Vollmondnacht

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In dieser Nacht lag ich lange wach. Die Zimmer der einzelnen Häuser waren neu eingeteilt worden, da es wohl einige Probleme gab, die nicht anders gelöst werden konnten. Das bedeutete, dass ich mir nach knapp zwei Jahren das Zimmer wieder mit fünf anderen Mädchen teilte.

Es war ungewohnt für mich, da ich die letzte Zeit den Schlafsaal für mich allein hatte, dadurch dass niemand mit mir in ein Zimmer wollte. Irgendwo war ich erfreut darüber, wieder etwas Gesellschaft zu haben, allerdings werde ich mich erst wieder daran gewöhnen müssen.

Ich war ziemlich überrascht, als vier der fünf Mädchen sogar freiwillig mit mir in ein Zimmer gegangen waren. Ich kannte sie schon ein wenig, jedoch nicht besonders gut. Nach dem Essen hatten sie sich mir erst einmal vorgestellt und später hatten wir noch viel Zeit damit verbracht uns besser kennenzulernen beziehungsweise hatten die anderen viel erzählt, während ich ihnen eher schweigend gelauscht hatte.

Nur ein blondes Mädchen mit braunen Augen, Pia, war von Anfang an nicht begeistert darüber gewesen. Sie wurde, mehr oder weniger, zugeteilt, ohne nach ihrer Meinung gefragt zu werden und ihrem Ärger darüber hatte sie auch vorhin schon Luft gemacht.
Inzwischen hatte sie sich grummelnd in ihr Bett verzogen, die Vorhänge geschlossen und sich nicht an unserer Konversation beteiligt.

Ich schaute aus dem Fenster, da die anderen bereits eingeschlafen waren und ich die regelmäßigen Atemzüge hören konnte. Es war bereits kurz vor Mitternacht, doch ich fand keinen Schlaf. Die Sterne funkelten und der riesige Vollmond erstrahlte majestätisch und wunderschön über den Ländereien von Hogwarts.
Meine Gedanken drehten sich um die Geschehnisse des heutigen Tages und ich hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.

Je mehr ich nachdachte, desto schlimmer wurde das Gefühl, was mich nach einer Weile dazu veranlasste, dass ich einfach an die frische Luft gehen musste. Die ganze Zeit über wurde ich von den anderen abgelenkt und auf andere Gedanken gebracht, jedoch schlichen sich jetzt wieder diese düsteren Gedankengänge ein und Trauer übermannte mich.
Warum konnte nicht einmal alles gut verlaufen...

Ich zog mir leise meinen Umhang über und die Schuhe an und schlich mich aus dem Schlafsaal. Der Gemeinschaftsraum war leer und so konnte ich ihn ohne Probleme verlassen. Ich wusste, dass es verboten war, dennoch brauchte ich jetzt einfach frische Luft und wollte mir die Beine vertreten.

Ich schlich durch die Korridore hinab zur großen Eingangshalle und schlüpfte durch die Tür in die kühle Nachtluft hinaus.
Ich atmete ein paar mal tief ein und zog den Umhang etwas enger um mich, bis sich meine Atmung etwas entspannte und setzte mich dann in Bewegung.

Einige Zeit spazierte ich über die Schulländereien, während der Mond mir den Weg erhellte. In der Nähe der Peitschenden Weide ließ ich mich ins feuchte Gras sinken und starrte auf den See hinaus und meine Gedanken wanderten mal wieder umher.
Das Wasser war ruhig und glitzerte im Mondlicht. Nur vereinzelt schlugen ein paar Wellen sanft gegen das Ufer.

Ich wusste nicht, wie lange ich dort saß, aber eine Weile war es bestimmt, da der Vollmond fast direkt am Himmel stand. Es war still. Man konnte vereinzelt die Rufe einer Eule hören, die durch die Ruhe hallten.

Plötzlich hörte ich Schritte, etwas weiter hinter mir. Ich drehte mich um und entdeckte den Verursacher der Schritte beziehungsweise dessen Silhouette.
Selbst im Licht des Mondes erkannte ich nur den schwarzen Umhang, welchen sich die Person übergeworfen hatte. Sie schien mich noch nicht entdeckt zu haben und aus Angst, dass sie dies täte, legte ich mich auf den Boden, um mich möglichst klein zu machen.

Als ich dies tat, entdeckte ich den Ast unter mir zu spät, welcher unter meinem Gewicht brach. Das Geräusch war in der Ruhe fast übernatürlich laut. Die Person schien es gehört zu haben und drehte sich ruckartig in meine Richtung.
Sie erstarrte für einige Sekunden, bevor sie sich umdrehte und auf den Verbotenen Wald zustürmte.

Ich war mir nicht sicher, ob sie mich entdeckt hatte, oder nur einen Schreck bekam. Sie lief zielstrebig und ziemlich hektisch weiter und ich sah sie im Dickicht verschwinden.
Zuerst lag ich einfach nur erstarrt da, doch schnell löste ich mich daraus. Verwundert und etwas nervös stand ich auf und machte mich langsam auf den Weg zurück Richtung Schloss.

Dennoch warf ich immer wieder einen Blick über meine Schulter, um zu sehen, ob die Person mich vielleicht verfolgte. Ich konnte bereits die riesigen Flügeltüren ausmachen, als ich hinter mir einen markerschütternden Schrei vernahm.
Er klang nicht wirklich nach einem normalen Schrei, dafür war er zu schmerzerfüllt, zu Schrill...oder?

Ich versuchte eine Erklärung darauf zu finden, die logisch klang. Vielleicht war es nur ein Tier, im Wald soll es doch alle möglichen Kreaturen geben? Aber was ist, wenn jemand dringend Hilfe brauchte? Hin und her gezogen blieb ich stehen und drehte mich in die Richtung, aus der der Schrei kam.
Und wie vermutet kam er direkt aus dem Verbotenen Wald.

Dennoch, der Wald war absolut tabu! Ich hatte diese Nacht schon eine Regel gebrochen und, auch wenn mich die Neugier förmlich zum Wald zog, beließ ich es dabei. Sollte ich trotzdem Hilfe holen? Doch dann würde man mich fragen, was ich draußen bei Sperrstunde zu suchen hatte.
Vielleicht hatte man den Schrei ja im Schloss gehört und die Professoren waren bereits auf dem Weg hierher. Aber was wäre, wenn die Person, die ich vorhin entdeckte, dringend Hilfe brauchte und es für sie zu spät sein würde, wenn ich die Professoren hole?

Die Entscheidung wurde mir abgenommen, als ich einen weiteren Schrei vernahm. Dieser klang noch animalischer als der erste, weswegen ich mich zum Handeln entschied.
Ich sprintete also wieder zurück in die Richtung, aus der ich gekommen war und als ich den Wald erreichte, drosselte ich mein Tempo ein wenig.

Nachdem ich einigermaßen zu Atem gekommen war, ging ich vorsichtig in den Wald hinein. Trotz dessen, dass jemand wahrscheinlich dringend Hilfe brauchte, musste ich an die vielen Geschichten rund um den Verbotenen Wald denken, welche mich zur Vorsicht zwangen.
Die Bäume um mich herum ragten bedrohlich in den Himmel und je tiefer ich in den Wald ging, desto dunkler wurde es trotz des Vollmondes.

Nach einiger Zeit, es hätten Minuten oder Stunden sein können, gelangte ich auf eine kleine und vom Mond beschienene Lichtung, in dessen Mitte ich etwas entdeckte, was dort nicht hingehörte, ein schwarzer Umhang.

Vorsichtig ging ich zum Zentrum der Lichtung und bückte mich nach dem Stoff. Ich nahm ihn hoch und mir stieg ein Geruch in die Nase, welchen ich irgendwoher kannte. Es roch ein wenig nach...Schokolade?
Aber es konnte auch etwas anderes sein, wahrscheinlich war es das auch und mein Gehirn spielte mir wieder Streiche. Außerdem hafteten die Gerüche der Natur an ihm.

Ich drehte den Mantel hin und her, um vielleicht einen Hinweis auf seinen Besitzer zu erhalten. Als ich jedoch hinter mir einen Ast knacken hörte, fuhr ich ängstlich herum. Doch konnte ich im Dickicht des Waldes nichts erkennen. Hatte ich es mir nur eingebildet? Verdammt, was hatte ich mir nur dabei gedacht!

"Wer...Wer ist da?", fragte ich mit zitternder Stimme. Meine Hand glitt zu der Tasche, in der sich mein Zauberstab befinden müsste. Innerlich schlug ich mir gegen die Stirn, als ich mich daran erinnerte, ihn im Schlafsaal gelassen zu haben.
Ich ging langsam ein paar Schritte rückwärts, als ich das Laub wieder rascheln hörte.

Plötzlich verhedderten sich meine Füße in dem Stoff des Umgangs, welchen ich vor Schreck fallen gelassen hatte, und ich stürzte auf den Rücken.
Nachdem ich geräuschvoll auf den Boden aufgeschlagen war, brauchte ich einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen.

Benommen versuchte ich mich aufzurichten, jedoch dauerte dies eine Weile, da meine Sicht getrübt war. Mir stiegen Tränen in die Augen, vor allem, weil ich nun das Laub in regelmäßigen Abständen und immer näher rascheln hörte.
Die Angst zwang sich in meine Knochen und mein Körper begann zu zittern, während ich das Adrenalin wahrnahm, welches meine Augen und Ohren erheblich schärfte.

Plötzlich trat etwas aus dem Dickicht heraus, oder wohl eher jemand...
"Anni?! Was bei Merlins Bart hast du hier zu suchen?" Er kam näher und langsam an mich heran und, nachdem er sich hingehockt hatte, betrachtete er mich von oben nach unten.
Die Furcht ließ etwas von meinem Körper ab und mein Brustkorb fühlte sich wieder freier an, bevor er sich noch schmerzhafter zusammenzog als zuvor.

"Das könnte ich dich auch fragen Percival...", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und schaute in das, inzwischen blutfreie, Gesicht meines besten Freundes, welches im Licht des Mondes gespenstisch weiß erschien.

You're not alone! (Remus Lupin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt