Ein ganz normaler Morgen II

728 47 10
                                    

Seine Füße trugen ihn durch die Straßen bis zu dem kleinen Supermarkt, in dem er vormittags arbeitete. Die Arbeit war schwer, meistens sehr eintönig und sie zerrte an seinen Nerven. Kunden waren häufig launisch, von der gehetzten Stadt und der Stress, den ein solches Leben mit sich brachte, ließ ihre Laune sinken. Ausbaden durften es dann immer die Verkäufer oder Angestellten. Aber das war Harry ja bereits gewohnt.

Immerhin war niemand der Meinung, dass er mit ihm flirten müsste oder ihm Tipps geben, wie er noch besser aussehen könnte. Das taten die Besucher der Bar, in der er abends arbeitete nämlich gerne. Ansonsten erzählten sie ihm alles, was ihnen gerade einfiel. Dass es ihn nicht interessierte, war ihnen egal und er musste Interesse heucheln, um seinen Job zu behalten.

Eigentlich hasste er das, aber er brauchte den Job um seine Tochter zu versorgen. Schon mit diesen zwei Jobs war es ungeheure schwer das zu schaffen und so war er froh, dass er sie hatte und es schaffte sich und Jayana einigermaßen über die Runden zu bringen.

Er hängte seinen Beutel in den Mitarbeiterraum, schlüpfte in die Schürze und wechselte in sein Diensthemd. Danielle, die andere Angestellte, die immer mit ihm Schicht hatte, weil ihre Zwillinge zu der Zeit im Kindergarten waren, saß an der Kasse und der Ansturm war nicht so groß, als dass sie eine zweite öffnen mussten. Daher beschloss Harry die Regale aufzufüllen und überall nach dem Rechten zu sehen.

Vor dem Kühlregal lag ein aufgeplatzter Joghurt, den er einsammelte und dann den ausgelaufenen Jogurt mit einem Lappen wegwischte. Dabei hörte er eine bekannte Stimme schimpfen. „Ich habe Nein gesagt Henry. Du hast eine Brezel, du bekommst nicht auch noch Schokolade. Meine Güte, Kinder sind so anstrengend."

Die Stimme gehörte zu einer Stammkundin, die um die Ecke wohnte und die, wie Harry wusste, eine Hexe war. Sie war aus dem Haus der Ader und zwei Jahrgänge unter ihm gewesen, sodass es kein Wunder war, dass sie ihn nicht erkannte, aber er wollte auch kein Risiko eingehen. So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Gehört hatte er aber schon genug, denn sie sprach immer zu laut und hatte immer ihren Sohn Henry dabei. Harry glaubte, dass sie einen Muggle geheiratet hatte, war sich aber nicht sicher.

Er räumte etwa eine halbe Stunde herum, dann hatte er gerade einmal nichts zu tun. Um diese Zeit waren nur wenige Kunden im Laden und er ging nach vorne zur Kasse, wo Danielle ebenfalls Langeweile hatte. Sie sah ihn und ihre Augen blitzten erfreut auf.

„Ah Tom. Da haben wir ja endlich mal wieder Zeit für ein Gespräch. Wie geht es deiner Kleinen?" „Es geht ihr gut. Sie ist quirlig, wann immer Sie mit Klara zusammen ist und noch immer ein Fan von allem mit viel Fantasie. Und bei dir so?"

„Marie ist gerade ein wenig in einer Trotzphase. Sie ist fünf und will nicht in den Kindergarten, klammert sich immer an mich, wenn ich gehen will. Das ist sehr anstrengend, ich hoffe das gibt sich wieder. Max ist zum Glück nicht so kompliziert. Der hat nur gelernt, dass man Menschen, die man gerne hat, küsst. Nun wird er zum großen Casanova. Er knutscht alle seine Freunde im Kindergarten." Danielle lachte und Harry konnte nicht anders als mitzulachen.

Mit Jayana war er schon in ähnliche Situationen gekommen, wenn auch nicht in dieselben. Sie hatte eine Zeit lang auch nicht von ihm weggewollt. Es hat immer in Tränen geendet, wenn er gegangen war. Es hatte sich geändert, als sie Klara kennengelernt hatte. Die Freundschaft war stark geworden und nun konnte sein Engelchen es immer gar nicht erwarten zu ihrer Freundin zu kommen.

Eine Kundin kam und Danielle konnte nicht weiter mit ihm schwatzen. Harry fand das nicht so schlimm. Sie waren ja immerhin zum Arbeiten hier und nicht um sich zu unterhalten. Der Rest seiner Schicht plätscherte so vor sich hin und er wart froh, als er wieder auf dem Weg nach Hause war. Die Wohnung war zwar fast ein Gefängnis, aber sie war auch seine sichere Insel. Dort würde ihn sicher niemand finden.

Er war gerade in der Küche und briet Kartoffeln und Spiegeleier, als drei feste Klopfen an der Holztür landeten. Er warf einen Blick auf die Uhr und wusste, dass die Klingel wohl mal wieder nicht funktionierte. Schnell wischte er sich die Hände an einem Küchentisch ab und ging dann die Tür öffnen. Wie erwartet stand seine Tochter vor der Tür. Sie schnupperte deutlich, kam herein und stellte ihren Ranzen zur Seite.

„Riecht lecker, Daddy." Rief sie, während sie sich auszog. „Hoffentlich schmeckt es auch so." antwortete Harry, während er die Bratkartoffeln, die Eier und den Spinat auf zwei Teller verteilte. Während sie aßen, erzählte Jayana lebhaft.

Da hatte sie von Klara. Eigentlich war sie recht ruhig, arbeitete konzentriert und in Stille, verschanzt sich lieber mit einem Buch als alleine ein Abenteuer zu erleben, doch die Essenstische füllte sie mit ihren farbenfrohen Erzählungen.

„Schau Daddy. Mein Bild." Stolz präsentierte sie Harry das Bild, von dem sie ihm schon beim Frühstück erzählt hatte. Es war wirklich gut gelungen und man sah klar die Krönungsszene. „Ein Meisterwerk. Sollen wir es an deinen Schrank hängen?" Jayana nickte und sprang begeistert auf. In ihrem Zimmer wartete sie schon auf ihren Vater, mit dem zusammen sie das Bild mit Tesafilm an den Schrank klebte.

Blonder EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt