Kapitel 1

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Akari trat aus der Hütte und atmete tief ein. Die Luft war noch ziemlich kühl für April, aber heute machte ihr das nichts aus. Es war ihr elfter Geburtstag und sie wollte mit ihrem Geburtstagsgeschenk ausreiten. Akari wollte schon runter zur Koppel laufen, als sie hinter sich die Stimme ihres Vaters hörte.

„Wo willst du hin?"

„Neapel sehen."

„Hast du nicht was vergessen? Du hast Anamaria versprochen, heute Morgen vorbeizukommen."

Akari legte ihren Kopf in den Nacken und brummte. Sie drehte sich langsam um und stapfte gespielt sauer Richtung Südseite des Dorfes. Nito sah ihr belustigt hinterher.

„Sei so höflich und bleib wenigstens bis zum Ende der Mahlzeit."

„Ja, ja."

Akari stapfte noch ein paar Meter weiter, bevor sie Tkah sah und auf sie zu rannte. Akari umarmte ihre Freundin so stürmisch, dass diese Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten. Als Akari endlich von ihr abließ, zog diese etwas aus ihrer Tasche und hielt es verschlossen in ihrer linken Hand.

„Ich habe ein kleines Geburtstagsgeschenk."

Sie öffnete ihre Hand und hielt sie Akari hin. In ihrer Handfläche lag ein kleines Glasbild. Es hatte nicht mal die Größe von Tkahs kleinen Händen. Zu sehen war ein Waldweg, auf dem ein junges Mädchen stand. Das Mädchen hatte lange dunkle Haare, die mit einem dicken Band zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Akari nahm die Glasscheibe in die Hand und hielt sie gegen das Licht.

„Das bist ja du", stellte sie überrascht fest.

„Ja. Mirwo hat es gemalt. Alles Gute zum Geburtstag, Akari. Jetzt geh zu deiner Mama, sie hat noch was für dich. Wir sehen uns später."

Akari steckte die Glasscheibe in ihre Jackentasche und hüpfte davon.

Fünf Häuser weiter spielte ein kleines Mädchen vor dem Haus. Als sie Akari sah, sprang sie auf und rannte auf sie zu. Die Kleine klammerte sich an Akaris Beine. „Schosi". Akari umarmte ihre kleine Halbschwester Christina und nahm sie an der Hand. „Wollen wir reingehen?" Christina schüttelte wie zu erwarten den blonden Kopf. Der kleine Wirbelwind wurde nicht umsonst Venta (Wind) gerufen. Sie war sehr schnell für ihre 3 Jahre und sie hatte scheinbar endlose Energie. Christina war immer draußen, egal bei welchem Wetter. Ein Tag im Haus und sie stieg die Wände hoch, wie eine Wildkatze im Käfig. Sie war Akari sehr ähnlich.

Also ließ Akari ihre kleine Schwester draußen und betrat das Haus allein. Anamaria saß am Boden und spielte mit ihrem jüngsten Kind Aquila. Sie stand auf, als sie Akari sah und umarmte sie herzlich. „Josy. Alles Gute zum Geburtstag. Meine Große wird 11. Willst du Aquila eine Weile beschäftigen? Dann bereite ich in der Zeit etwas zu essen vor." Akari nickte und setzte sich zu dem zweijährigen. Er spielte mit Bauklötzen und hatte damit seine wahre Freude.

Nach einer Weile kam auch Christina rein. Offenbar hatte sie jetzt Hunger. Sie setzten sich an den niedrigen Tisch und begannen zu essen. Es gab Haferflocken mit Nüssen und Honig. Aber weil es Akaris Geburtstag war, hatte Anamaria etwas Besonderes besorgt. Akaris Augen strahlten, als ihre Mutter eine Orange hinter ihrem Rücken hervorholte. Frisches Obst war im Winter schwer zu finden und die eingelegten Früchte waren zu dieser Jahreszeit meistens schon aufgebraucht. Orangen waren eine seltene und ziemlich teure Importware für die Nashua. Akari betrachtete die Frucht wie ein seltener Edelstein. Ihre Mutter musste ein Vermögen dafür bezahlt haben. Akari fehlten die Worte vor Dankbarkeit, deshalb legte sie nur ihre flache Hand auf ihr Herz um ihre Liebe auszudrücken. Sie war nicht gut darin, Gefühle auszudrücken und griff dann meistens auf die Zeichensprache der Nashua zurück.

Akari Amisa - KarlsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt