Blauauge und Lederarmband

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„Von mir hast du sicher schon mal gehört", flüsterte der Eine ihm ins Ohr. „Ich bin das Böse. Ich bin nur auf deinen Körper aus. Ich will, dass du daran verzweifelst, dass ich dich zu einem von uns gemacht habe." Er kam dabei immer näher und sah Manu mit seinen grauen Augen an. In ihnen schimmerte Wahnsinn.
Er rutschte instinktiv von ihm weg, bis er mit dem Rücken spürte, es ging nicht weiter. Es war eine Wand. Er sah sich kurz um. Er befand sich in einer Höhle, die weiter in den Berg hineinführte.

Die Geister hatten ihr Lager hier aufgeschlagen. Es lagen ganz viele verschiedene Sachen überall verstreut herum. Es brannte ein Feuer und daneben waren zwei provisorische Betten. Manuel fragte sich, warum Eisgeister ein Feuer brauchten und ob Gespenster überhaupt schliefen. Waren die Sachen nicht überflüssig? Er kam aber zum Entschluss, dass er lieber nicht fragte. Wer wusste schon wie sie reagieren würden.
Sein Blick war nicht unbemerkt geblieben.
Schon tönte es vom Höhleneingang her: „Wir haben kalt. Die gesamte Zeit. Unser Körper ist aus Eis. Wir sind nicht immun gegen die Kälte, wir können sie nur verbreiten. Und auch solche Dinge wie wir müssen schlafen."
Der Andere zerlegte gerade seinen Beutel. Er nahm alles nacheinander heraus und betrachtete es sorgfältig. Manu entschied sich dafür ihn „Blauauge" zu nennen. Seine Augen waren grau und kalt, doch sie schienen auch eisblau zu leuchten.
Wenn er kein Geist wäre, würde Manu ihn vermutlich sogar mögen. Er war nicht so unheimlich wie der Andere.
Den taufte er übrigens „Lederarmband". Er trug eben dieses Lederarmband an seinem linken Handgelenk und es war schon ganz abgetragen. Er musste es für eine sehr lange Zeit besitzen. Auch fasste er immer dort hin. Manuel wusste nicht warum, doch dann trat immer ein Funkeln in seine Augen.

Gerade hatte Blauauge einen Socken in der Hand und Manu fiel mit Schrecken ein, dass er da die Flöte von Patrick reingestopft hatte, als er sich aus dem Dorf gerannt war. Wenn der das jetzt rausnahm und irgendwo hinwarf hatte Manuel ein Problem. Er könnte die Flöte nie wiederfinden. Die rutschte sicherlich in einen Spalt oder rollte unter ein Bett.
Manu zog die Knie näher zur Brust und vergrub den Kopf zwischen den Beinen. Wo war er da hineingeraten?
Er seufzte. Sein Ziel war es, dem Dorf zu beweisen, dass Magie nicht existierte. Jetzt sass er mit zwei Geistern in einer Höhle und trug eine Flöte bei sich, die einem Jungen, der vor mehreren hundert Jahren gelebt hatte, gehörte.
Er war für nichts aufgebrochen.

„Hey, Manuel", kam es nun von Blauauge. Er sah wieder auf und erkannte die Flöte in dessen Hand. Blauauge wedelte kurz damit hin und her. Es wirkte wie eine Frage: Was war das?
„Eine Flöte die mal Patrick gehört hat. Ich denke du weisst wen ich meine. Der Idiot wegen dem auf unserem Dorf ein Fluch lastet."
Zu spät viel ihm ein, dass die Geister ja gar nicht von hier kommen mussten. Vielleicht kamen sie von weit her?
Lederarmband kam näher. Zuerst war seine Stimme leise und gefährlich, dann wurde er immer lauter. „Ach Patrick. Netter Junge. Dumm wie Brot und zu nichts zu gebrauchen. Nicht wahr?!" Die letzten Worte schrie er Manuel ins Gesicht. Die Augen waren voll von Wut und Trauer.

„Ich zeig dir jetzt mal wer Patrick war und wer wirklich für all diesen Mist verantwortlich ist, Manuel. Das wird dir nicht gefallen!"
Er sprang nach Vorne und packte Manuel bei den Schultern. Etwas zog an Manuel. Sein Körper blieb verschont doch es war, als habe man seinen Kopf geöffnet und wolle nun seinen Geist gewaltsam herausziehen.
Plötzlich konnte er einen jungen Mann sehen. Er raste auf ihn zu und verschmolz dann mit seinen Gedanken und Gefühlen. Das Lederarmband liess vermuten wer es war.
Noch war ihm die Bedeutung dieser Szenen die er bald sehen würde nicht bewusst.

Seelen des Schnees / Adventskalender 2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt