Ein Nachmittag im Park I

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Harry stand in der Küche und mischte die Birnenschorle seiner Tochter, als diese schon in der Küche auftauchte. Das wunderte ihn dann doch, denn normalerweise musste er sie holen. Als er vorhin nach ihr essen hatte, hatte sie die Nase tief in einem Buch vergraben gehabt und dem schönen Wetter vor dem Fenster keinen Blick geschenkt.

„Du bist schon hier? Etwa schon fertig mit deinem Buch?" Jayana streckte ihm die Zunge heraus. „Nein, aber das Kapitel ist zu Ende. Und da du eh gleichgekommen wärst, habe ich es weggelegt." „Du hat mitbekommen, dass ich dich schon mal gerufen habe?" „Ja. Das tue ich immer. Nur reagiere ich nicht immer."

Sie grinste und nahm die zusammen gefaltete Decke vom Küchentisch. Harry strich ihr über den Kopf, wo ihre Haare heute in einem Dutt zusammengebunden waren, tat die Flasche zu dem Essen in den Beutel und folgte seiner Tochter in den Flur. Beide zogen Schuhe an und verließen das Haus.

„Daddy. Hast du den Ball?" Harry nickte seinem Engelchen zu, denn er hatte den Ball tatsächlich. Er war bei dem Essen in der Tasche. „Dann ist gut. Weil Ben bringt eine Frisbee mit und diesmal bin ich ja mit dem Ball dran." Ein Lächeln war auf Harrys Gesicht und ließ sich von dort auch nicht vertreiben. Seine Tochter war eben sein Sonnenschein und ihr Lachen seine Sonne. Je strahlender es war umso heller war auch seine Welt.

Der Park kam in Sicht und Harry war wirklich froh, dass seine Tochter so gut erzogen war. Denn vor dem Park verlief eine Straße, die selbst an einem Sonntag stark befahren war, und diese mussten sie noch überqueren. Jayana blieb aber auch ohne dass er ihre Hand nehmen musste, an seiner Seite und wartete geduldig drauf, dass die Ampel auf Grün schaltete.

In der Menge der Fußgänger schwammen sie über die Straße und in den Park. Hier war einiges los, denn das für Frühling doch schon sehr warme Wetter lockte die Londoner aus ihren Wohnungen und in die Grünanlagen der Stadt. Aus Angst seinen Engel zu verlieren fasste Harry nun doch nach ihrer Hand, während sie ihn eifrig durch den Park zog.

„Wir treffen uns mit den anderen an den Eichen." Das hatte sie Harry das ganze Wochenende über schon erzählt, doch er sah sie lächelnd an, als wäre es das erste Mal, dass er das hörte. Tatsache war, sie trafen sich immer an den Eichen. Die kamen nun in ihr Blickfeld.

An den Bäumen warteten nicht nur die Familien von Ben und Klara, sondern auch noch die von ein paar anderen Freunden von Jayana. Die drückte ihrem Vater nun auch noch die Decke in die Hände und lief zu ihren Freunden. Kopfschüttelnd, sich aber eigentlich freuend ging Harry zu den anderen Eltern und breitete dort ihre Decke aus.

Er wurde von allen Seiten freundlich begrüßt, denn jeder mochte den freundlichen jungen Mann, der sich allein um seine Tochter kümmerte und alles für sie tat. Was kümmerte es da, dass die beiden nicht viel Geld hatten? Zudem, er war ein hervorragender Koch und jeder probierte gerne bei seinem Essen. Bei den meisten Picknicks tauschte er das Essen, sodass er auch etwas bekam, aber alle von seinem Probieren konnten.

Harry grüßte zurück, breitete die Decke aus und legte sich ausgestreckt auf dem Rücken darauf. Sonntag waren doch schöne Tage. Er musste nicht arbeiten, konnte etwas mit seiner Tochter machen und hatte keinerlei Pflichten. Kurz schloss er sie Augen.

Auf einmal lag ein Gewicht auf ihm. Er keuchte, öffnete die Augen und seine Grünen bohrten sich in die seiner Tochter. Sie hatte genau die gleichen. Als hätte man sie aus Harrys Gesicht heraus uns in ihres hineinkopiert, so wie es wohl auch bei seiner Mutter gewesen sein musste. Diese Augen hatte sie immerhin auch schon gehabt. Weil sie die Augen auch hatte, hatte er ihr den Namen seiner Mutter als Zweitnamen gegeben.

„Daddy. Gibst du mir bitte den Ball?" Harry nickte und setzte sich auf, sodass seine Tochter nun auf seinem Schoß saß. Er fischte den Ball aus dem Beutel und hielt ihn seiner Tochter hin. Die schnappte ihn sich, sprang auf und rannte zu ihren Freunden, die nur ein paar Meter weiter spielten.

„Sie ist so gut erzogen. Es wundert mich immer wieder. Wir sind zu zweit und unsrer ist nicht ansatzweise so gut erzogen." Natalie, die Mutter von Eric, dem Tennisspieler, setzte sich zu ihm auf die Decke, ließ ihre kleine Tochter auf der Decke herumkrabbeln.

„Ich bin froh, dass sie so ist. Ein unerzogenes Kind würde mir alles so viel schwerer machen." Meinte Harry und schnappte sich Emely, die gerade dabei war, von der Decke zu krabbeln, und setzte sie wieder in die Mitte. Nun musste sie von vorne anfangen um ihrem Ziel, der Wiese, näher zu kommen. Es störte sie aber nicht, sie bewegte sich zielstrebig wieder darauf zu. Harry betrachtete sie dabei schmunzelnd.

„Das du keine Frau hast. Du bist so ein liebenswürdiger Mann und siehst gut aus." „Ich habe keine Zeit für eine Frau. Ich muss arbeiten und mich um Jayana kümmern. Da bleibt keine Zeit für eine Frau. Zudem brauche ich gerade wirklich keine Beziehung." Dazu war seine letzte zu schmerzhaft geendet. Er kam darüber noch immer nicht hinweg und so bald würde sich daran wohl auch nichts ändern. Das musste Natalie aber nun wirklich nicht wissen.

„Das musst du selber wissen. Aber der Damenwelt entgeht da wirklich etwas." Harry schmunzelte, schnappte sich Emely erneut und nahm sie auf den Schoß. Er kitzelte die Kleine und erfreute sich an ihrem Lachen. Es erinnerte ihn an das Lachen seiner Tochter. Er tat alles um es so häufig wie möglich zu hören und das in seinen Augen auch recht erfolgreich.

„Daddy. Ich habe Durst." Seine Tochter stand vor der Decke und sah auf ihren Vater und das Baby herunter, prüfend. Allerdings schien sie keine Gefahr für sich zu sehen. Da war sie eifersüchtig. Ihr Daddy gehörte ihr und nur ihr. Es war ihrer.

Harry streckte sich und angelte die Flasche mit Jayanas geliebter Birnenschorle aus dem Beutel. Die Blonde nahm sie entgegen, setzte sich neben ihren Vater und trank. Dabei sah sie aber immer zu Emely, die es nun nicht mehr so lustig fand mit Harrys Fingern zu spielen. Als sie zu weinen begann, gab er sie an ihre Mutter zurück. Die wussten einfach immer am besten, was ihr Baby gerade brauchte.

„Daddy. Spielst du mit uns?" „Jetzt nicht, Engelchen. Vielleicht später." Jayana lachte, warf die wieder verschlossene Flasche auf die Decke und sprintete zu ihren Freunden, laut den Ball fordernd. Den bekam sie auch und schon war sie wieder in das Fußballspiel vertieft.

Harry beobachtete das Spiel, dass ohne Tore und Verlierer auskam. Die Kinder kämpften einfach fair und in ständig wechselnden Teams um den Ball. Jeder war in dem Team dessen, der gerade den Ball hatte. Im Moment war es seine Tochter, die den Ball dann doch etwas zu fertig trat.

Der Ball segelte durch die Luft und traf einen Mann am Kopf. Dieser ging zu Boden und die Kinder liefen sofort hin um nachzusehen, ob dem Mann etwas passiert war und natürlich um ihren Ball wieder zu holen. Harry hielt den Atem an, als seine Tochter sich bei dem Mann entschuldigte. Er hatte ihn sofort erkannt, denn die Haarfarbe war unverwechselbar. 

Blonder EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt