. . . ist der augenblick,

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1. September 2011

Isaac,

dein Autounfall ist nun mehr als eine Woche her, genauer genommen sind es zehn Tage, seitdem du ins Koma gefallen bist, weil du gedacht hast, es wäre eine gute Idee, im Rauschzustand Auto zu fahren. Ich kann nicht einschätzen, was mir mehr Schmerzen bereitet. Die Tatsache, dass du so etwas Waghalsiges getan hast oder dein Versprechen, du würdest die Finger von all den Drogen lassen, gebrochen hast.

Ich möchte dich anschreien, so viele Beleidigungen an den Kopf werfen, aber wenn ich dich jeden Tag auf diesem Krankenbett sehe, hindert mich dein hilfloser Anblick daran, denn alles, was ich eigentlich möchte, ist, dass du aufwachst, mich in die Arme nimmst und mir ins Ohr flüsterst, dass alles gut werden würde so wie du es jede Nacht getan hast, damit der dumpfe Schmerz in meinem Inneren verblasst.

Ich war heute beim Seelenklempner - Du weißt schon, der fette Glatzkopf, der so tut, als würde er mich verstehen und mir helfen wollen, aber mich insgeheim so schnell wie möglich loswerden möchte. Keine Ahnung, wie ich nach einem halben Jahr meinen Weg wieder zu ihm gefunden habe, wenn man bedenkt, dass ich damals von meinen Eltern gezwungen wurde. Gebracht hat das spärliche Gespräch nicht sonderlich viel, aber dafür hat es jenen Tag in mein Gedächtnis gerufen, als wir uns das erste Mal über den Weg gelaufen sind.

Ich hätte nie gedacht, dass dieses heruntergekommene Gebäude des miesen Psychiaters zu einem wichtigen Ort für mich werden würde, denn als ich heute im Treppenhaus gestanden bin, hat es sich so angefühlt, als würde ich meine - unsere - Geschichte erneut erleben, aber dieses Mal als Besucher.

Und das ist das Problem mit solchen Orten, Isaac, weil jede kleinste Sache, sei es die Ecken, Treppen, Wände oder Türen, mit Gefühlen verknüpft sind.

Und manchmal will man diese Gefühle nicht ein weiteres Mal spüren, denn sie erinnern uns daran, dass manche Dinge nie wieder so sein würden, wie sie einst gewesen sind.

Doch weißt du noch, als du mir versprochen hast, dass sich die Dinge zwischen uns nie ändern werden? Was ist aus diesem und all den anderen Versprechen geworden, Isaac?

In Liebe,
Deine Vanda

Was Uns BleibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt