Kapitel 4.1

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Als Akari am nächsten Tag aufwachte war es schon beinahe Mittag. Draußen war ein heilloses Durcheinander und Akari ging raus, um zu sehen was denn los war. Die Neuigkeiten hatten sich offenbar schon verbreitet. Tkah kam auf sie zugelaufen. Sie wirkte leicht verunsichert. Mirwo folgte ihr.

„Ist es wahr? Wird die Allianz wirklich angreifen?"

„Naja, das haben wir gehört." Sie versuchte ihren Freunden auszuweichen, um zu Neapel zu gelangen.

Mirwo legte seinen Arm um Tkahs Schultern.

„Mach dir keine Sorgen Tkah. Hier bist du sicher."

Tkah nahm seinen Arm und ließ ihn fallen.

„Lass das Mirwo!"

Nito kam auf sie zu und legte Akari die Hand auf die Schulter. Er sprach leise.

„Wir werden heute noch abreisen um uns mit den anderen Stämmen am Kaiserstuhl zu treffen. Du kommst mit."

„Ich darf mit zu einem Stammestreffen?"

Akaris Augen funkelten. Die Müdigkeit war wie weggeblasen. Seit Jahren wartete sie darauf, endlich mit zu einem Treffen zu dürfen. Nito war nicht ganz so erfreut seine Tochter mitzunehmen. Aber er brauchte sie als Zeugin, denn nur sie hatte das Gespräch im Tunnel gehört und konnte es vor dem Rat wiedergeben.

„Wir reisen ab, sobald alle fertig sind."

Er ging wieder, um Vorbereitungen zu treffen. Akari wusste, dass die kommende Reise sehr viel länger dauern würde als die letzte. Sie sah zu Tkah. Seit sie denken konnte, hatten sie sich jeden Tag gesehen und miteinander gesprochen. Sie hatte ihre Freundin schon die letzten drei Tage vermisst, aber wie sehr würde ihr die Freundin fehlen, wenn sie jetzt schon wieder abreisen würde. Tkah fühlte offenbar das gleiche, denn sie fielen sich gleichzeitig in die Arme.

„Ich werde dich vermissen", flüsterte Akari ihr ins Ohr.

Als sie voneinander abließen und ein paar Schritte auseinander gingen, konnte Akari erkennen, dass Tkah mit den Tränen kämpfte.

„Ich komme wieder. Ich verspreche es. Mach dir keine Sorgen."

Dann ging sie schnell zurück in die Hütte, um ihre Sachen erneut zu packen. Diesmal nahm sie ein paar mehr Klamotten mit, da sie nicht wusste, wie lange die Reise dauern würde. Dann fiel ihr ein, dass sie sich unbedingt noch von ihrer Mutter verabschieden musste. Also warf sie sich ihre Tasche über die Schulter und rannte zu Anamarias Hütte. Die stand schon vor dem Haus. Sie hielt Aquila im Arm und beobachtete, wie die kleine Christina sich von ihrem Vater Quieto verabschiedete. Akari hatte nicht daran gedacht, wie viele Leute Nito wohl mitnehmen würde. Aber Quieto war einer von Nitos engsten Vertrauten, natürlich würde er mit dabei sein. Akari stoppte in ihrem Lauf und ließ Quieto den Moment mit seiner Familie. Er umarmte seine Frau herzlich und küsste sie innig. Dann gab er seinem Sohn einen Kuss auf die Stirn und nahm seine Tasche. Jetzt wurde Akari von ihrer Mutter entdeckt. Die Sorge um Josy war deutlich in ihrem Gesicht zu erkennen. Akari verstand die Ernsthaftigkeit der Situation als Anamaria keine ihrer üblichen Floskeln brachte. Sie setzte ihren Sohn ab, nahm ihre älteste Tochter fest in den Arm und strich ihr über den Kopf. Als sie von ihr abließ, musste sie mit aller Mühe die Tränen zurückhalten. Sie drückte Akaris Hand und winkte ihrem Mann und ihrer Tochter dann hinterher, als sie sich umdrehten, um zu den Pferden zu gehen. Akari schluckte schwer und machte große Schritte, damit niemandem auffiel, dass sie am liebsten wieder zurück zu ihrer Mutter rennen wollte. Aber kurz bevor sie außer Sichtweite war, blieb sie stehen und drehte sich doch noch einmal um. Anamaria lächelte brav, aber Akari konnte die Angst in ihrem Gesicht lesen. Sie lächelte unsicher zurück und winkte noch einmal kurz, bevor sie wieder auf den Weg machte.

Akari zählte vier Leute, abgesehen von Nito, Owasa und ihr. Auch Mirwos Mutter Hawteha war dabei. Die Kriegerin trug den Namen nicht umsonst. Sie war über 1,80m groß, muskulös, hatte eine Narbe an ihrem Kiefer und war aus Akaris Sicht ziemlich furchteinflößend.

Akari befestigte ihre Tasche an ihrem einfachen Sattel. Sie strich Neapel über die Nase und streichelte seinen Hals.

„Okay Junge, das wird eine längere Reise. Aber wir werden das schon schaffen. Du und ich."

Sie schwang sich auf ihr Pferd und ging in Gedanken nochmal durch, ob sie an alles gedacht hatte. Owasa kam zu ihr und reichte ihr einen Wasserbeutel.

„Teile deine Kräfte gut ein, wir werden erst morgen da sein."

Akari hängte den Wasserbeutel an ihren Sattel und folgte den anderen. Owasa und Quieto ritten hinter ihr. Dieses Mal verließen sie den Ort in die andere Richtung, weshalb sie erst einmal durch das Dorf mussten. Am Ende des Dorfes warteten fast alle Bewohner. Akari suchte in der Menge nach ihrer Mutter, aber sie konnte sie nirgendwo sehen. Anamaria zeigte nur ungern Gefühle außerhalb ihrer Familie, weshalb es Akari nicht überraschte, dass ihre Mutter bei dieser Verabschiedung nicht dabei sein wollte. Die Kinder des Dorfes rannten der Gruppe noch eine Weile lachend hinterher, bis sie die Lust verloren und wieder umdrehten.

Die Reiter folgten einer alten Straße Richtung Südwesten und dann ging es durch den Wald hinab ins Tal. Als sie in der Rheinebene angekommen waren musste Akari ihre Jacke ausziehen. Wie so oft im Rheintal war es scheinbar über Nacht warm geworden und die Sonne brannte auf die Gruppe hinunter. Hawteha, die die Gruppe anführte, versuchte schattigere Wege zu finden. Nach einer Weile wurde es aber kühler und als am Abend die Sonne unterging wurde es schnell wieder kalt. Zwischen zwei Orten, am Rande eines kleinen Waldstücks, machten sie schließlich Rast. Ihre zwei geschwätzigen Begleiter suchten Feuerholz, während sich der Rest der Gruppe um die Pferde kümmerte und die mitgebrachten Lebensmittel verteilten. Als das Feuer endlich brannte, kuschelte sich Akari an ihren großen Bruder. Sie war erschöpft und bekam vor Müdigkeit kaum etwas zu essen runter. Owasa legte sie schließlich auf ihre Matte und deckte sie zu. Das leise Gemurmel am Lagerfeuer hörte sie kaum noch.

Akari wurde von dem lauten Zwitschern eines großen Vogels geweckt. Es war noch sehr früh. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber der Himmel wurde schon langsam hell. Ein leichter Nebel lag über der Ebene, der Akari noch mehr frieren ließ. Sie stand widerwillig auf, um einen Busch aufzusuchen. Nachdem sie sich erleichtert hatte, kam sie zurück zum Lager und musste feststellen, dass bis auf Owasa auch alle anderen schon auf waren. Das Feuer war nur noch ein Haufen Glut, aber wenn sie direkt davor stand wurde ihr doch etwas wärmer. Akari spürte, dass die Krieger langsam unruhig wurden, deshalb rüttelte sie ihren Bruder, der sich grummelnd erhob und ohne ein weiteres Wort davon stapfte. Sie nahm ihren Wasserbeutel und trank ein paar Schlucke. Dann packte sie ihre Sachen zusammen und verstaute sie wieder auf ihrem Pferd. Neapel stupste sie an und wollte wissen, ob sie irgendwelche Leckerlis für ihn hatte.

„Tut mir leid, Junge. Ich habe nichts für dich. Du musst dich wohl mit Gras begnügen."

Als hätte er sie verstanden, senkte er wieder seinen Kopf und fraß weiter. Akari ging zurück zur Feuerstelle, wo die Taschen mit Proviant lagen und nahm sich ein Stück Trockenfleisch. Quieto löschte die Glut vollkommen und als Owasa endlich fertig war, stiegen sie alle auf ihre Pferde und machten sich wieder auf den Weg.

Zuerst ritten sie langsam, denn die Pferde waren noch müde und der leichte Wind, der wehte, war kalt. Aber als die Sonne aufging, verschwand der Nebel und es wurde deutlich, dass der Tag ziemlich warm werden würde. Die Vögel sangen laut und Akari spürte, wie Neapel unruhig wurde weil er schneller laufen wollte. Sie holte auf, so dass sie neben Nito ritt und fragte, ob sie galoppieren durfte. Nito gab Hawteha ein Zeichen, die ihr Pferd daraufhin antrieb. Sofort liefen auch die anderen los und so galoppierten sie eine Weile über die Feldwege, bis die Pferde sich genug ausgepowert hatten und wieder langsamer wurden. Akari strahlte. Der frische Wind im Gesicht tat ihr gut und sie liebte die Geschwindigkeit, die Neapel draufhatte.

Akari Amisa - KarlsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt