude herum war der Schnee etwas zertrampelt; vermutlich von spielenden Kindern. Die Wiesen nebenan waren wieder überzogen mit der weißen, in der Sonne glitzernden Decke, durch die sich stellenweise zwei schmale Streifen zogen, wo sich wohl Langläufer verewigt hatten.
Nachdem die Eltern die Formalitäten erledigt hatten, liefen die beiden Geschwister die Treppe nach oben bis vor die Zimmertür. Dort mussten sie warten, bis der Vater aufsperrte.
Es öffnete sich ein Doppelzimmer mit einem Durchgang zu einem weiteren Raum mit zwei zusätzlichen Einzelbetten. Diese nahmen Marie und ihr Bruder ein.
»Macht es euch nicht zu gemütlich. Wir wollen gleich los«, erinnerte die Mutter die beiden vom anderen Zimmer aus.Die Schlange vor dem Skilift war lang. Kein Wunder, war es doch die Gondel vom Tal auf den Berg, an der niemand vorbeikam, der nach oben wollte. Einmal oben angekommen, verteilte sich die Masse an Ski- und Snowboardfahrern erfahrungsgemäß sehr schnell, sodass die oberen Lifte vergleichsweise kurze Wartezeiten hatten.
Marie war nicht die beste Skifahrerin, nicht die schnellste. Während Kilian mit dem Vater mit höherer Geschwindigkeit die Piste runterbrauste, fuhr Marie mit ihrer Mutter etwas gemütlicher nach unten.
***
Nach einem anstrengenden Tag trafen sie sich zum Abendessen wieder in der Pension. Marie studierte gefühlt stundenlang die Speisekarte auf der Suche nach etwas leicht Aussprechlichem, das nicht zu lang war. Als sie etwa bei der Hälfte angelangt war, kam die freundliche Bedienung auf den Tisch zu. Sie trug lange, braune Haare, die zu einem Zopf zusammengebunden waren. In der Hand hielt sie einen Kugelschreiber und einen kleinen Notizblock, um die Bestellung aufzuschreiben.
Ich weiß es noch nicht. Soll ich jetzt ein Gericht nehmen, ohne die anderen durchgegangen zu sein? Was, wenn es was gibt, das ich noch mehr mag?
Die anderen drei hatten mittlerweile bestellt und alle warteten nur noch auf Marie, was den Druck auf sie nur noch mehr erhöhte.
»Soll ich später nochmal kommen?«, schlug die Kellnerin nach Momenten der Antwortlosigkeit vor.
Die Mutter nickte zustimmend, woraufhin die Frau auch gleich verschwand.
»Jetzt muss die Frau extra nochmal kommen, weil die gnädige Marie es mal wieder nicht geschafft hat, ihren Mund aufzumachen«, murmelte der Vater hörbar genervt, nachdem sie gegangen war.
»Stefan! Musste das jetzt sein?«, schaltete sich die Mutter mit gemäßigter Stimme dazu.
Ich wollte doch was bestellen.***
Auf dem Weg nach oben in ihr Zimmer schlug Kilian vor, in den Keller zu gehen.
»Ich hab gesehen, dass die eine Tischtennisplatte haben.«
Marie willigte ein. Ablenkung konnte sie nach dem Kommentar ihres Vaters beim Essen gut gebrauchen. Da kam eine Runde Tischtennis gerade recht.
»Alles klar. Viel Spaß euch«, wünschte ihnen die Mutter, mahnte sie aber gleichzeitig an, nicht zu spät hochzukommen.Als sie unten ankamen, staunte Marie nicht schlecht. Der Keller war größer als sie gedacht hätte. Ihr Bruder ging vor ihr.
»Gleich da vorne ist der Tischtennisraum.«
Sie folgte ihm in den Raum, der geradeaus am Ende des Ganges war. An einem der beiden Tische spielte bereits eine Gruppe. Sie gingen an diesem vorbei zum hinteren Tisch.
»Hier sind die Schläger«, und Kilian drückte Marie auch schon einen davon in die Hand.
Den Ball hatte er sich ebenfalls bereits aus dem Regal geschnappt und stellte sich an ein Ende der Tischtennisplatte.
»Also von mir aus können wir«, erhöhte er den Druck auf seine Schwester.
»Ich bin auch bereit.«
Sie spielten ein paarmal hin und her, bis sich die Tür öffnete und ein Mädchen hereintrat. Als sie die beiden erblickte, kam sie unmittelbar auf Marie und Kilian zu.
»Marie? Du hier?«
Diese Stimme erkannte Marie sofort. Es war Jasmin.
»Das ist also dein Bruder«, stellte Jasmin fest.
»Hi, ich bin Kilian«, stellte er sich vor.
»Schöner Name. Ich bin Jasmin«, stellte sie sich ebenfalls Maries Bruder vor.
Nach einem kurzen Smalltalk zwischen Kilian und Jasmin lud er sie ein, doch mitzuspielen.
»Wie wär's? Hast du Lust mitzuspielen? Ihr zwei gegen mich.«
Währenddessen er das sagte, holte er einen weiteren Schläger aus dem Regal und bot ihn Jasmin an. Diese nahm die Einladung dankend an.
»Wir machen ihn fertig oder, Marie?«
Marie lächelte.

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Schweigen - Aufbruch
Teen FictionMarie kann nicht immer sprechen. Von klein auf hatte sie nur wenige Freunde; saß im Kindergarten oder in der Grundschule meist alleine zurückgezogen in einer Ecke. Anfangs wurde es als Schüchternheit abgetan und ignoriert. Doch es änderte sich nich...