5. Türchen

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Als es endlich Samstag wurde, war ich so nervös wie noch nie. Es war mein erstes Date seit Langem. Doch bis 18 Uhr musste ich noch irgendwie die Zeit totschlagen. Deswegen traf ich mich mit Niko. Wir kannten uns seit der Grundschule, sahen uns allerdings nicht mehr so oft, weil er auf eine andere Schule ging als ich.

Wir trafen uns in unserem Lieblingscafe. Früher hatten wir uns jeden Samstag dort getroffen und Kakao mit Sahne getrunken, bis uns schlecht war. Im Sommer gab es dann eisgekühlten Kakao mit Vanilleeis.

"Hey", begrüßte ich Niko, der schon an unserem Stammplatz saß. Wie immer war er braun gebrannt und seine schwarzen Haare gestylt. Ich fragte mich, wie er bei diesem Wetter immer noch braun sein konnte. Ich sah neben ihm immer aus wie eine Leiche. An guten Tagen sah ich neben ihm aus wie ein Geist.

"Hi", antwortete er und lächelte mich an. "Wie geht's dir?"

"Gut soweit und dir? Wie läuft's mit Janine?", fragte ich. Janine war Nikos Freundin. Die beiden waren gefühlt schon ein halbes Jahrhundert zusammen.

Nikos Lächeln wurde breiter. "Mir geht's gut. Janine und ich wollen wahrscheinlich über Weihnachten zusammen in den Urlaub nach Schweden fahren."

"Macht das! Das wird bestimmt toll", sagte ich. Ich vergaß immer, dass Niko schon 18 Jahre alt war, Auto fahren durfte und ein Haus für einen Urlaub buchen konnte.

"Ich würde dich ja einladen, aber es ist bestimmt doof für dich, wenn du wie das fünfte Rad am Wagen daneben stehst", meinte Niko entschuldigend.

Ich winkte ab. "Das verstehe ich. Außerdem würde ich da nicht gerne dabei sein."

Niko wackelte mit den Augenbrauen. "Wieso das denn?"

"Das weißt du genau", sagte ich lachend.

Ein Kellner kam und nahm unsere Bestellung auf. Ich schmunzelte, als Niko und ich ohne zu Zögern einen Kakao mit Sahne und bunten Streuseln bestellten. Das würde sich hoffentlich nie ändern.

"So und jetzt zu dir: Was bedrückt dich?", fragte Niko. Wieso konnte ich nie vor einem meiner Freunde etwas geheim halten? War das so offensichtlich?

"Ich habe einen Jungen kennengelernt", fing ich an, doch Niko unterbrach mich sofort.

"Wenn er dir das Herz bricht, bring ich ihn um", sagte er. Nach einem Blick von mir fügte er hinzu: "Ich meine das ernst. Aber jetzt erzähl erst mal."

Also erzählte ich, obwohl es nicht viel zu erzählen gab. Er ließ mich ausreden und unterbrach mich kein einziges Mal. Als ich geendet hatte, trank er einen Schluck, bevor er antwortete.

"Tom also. Ich freue mich wirklich für dich, aber ich meine es ernst, wenn er dir das Herz-", setzte Niko an.

Mit einem Augenverdrehen unterbrach ich ihn. "Wenn er mir mein Herz bricht, bringst du ihn um. Schon verstanden. Außerdem so weit sind wir noch gar nicht. Das ist gleich erst unser erstes Date."

"Er bedeutet dir aber schon viel", stellte Niko zweifelnd fest. "Pass nur auf, dass er dich nicht nur ausnutzt. Viele Jungs nutzen Weihnachten für einen lockeren Flirt."

"Ich passe auf", versprach ich ihm, damit Niko endlich Ruhe gab. Denn ich hielt Tom nicht für so jemanden.

"Gut."

Danach sprachen wir über belanglosere Themen wie den Schneefall, der wieder eingesetzt hatte, und die Schule. Es tat immer wieder gut, mit Niko zu reden. Er war so unbeschwert und optimistisch. Zum Abschied wünschte er mir noch viel Spaß mit einem Augenzwinkern, woraufhin ich ihn lachend in die Seite boxte.

Als ich Zuhause ankam, kehrte mit einem Schlag die Nervosität zurück. Es waren nur noch anderthalb Stunden, bis Tom mich abholte. Er hatte das vorgeschlagen, weil er mit mir auf einen Weihnachtsmarkt weiter weg gehen wollte. Tom war wie Niko schon 18 und durfte deshalb Auto fahren.

Hoffentlich würden mir überhaupt Gesprächsthemen einfallen, sonst wäre das eine sehr peinliche Autofahrt werden. Erst jetzt merkte ich, wie gut mich Niko abgelenkt hatte. Ich seufzte und öffnete meinen Kleiderschrank.

Es dauerte lange, bis ich mich für ein Outfit entschieden hatte. Dadurch musste ich mich beim Duschen beeilen. Immerhin hatte es den Vorteil, dass ich mich nur leicht schminkte und es nicht aus Versehen übertrieb, weil ich dachte, dass noch etwas Rouge oder so fehlte.

Ich strich meinen Rock glatt und betrachtete mich ein letztes Mal im Spiegel. Meine blonden Haare hatte ich offen gelassen und nur zwei Strähnen zurückgebunden. Mit mir zufrieden lief ich die Treppen runter, setzte mich aufs Sofa und versuchte gelassen zu wirken.

"Wann kommt er nochmal, hast du gesagt?", fragte mein Vater.

"Um 18 Uhr. Also in zehn Minuten", antwortete ich.

Ich hoffte, dass es gleich nicht allzu peinlich werden würde, denn meine Eltern hatten darauf bestanden Tom kennenzulernen, bevor er mit mir ausging. Ich konnte zwar verstehen, wieso sie ihn kennenlernen wollten, aber das machte aus dem Date mehr als es war. Es machte alles so viel offizieller.

Als es klingelte, sprang ich schnell auf und rannte zur Tür. "Ich gehe", brüllte ich, obwohl ich wusste, dass sowieso kein anderer die Tür öffnen würde.

Ich atmete einmal tief durch, dann drückte ich die Klinke herunter. "Hi."

"Hi, Hanna", sagte er und zog mich schon wieder in eine Umarmung.

"Komm doch rein", sagte ich. Ich hatte ihm schon vom Vorhaben meiner Eltern geschrieben, damit er nicht unangenehm überrascht werden würde.

"Du siehst hübsch aus", flüsterte er im Vorbeigehen in mein Ohr, und ich bekam eine Gänsehaut, als sein Atem auf meine Wange traf.

"Danke", hauchte ich.

Tom grinste und deutete auf die Tür, die ins Wohnzimmer führte. Ich nickte bloß und fing an meine Sachen anzuziehen. Ich konnte nicht verstehen, was Tom oder meine Eltern sagten, doch als ich sie lachen hörte, atmete ich erleichtert auf.

Tom kam nach wenigen Minuten zurück in den Flur und hielt mir die Tür auf. "Ladies first."

Ich schmunzelte. "Ein richtiger Gentleman."

Tom grinste. "Natürlich, was hast du denn erwartet?"

Ich antwortete ihm nicht, sondern rief in Richtung Wohnzimmer: "Wir sind weg. Bis später."

"Bis später und viel Spaß", riefen meine Eltern unisono zurück.

Ich trat durch die Tür. Es schneite nach wie vor. Die besten Voraussetzungen für einen Weihnachtsmarktbesuch. Ich rückte meine Beanie zurecht und sah Tom fragend an. "Welches ist deins?"

"Das da", antwortete er und deutete auf ein schwarzes Auto. Den Stolz in seiner Stimme konnte er nur schwer verbergen.

"Nicht schlecht", sagte ich beeindruckt. Auch wenn ich nicht besonders viel Ahnung von Autos hatte, das hier fand ich schick.

Tom schloss das Auto auf und öffnete mir die Beifahrertür. Ich setzte mich auf den Sitz. "Danke."

Er lächelte, schloss die Tür und ging um das Auto herum. Als er sich auf den Fahrersitz niederließ, wurde mir bewusst, wie eng wir nebeneinander saßen.

"Bereit?", fragte Tom und sah mich an. Diese braunen Augen bereiteten mir wieder weiche Knie und ich war froh, dass ich saß.

"Bereit."

Winter Wonderland (Adventskalender)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt