Kapitel 6.2

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Der Weg zur Kommune war steil und der viele Schnee machte das Weiterkommen nicht gerade einfach. Sie brauchten sehr viel länger als angenommen, aber gegen Mittag sahen sie dann endlich das erste Haus. Das große Haus aus Holz und Stein war in den Fels gebaut. Vor dem Haus spielten ein paar Kinder im Schnee und zwei größere Jungs schaufelten Schnee. Als die Gruppe vorbeiritt, sahen die Kinder ihnen hinterher, als wären sie Außerirdische.

Sie ritten immer weiter den Berg hinauf und Akari fragte sich schon, ob sie nicht bald an der Spitze ankommen müssten. Schließlich erreichten sie eine größere Plattform. Ein junges Mädchen spielte neben dem Haus mit einer Gruppe Schlittenhunden.

Hawteha hielt vor der Haustür an und stieg von ihrem Pferd. Sie klopfte laut an die Tür. Eine Frau öffnete und starrte Hawteha an.

„Andrea?"

***Zwei Monate zuvor***

Marea zog den Reißverschluss ihrer fast leeren Tasche zu. Sie hatte nie viele Sachen angesammelt und ihre Uniformen musste sie nicht mitnehmen, sie würde beim Geheimdienst andere bekommen. Zwei Mädels aus ihrem Zimmer kamen herein und verabschiedeten sich schnell von ihr. „Der Transport ins Militärquartier kommt gleich. Wir sehen uns ja dann wieder."

Tania und Eimi kamen nach ihnen herein. Die zwei Mädels umarmten sie ausgiebig. Tania kämpfte offenbar mit den Tränen, aber sie hielt sich tapfer. Eimi machte einen fröhlichen Eindruck.

„Wir sehen uns in ein paar Wochen. Halt dich tapfer und sei bloß nicht zu weich zu den Prods", warnte sie scherzhaft. Marea hatte ein schlechtes Gewissen, ihre Freundinnen anzulügen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie wirklich zum Militär dazu stoßen würde. Vielleicht war das nur wieder eine jener Lügen, die ihnen aufgetischt wurden um harte Fakten besser zu schlucken. Sie drückte ihre Freundinnen noch einmal, nur für den Fall, dass sie sie nicht wieder sehen würde. Dann drehten sich die beiden Mädels um und gingen hinaus. Marea sah sich in ihrem Pod um und war sich nun sicher, dass sie alles eingepackt hatte, dass ihr gehörte. Dann verließ sie ihren Pod und ging in den Wohnraum. Sie stellt ihre Tasche neben die Eingangstür. Mandy und Sela waren die letzten, die noch in der Küche standen und ihre Snacks einpackten. Sie würden vermutlich als erste merken, dass Mareas Geschichte nicht stimmte, denn sie würden schnell feststellen, dass Marea nicht im Lehrerquartier untergebracht war. Um ihre Tarnung so lange wie möglich zu wahren und ihnen nicht sagen zu müssen, was sie wirklich tat, musste sie auf eine lange Verabschiedung von den beiden verzichten. Stattdessen legte sie ihre Arme auf die Schultern der beiden und meinte dann:

„Tja, war schon eine coole Zeit, was?"

Mandy grinste und Sela sah sie schelmisch an. „Ja es gab wirklich schöne Zeiten."

Marea klopfte ihnen noch einmal auf die Schultern, nahm dann ihre Tasche und ging hinaus. Sie lief bis zum Aufzug, stieg hinein und ließ ihr Armband über den Scanner gleiten. Als das vertraute Piepsen erschien, das sie als volljährige Prod auswies, wählte sie den gewünschten Stock aus und lehnte sich an die Wand. Ihr stiegen Tränen in die Augen. Sie hatte ihr ganzes Leben in diesem Haus verbracht und bis jetzt war sie nie auf den Gedanken gekommen, dass sie es eines Tages vermissen könnte. Vor ihrem inneren Auge sah sie jedes einzelne Gesicht ihrer Kameraden und sie würde vermutlich alle irgendwie vermissen. Sogar Mack, mit dem sie sich häufiger gestritten hatte, als mit allen anderen. Aber vor allem würde sie Tania vermissen, von der sie bisher nicht einen Tag in ihrem Leben getrennt war. Und Eimi, deren fröhliche Miene und verrückte Ideen ihr immer ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert hatten. Nun war sie das erste Mal in ihrem Leben auf sich allein gestellt.

Der Aufzug hielt im 15ten Stock und Marea wischte sich schnell die Tränen aus dem Gesicht. Sie betrat die Halle und ein kühler Wind wehte herein, als ein Loop am westlichen Ende des Gebäudes hereinfuhr. Er hielt in der Mitte des Gebäudes und ein paar Abteile öffneten sich Marea drückte ihre Tasche an sich und lief zügig zu dem Abteil, dass ihr am nächsten war. Dann setzte sie sich hinein und die Tür schloss sich zischend über ihr. Sie wählte auf dem Monitor ihr Ziel aus und lehnte sich dann entspannt zurück. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis die Tür wieder aufschwang und sie aussteigen konnte. Plötzlich befand sie sich auf dem großen Hyperloop-Bahnhof. Sie sah sich erstaunt um. Sie war noch nie hier gewesen. Ein großgewachsener Mann kam auf sie zu. Er hatte ein gütiges Gesicht und ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Die Haare an seiner Schläfe waren schon angegraut und er hatte bereits ein paar Falten im Gesicht. Aber er hatte immer noch eine stattliche, durchtrainierte Figur. Er trug ganz normale Straßenkleidung aber sein Armband war so außergewöhnlich, dass Marea kaum den Blick davon abwenden konnte. Sie hatte noch nie ein so kleines Armband gesehen. Der Mann schritt direkt auf sie zu und blieb dann mit einer kaum wahrnehmbaren Verbeugung vor ihr stehen.

Akari Amisa - KarlsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt