. . . ist die hoffnung,

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5. September 2011

Isaac,

heute habe ich das gemütliche Kaffeehaus, in dem wir uns jeden Morgen getroffen haben, besucht. Es hat sich seltsam, gar falsch, angefühlt, das Café alleine aufzusuchen. Hin und wieder habe ich verstohlen zu der Tür geblickt, in der Hoffnung, du würdest mit einem breiten Grinsen hereinstürmen und dich für das Zuspätkommen entschuldigen, wie du es sonst immer gemacht hast, weil du es nie geschafft hast, dir die Zeit richtig einzuteilen. Aber die Wahrheit ist, dass du dieses Mal und in ferner Zukunft nicht kommen wirst, weil dein Körper an diversen Geräten angeschlossen ist, während dein Bewusstsein sich meilenweit entfernt von mir befindet, ungewiss wann es wieder zurückkehren wird.

Statt meinem üblichen Frappé habe ich einen schwarzen Kaffee bestellt und wie nicht anders erwartet, hasse ich den Geschmack nach wie vor, doch trotz der Bitterkeit hat er mich heute beruhigt, weil er mich daran erinnert, wie gerne du schwarzen Kaffee getrunken hast. Auf eine bizarre Art und Weise habe ich mich durch die Herbe des Kaffees dir näher gefühlt.

Weil ich es nicht geschafft habe, den Kaffee auszutrinken, habe ich ihn dir mitgenommen. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie du mich dafür ausgelacht hättest. Es ist doch unsinnig gewesen, einer Person, die im Koma liegt, Kaffee mitzubringen. Doch vielleicht erhoffe ich mir dadurch, dass der aromatische Geruch dich zu mir zurückbringen wird, denn letzten Endes können wir nur an der Hoffnung festhalten. Hoffnungen können zu Wunder führen, während Erwartungen nur Enttäuschungen bringen. Es waren deine Worte - sogar deine ersten Worte, die du an mich gerichtet hast.

Also lass mich jetzt nicht hängen und wach auf, Isaac, damit diese Hoffnung nicht bricht, damit ich nicht breche.

In Liebe,
Deine Vanda

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