Am nächsten Tag, dem letzten Schultag, beschloss ich, mit Niko, Mia und Elsa in ein Café zu gehen, um mit ihnen über die Racheaktion zu reden. Ich traf als erste am Café ein und setzte mich schon mal an einen Tisch, weil draußen ein eisiger Wind wehte.
"Was darf es für Sie sein?", fragte der Kellner. Er war jung, nicht älter als 18, und hatte ein schelmisches, fast schon spitzbübisches, Lächeln.
"Eine heiße Schokolade mit Sahne bitte", sagte ich.
"Kommt sofort", erwiderte der Kellner, deutete eine Verbeugung an und ging dann pfeifend davon.
"Was war das denn?", fragte Mia, die sich mir gegenüber auf das Sitzsofa schmiss. "Die Typen laufen dir dieses Jahr aber wirklich hinter."
"Nur dieses Weihnachten", korrigierte ich. Den Rest des Jahres hatte absolut kein Junge Interesse an mir gezeigt, da war ich sicher.
"Du hast wieder mal absolut nichts gemerkt, oder? Was war denn bei unseren Besuchen im Freibad?", fragte Mia.
"Da war nie was", sagte ich, nachdem ich eine Weile überlegt hatte.
Sie seufzte. "Du bist ein hoffnungsloser Fall."
Ungewollt erinnerte mich Mia mit diesem Satz an die Autofahrt mit Tom. Er hatte mir das Autofahren beibringen wollen und ich hatte mich selber als hoffnungslosen Fall bezeichnet. Ich blinzelte und die Erinnerung verschwand.
"Ich nehme einen Pfefferminztee", sagte Mia zu dem Kellner, der meinen Kakao brachte. Na ja, es war mehr Sahne als Kakao. Und daneben lag ein Zettel.
Ich dachte mir nichts dabei, weil es bestimmt die Quittung oder so etwas war, doch Mia interessierte sich sehr für den Zettel. Kaum war der Kellner gegangen, faltete sie ihn auseinander.
"An dir hat ja nie jemand Interesse", spottete sie und zeigte mir den Zettel. Auf ihm standen ein Name, Lukas, und eine Handynummer.
Ich nahm ihr den Zettel ab, zerknüllte ihn und warf ihn in meine Handtasche. "Das ist mir egal. Ich habe gerade genug von Jungs." Ein wenig tat mir Lukas leid, da er vergeblich auf eine Nachricht meinerseits warten würde. Andererseits war es gut möglich, dass er jedem zweiten Mädchen seine Nummer gab.
Elsa und Niko trafen fast zeitgleich ein und setzten sich zu uns. "Also, Hanna, warum hast du uns alle herbestellt?", fragte Elsa, nachdem jeder eine dampfende Tasse vor sich stehen hatte.
"Es geht um eure Racheaktion", sagte ich.
"Was für eine Racheaktion?", stellte sich Niko ahnungslos, doch seine Augen verrieten ihn.
Ich verdrehte die Augen. "Ich habe noch nicht geschlafen, als ihr darüber gesprochen habt."
"Ups", sagte Mia.
"Ich wollte euch eigentlich sagen, dass ihr eure Racheaktion machen könnt. Ich werde allerdings nicht mitmachen", sagte ich.
"Yes!", rief Niko und stieß die Faust in die Luft.
"Aktion Tom ist ein Idiot kann beginnen", jubelte Mia und mehrere Köpfe drehten sich zu uns um, doch sie interessierte das nicht im Geringsten.
Ich schmunzelte über meine Freunde, die sich freuten, als hätten wir Ostern und Weihnachten zusammen. Na ja, es war auch bald Weihnachten.
"Das muss ich Paul schreiben. Wir legen heute noch los", sagte Niko und tippte eine Nachricht auf seinem Handy.
"Lasst uns auf den Weihnachtsmarkt gehen", schlug ich vor.
Plötzlich waren meine Freunde alle still. "Bist du sicher, dass das schon geht?", fragte Mia.
"Ich meinte nicht den Weihnachtsmarkt, auf dem er arbeitet, sondern irgendeinen anderen", sagte ich.
"Ach so." Elsa sah mich erleichert an. Ich wusste, dass ich es noch nicht schaffte, auf den Weihnachtsmarkt zu gehen, auf dem wir uns kennengelernt hatten. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, obwohl es noch nicht so lange her war.
Wir zahlten und gingen in Richtung Weihnachtsmarkt. Schon von Weitem hörte man die Weihnachtsmusik und das allererste Mal machte es mir nichts aus, auf einen Weihnachtsmarkt zu gehen. Vielleicht lag es daran, dass ab heute Ferien waren. Vielleicht lag es daran, dass meine besten Freunde dabei waren. Oder vielleicht lag es auch nur daran, dass es mein Vorschlag gewesen war.
Der Weihnachtsmarkt war noch nicht allzu voll, da wir auch erst 14 Uhr hatten. Wir schlenderten über den Weihnachtsmarkt und besahen uns in Ruhe die Stände. Mia blieb besonders lange vor einem Stand mit Plüschbären stehen. Es gab sie in den unterschiedlichsten Größen. Mia wurde schon fast magisch von ihnen angezogen, bis wir sie weiterschoben.
"Aber sie waren soooo süß", schwärmte Mia.
Ich wollte gerade etwas erwidern, als ich jemanden in der Menge erblickte. "Ist das nicht Jan?"
Tatsächlich war es Jan. Er war zusammen mit Luca unterwegs und bahnte sich jetzt einen Weg zu uns. Er schloss erst Elsa in die Arme und dann uns andere.
"Das ist Niko", stellte ich Niko den beiden Jungs vor. "Niko, das sind Jan und Luca."
"Hi", sagte Niko und die Jungs gaben sich auf diese komische Art die Hand. Ich hatte das noch nie verstanden.
"Mia fand die Plüschbären an dem einen Stand dahinten toll", sagte ich leise zu Luca, als wir weitergingen.
"Und?", fragte Luca. Wieso waren Jungs oft so begriffsstutzig?
"Kapierst du's echt nicht? Schenk ihr einen zu Weihnachten, du Dussel", sagte ich.
"Einen Teddybären?" Luca sah nicht überzeugt aus.
"Sie wird sich freuen", beharrte ich. "Los geh, ich denke mir eine Ausrede aus."
Luca drehte um und machte sich auf die Suche nach dem Stand. Komischerweise fiel es niemanden, nicht einmal Mia, auf, dass Luca kurze Zeit verschwunden war. Er brauchte nicht lange. Zum Glück hatte er einen Rucksack dabei, in dem er den Bären verstauen konnte.
"Hat wer Lust auf einen Crépe?", fragte Jan in die Runde. "Ich würde einen ausgeben."
Wie zu erwarten wollte jeder einen haben und ich schmunzelte über Jans Gesichtsausdruck. Da war er selber Schuld, wenn er so was anbot.
Meine gute Stimmung wurde allerdings getrübt, als ich Tom am Crépe-Stand entdeckte. "Ich warte dahinten", sagte ich und deutete auf den Stehtisch, der am weitesten von dem Stand entfernt war.
Elsa hatte Tom ebenfalls entdeckt. "Ich komme mit. Wir nehmen beide einen mit Nutella."Dann gingen wir außer Hörweite.
"Was ist, wenn er die Wahrheit gesagt hat?", fragte ich Elsa.
"Die Wahrheit worüber?", fragte Elsa.
"Darüber, dass er mich liebt und sich von dieser Lilian getrennt hat", antwortete ich. "Hätte er dann nicht noch eine zweite Chance verdient?"
"Vielleicht. Ich weiß es nicht", sagte Elsa. "Vielleicht wäre es besser, wenn ihr miteinander geredet hättet. Die Frage ist ja letzendlich, was für euch besser ist. Ist es besser, wenn ihr einander vergesst oder ist es besser, wenn ihr noch einmal vernünftig darüber redet?"
Darauf hatte ich keine Antwort. Elsa erwartete auch keine.
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Winter Wonderland (Adventskalender)
Fiksi RemajaVolle Läden, verbrannte Plätzchen, purer Stress. Das waren die drei Gründe, wieso Hanna die Weihnachtszeit nie genießen konnte. So ist es auch dieses Jahr. Nur dieses Mal kommt es noch viel schlimmer. Sie muss auf einen Weihnachtsmarkt! Und als wär...