Wenn er sich richtig daran erinnerte, gab es flussaufwärts eine Brücke. Wenn er Glück hatte, war sie noch da und würde seinem Gewicht standhalten.
Hoffentlich war sie noch da.
Bitte! Wenn es da draussen eine höhere Macht gab, bitte hab ein einziges Mal Mitleid mit mir!Früher hatte er hier oft mit seinen Geschwistern Verstecken gespielt. Man hatte ihn leider immer sehr schnell gefunden, aber gefangen hatte man ihn nie. Jeder der fünf Geschwister hatte eine andere Art, sich zu verstecken. Manu war immer auf Bäume geklettert. Nicht hoch, er hatte nämlich Höhenangst. Seine Geschwister aber auch. Das hatte er gelernt, als man ihn, den Jüngsten, schickte um ein paar der höher gelegenen Äste abzuschneiden, an die zum Beispiel Yan viel leichter rangekommen wäre. Diese Memme traute sich aber nicht auf den Baum. Deswegen musste Manu es tun. Er hasste diese Aufgabe! Bäume waren aus irgendeinem Grund immer nass. Und Nass war ekelhaft.
Als er das begriff, versteckte er sich zwar offensichtlich, aber niemand kam an ihn ran. Er war in der Familie ungeschlagener Meister.So schlenderte er am Fluss entlang, das Rehkitz dicht hinter ihm und die Mutter dann mit ein wenig Abstand dahinter.
Von Aussen sah es sehr lustig aus, das das Rehkitz immer wieder versuchte, den Beutel zu packen. Manuel interessierte das überhaupt nicht. Sein Ziel war es, die Brücke zu finden. Solange das Reh ihn nicht nervte, durfte es bleiben.„Au! Sag mal spinnst du?" Das Rehkitz hatte ihn gerade gebissen. Gebissen! Was es nicht alles gibt. „Au! Nicht schon wieder. Lass mich los du dummes Vieh!"
Die Zähne in seinem Arm vergraben zog es ihn zurück zu der Richtung aus der er hergekommen war. „Da war ich schon Reh!", wollte Manu es beruhigen, doch das kleine Reh schnaubte auf.
Das war wohl ein „Nein". Das Reh war ein Besserwisser. Super!
Zu seinem Bedauern hatte das Reh recht. Ganz in seine Gedanken vertieft, hatte er die Brücke übersehen.Es war ein etwas älteres Ding. Eigentlich waren es nur zwei Bretter, die mal jemand dorthingelegt hatte. Brücke tönte allerdings eindrucksvoller In letzter Zeit nicht mehr so of benutzt, aber seinem Gewicht sollte sie standhalten.
„Auf Wiedersehen Mini-Reh. Vielen Dank."
Vorsicht tätschelte er dessen Kopf. Das Fell war schön weich.
Er wollte ein Reh haben. Die waren schön, warm und praktisch. Das war doch mal nützlich. Nicht immer nur diese dämlichen Kühe.
Er winkte auch noch kurz der Rehmutter zu und setzte dann vorsichtig den ersten Schritt auf die Bretter. Das Holz fühlte sich morsch an und es knarzte auch unheilvoll. Manuel überquerte sie ohne Probleme.
Jetzt war es nicht mehr weit bis zum Waldrand. Vielleicht noch zwei drei Minuten dann war er aus dem Wald raus und konnte auf den Berg.Es war eine richtig schöne Atmosphäre. Vögel zwitscherten und der Schnee glänzte hell. Reflektiert von der Sonne, die durch das Geäst schien.
Manuel trat aus dem Wald hinaus und starrte den Berg an. Das hier war Sperrgebiet. Keiner durfte da raufgehen. Denn man kam nie wieder runter.
Manuel breitete die Arme aus und spürte den Wind auf seiner Haut. Die Augen schloss er, damit er es einfach nur geniessen konnte.
Ein warmer Atem in seinem Nacken riss ihn aus seiner Entspanntheit. Er öffnete die Augen und drehte sich langsam um.
Sein Blick wurde von kalten, grauen Augen erwidert, die ihn abschätzig musterten.

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Seelen des Schnees / Adventskalender 2018
FanfictionIn Manuels Dorf gibt es eine Legende. Alle zehn Jahre wird in der Woche vor Weihnachten ein ungezogener Junge von einer Hexe, die auf dem Berg lebt, entführt. Die Jungen werden nie wieder Gesehen. Das ganze Dorf lebt in Angst und Schrecken. Einzig u...