Kapitel 5.1

10 1 0
                                    

Am nächsten Morgen krabbelte Akari steif aus dem Zelt und suchte die Toilette hinter dem Geräteschuppen auf. Sie wusch sich das Gesicht an dem Steinbecken neben der Hütte und sah sich um. Owasa, Hawteha und Nito saßen bereits im Pavillon und aßen. Nyala kam eben mit einer neuen Kanne Tee aus dem Haus und lief auch zum Pavillon. Akari folgte ihr. Dabei sah sie zur Koppel und stellte fest, dass an diesem Morgen mehr als doppelt so viele Pferde auf der Koppel standen als am Abend zuvor. Also war der Vogesen-Stamm wohl doch noch gekommen. Damit konnte sie auch die Geräusche aus der Nacht einordnen. Akari betrat den Pavillon und begrüßte die anderen und setzte sich. Owasa befahl Akari viel zu essen, weil sie erst am Abend wiederkommen würden.

Nach dem Frühstück schwangen sie sich auf ihre Pferde und ritten hinunter zum Rhein. Sie durchquerten ein kleines Stückchen Wald und konnten dann schon den Hang hinunter auf den Rhein sehen. Sie brauchten circa eine Stunde, dann standen sie am Ufer. Der breite Fluss, der früher die Grenze zwischen zwei Ländern markierte, führte im April sehr viel Wasser. Sie kamen an ein Stauwehr, dass zu einer Insel führte, die den Rhein für eine kurze Strecke entzweite. Das Wehr wurde aber schon seit Jahrzehnten nicht mehr gewartet, weshalb davor gewarnt wurde, es zu betreten.

Owasa stieg von seinem Pferd und ging auf das Bauwerk zu. Akari sah die Warnschilder, die überall aufgestellt waren und betrachtete ihren Bruder misstrauisch.

„Ist das nicht gefährlich?"

„Komm schon, ich habe das schon oft gemacht."

Akari stieg ab und folgte ihm sehr vorsichtig. Sie zog Neapel in großem Abstand hinter sich her. Das Pferd schien auch unsicher zu sein, ob das Wehr sein Gewicht aushielt, denn er setzte seine Hufe sehr vorsichtig vor einander. Sie kamen sicher auf der anderen Seite an, stiegen wieder auf die Pferde und ritten noch ein Stück nördlich, dem Fluss folgend. Irgendwann bog Owasa vom Ufer ab und führte sie durch den Wald in die Mitte der Insel. Dort fanden sie einen Teich vor. Sie stiegen wieder ab und banden die Pferde fest. Owasa suchte nach einem bestimmten Baum und suchte dann an dessen Fußende nach etwas. Schließlich zog er zwei Angeln aus einem Busch hervor und warf Akari eine zu.

„Hier hat es Fische im Teich."

Akari, die in ihrem Leben noch nie geangelt hatte, wusste nicht recht, was sie tun sollte. Aber sie tat es ihrem Bruder nach und hielt ihre Angel ins Wasser. Dann schloss sie ihre Augen, um nach Veränderungen im Wasser zu horchen.

Sie fingen tatsächlich zwei Fische. Den ersten fing Owasa, der zweite hing an Akaris Angel, aber die brauchte Owasas Hilfe, um ihn einzuholen. Owasa zeigte ihr, wie man die Fische ausnahm. Akari fand das ziemlich eklig. Sie hatte zwar schon oft Tiere erlegt, aber Fische waren so glitschig, was ihr gar nicht gefiel. Sie machten ein kleines Feuer und hingen die Fische darüber zum Räuchern. Akari holte ihr Messer und das Stück Holz hervor und fing an daran herum zu schnitzen. Owasa holte seine kleine Musikbox aus der Tasche und machte Musik an. Akari schüttelte dem Kopf. Sie konnte nicht glauben, dass ihr Bruder tatsächlich seine wertvolle Musikbox mit auf die Reise genommen hatte.

„Wie willst du die den aufladen?" Im Dorf hatten sie ein paar Sonnenkollektoren, die Strom lieferten, für jeden der Strom brauchte.

„Ich werde sie schon nicht leer machen."

Sie lagen noch eine Weile herum, beobachteten den Himmel und lauschten den Geräuschen, die der Wald, der Teich und der Fluss machten. Akari genoss die Momente mit Owasa allein. Dann wurde er wieder der sorglose Junge, dem der Schelm ins Gesicht geschrieben stand. Sie liebte es, wenn ihr Bruder lachte, oder ihr eines dieser verschmitzten Lächeln zuwarf, weil er wieder eine verrückte Idee hatte. Owasa war einfach zu begeistern und schnell aufzuheitern, aber je älter er wurde, desto nachdenklicher wurde er. Nach ein paar Stunden am Teich standen sie auf, nahmen ihre toten, leicht geräucherten Fische und ritten wieder zurück. Als sie das Wehr überquert hatten, nahmen sie eine andere Route zurück zum Lager, um noch mehr von der Landschaft zu sehen. Akari drehte sich ein paar Mal um, um den Fluss noch einmal zu sehen. Bevor sie auf der Hügelkuppe wieder in den Wald ritten blieb sie stehen und drehte sich noch ein letztes Mal um.

Akari Amisa - KarlsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt