Das ist ja mal super gelaufen! Bravo!

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Die Reaktionen waren genau das, was er erwartet hatte.
Patrick war ausser sich vor Freude. Er tanzte in der Höhle herum, obwohl er sichtlich nicht tanzen konnte. Manuel nannte es herumhampeln. Und in genau diesem Moment erkannte Manu, wer Patrick wirklich war. Wie er war. Kein irrer, zurückgebliebener junger Mann. Ja, er war leicht reizbar, aber das war sein Vater doch auch. Aber tanzen sollte er lieber lassen.
In seiner Freude packte er Daniel und sie tanzten zusammen ums Feuer.

Es spiegelte sich auf ihrer Haut und schmerzte in Manus Augen. So hell. So froh. Der Schnee war kalt und einsam und doch brannte in beiden Eisgeistern wieder ein Feuer. Ein Feuer der Hoffnung.
Der Tanz war ungelenk und weit weg von wunderschön.
Aber Manus Gesicht zierte ein Lächeln.

Bei sich zu Hause war die Freude schon vor langer Zeit verschwunden. Die Liebe war noch da, aber seine Eltern hatten das Verschwinden von Daniel nie verkraftet. Jedes Weihnachten stand im Schatten eines Toten, der jetzt hier, vor seiner Nase herumtanzte. Er hatte das satt. Jetzt konnte er endlich etwas tun.
Irgendwann stand er auf und gesellte sich zu den Beiden.

In den letzten Stunden vor Abenddämmerung, schmiedeten sie einen Plan.
Chiara konnte ihre Magie nicht unbegrenzt einsetzten. Sie musste ihre Kräfte in der Nacht erneuern. Und in einem bestimmten Zeitraum war sie unbewaffnet und schlief tief und fest. Dann musste sich Manu hineinschleichen und einen Ring finden. Was natürlich das Einfachste der Welt war.
Wenn er den Ring gefunden hatte, musste er um die Hütte herumlaufen und dort waren dann die Körper von Daniel und Patrick. Nebeneinander aufgestellt, verspotteten sie ihre Besitzer, da sie gut sichtbar, aber unerreichbar für die Geister waren. Er musste die Körper dann aus dem Schutzzauber raustragen, Patrick und Daniel übernahmen die Kontrolle und flüchteten durch den Zeitriss. Manuel würde ins Dorf zurückkehren. Für nichts auf der Welt wollte er seine Familie zurücklassen.
Und er kannte die zwei Jungs noch nicht einmal einen ganzen Tag. Warum sollte er mit ihnen gehen wollen?

Die Nacht vom 22. auf den 23. Dezember brach an. Manuel stapfte allein rauf zu der Hütte. Er vermutete aber, dass entweder Patrick oder Daniel ihn in Form eines Windhauchs begleitete.
Das konnten Gespenster also auch. Wirklich spannend, dachte er.
Es war aber mit hoher Wahrscheinlichkeit Daniel. Manuel fühlte sich wie ein kleines Kind.

Nun ja, im Vergleich mit den Geistern war er das ja auch, aber das war hier nicht der Punkt. Daniel wäre sicher sein Patenonkel geworden. Die zweite Vaterfigur. Und diese Arbeit machte er gut. Fast schon zu gut. So behütet und beschützt gefühlt, hatte er sich zuletzt, als seine Mutter ihm immer vor dem Schlafengehen ein Lied vorgesungen hatte. Er konnte sich nicht an den Text erinnern, aber die Melodie war in seinem Kopf fest verankert. Da würde sie auch für immer bleiben. So was vergass man nicht einfach.
Manu fing an zu summen. Leise. Der ganze Berg war in Stille gehüllt und die Musik erhellte diese aussichtslose Lage.
Er zweifelte nicht an der Richtigkeit des Plans, aber wenn etwas schiefging?
Ja.
Dann hatten sie ein Problem.

Vor Chiaras Hütte machte er halt. Es war eine kleine Holzhütte. Nicht gerade stabil gebaut. Das Ding sah so morsch aus, seine Mutter bekäme beim blossen Anblick Kopfschmerzen. Sie war Handwerkerin von Beruf und Manu hatte ein paar praktische Tricks von ihr gelernt.
Er fuhr mit der Hand an seine Hüfte, zu dem Dolch, den ihm Daniel überlassen hatte. Sein Schnitzsett war bei der ganzen Aufregung um Patricks Flöte und die Ausgangssperre ganz vergessen gegangen. Wenn er Zeit hatte, konnte er sich ja noch auf einer Wand künstlerisch verewigen.
In der Hütte gab es nur einen Raum. Da war alles vereint. Schlafzimmer und Küche in einem. Im Bett schlief jemand.
Gut.
Manuel blickte noch einmal zurück. Er sah, die Sterne am Himmel funkeln.
Die Tür öffnete sich geschmeidig und ohne zu knarzen.
Auf den Zehenspitzen betrat er das Haus und sah sich in dem Raum um. Es war ziemlich dunkel.

Mit einem Krachen flog die Tür ins Schloss. Manuel fuhr herum.
„Hallo! Ich habe dich schon erwartet!"

Seelen des Schnees / Adventskalender 2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt