Kapitel 3.1

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Nachdem Akari und auch Nito gefrühstückt hatten, verließen sie Corins Wohnung und nahmen das Reh aus der Kühlkammer im Keller, wo Nito und Owasa es am späten Abend noch verstaut hatten, als Akari schon im Bett war. Sie luden das Reh und andere mitgebrachte Waren auf das Packpferd und machten sich auf den Weg in die Innenstadt.

Jeden Morgen war in Karls Markt, wo alles gehandelt wurde, was es zu verkaufen gab. Es gab jede Menge verschiedene Bereiche. Der Marktplatz war längst nicht ausreichend für die Menge an Menschen die sich hier tummelten. Deshalb war der morgendliche Markt im Laufe der Jahre auf den Schlossplatz ausgeweitet worden. Um zu verkaufen oder zu kaufen musste man eine Weile suchen wenn man sich nicht auskannte, bis man den richtigen Bereich des Marktes fand. Nito und Owasa kamen immerhin oft genug auf den Markt, dass sie genau wussten, wo sie suchen mussten. Sie liefen an einem Stand vorbei, der Messer und andere Waffen verkaufte. Eine Gruppe junger Leute stand davor und unterhielten sich lautstark. Nito nickte Owasa zu und dieser nahm Akari schließlich an der Hand.

„Was soll das? Ich bin doch kein kleines Kind mehr."

„Junge Mädchen gehen hier schnell verloren. Du bewegst dich keinen Schritt von meiner Seite, hast du verstanden?"

Die Dringlichkeit in Owasas Stimme ließ Akari beinahe erschaudern. Aber ein paar Meter weiter verstand sie warum. Eine Reihe junger Männer und Frauen boten ihre Gesellschaft an und die Klamotten der jungen Leute machten deutlich, um welche Art der Gesellschaft es ihnen ging. An einer Hauswand standen kleine blickdichte Boxen aus denen Akari Menschen stöhnen hörte. Sie fragte sich noch, was dahinter lief, als ein Mann versehentlich eine der Boxen öffnete und Akari den Bruchteil einer Sekunde den Blick auf einen Mann warf, der sich mit einer Frau vergnügte. Akari war so abseits der restlichen Welt aufgewachsen, dass sie nun ziemlich geschockt war, bei dem Anblick der sich ihr bot. Aber dann fiel ihr wieder ein, dass Owasa sie gewarnt hatte und dass sie beweisen wollte, dass sie alt genug war, um mit zu kommen. Also riss sie sich zusammen und ließ sich nichts anmerken. Etwas weiter bot ein Mann mittleren Alters Nito mit lüsternem Blick Geld für Akari an. Nito musste offenbar an sich halten, um den Männern keine rein zu schlagen. Auch Owasa verkrampfte sich neben Akari. Etwas später trafen sie auf eine große Gruppe Menschen, die nach einem Job suchten. Auf ihren Digitaljacken leuchteten die Berufe, in denen sie arbeiten wollten. Sie hatten Holobänder am Arm, auf denen ihre Lebensläufe und Referenzen gespeichert waren und die sie jedem interessierten Arbeitgeber vorzeigen konnten.

„Die besten sind um diese Tageszeit schon weg. Wer jetzt noch nach einem Arbeiter sucht, muss sehr verzweifelt sein", erklärte Owasa.

„Suchen die jeden Tag einen neuen Job?"

„Manche schon, andere bekommen dauerhafte Jobs oder nur für eine Weile. Es gibt keine Regeln für den Arbeitsmarkt."

Schließlich erreichten sie den Lebensmittelmarkt. Vieles von dem Obst und Gemüse war Akari vertraut, anderes hatte sie vielleicht mal gesehen oder vielleicht schon mal gegessen und wieder anderes hatte sie noch nie zu Gesicht bekommen. An einem Fleischstand fing Nito an, mit dem Händler zu verhandeln. Akari schenkte dem Gespräch nicht viel Aufmerksamkeit. Sie schaute sich genau um und versuchte alles in ihr Gedächtnis zu speichern. Es gab so viel zu sehen, so viel zu riechen und zu hören. Die meisten Menschen um sie herum sprachen Allianz, aber sie hörte noch zwei weitere Sprachen, die immer wieder auftauchten. Mit ihrem guten Gehör, waren all die Eindrücke sehr überwältigend und Owasa sprach sie dreimal an, bis sie reagierte. Er kniete sich zu ihr nieder und sah ihr in die Augen.

„Alles in Ordnung Akari?"

Sie nickte wenig überzeugt von ihrer eigenen Antwort. Owasa drehte sich um und deutete auf seine Schultern. Akari hörte in dem Lärm nicht was er sagte, aber sie verstand was er meinte. Sie kletterte auf seine Schultern und Owasa stand wieder auf und hielt sie an den Beinen fest. Von oben waren die Eindrücke anders und Akari konnte sich mehr darauf konzentrieren, die vielen Geräusche in ihrem Kopf zu sortieren. Aber es war klar, dass sie für so große Menschenmassen nicht geschaffen, noch genug ausgebildet war. Akari hatte schon immer die Einsamkeit des Waldes geliebt, weil die Geräusche vertraut und wenig waren. Aber Menschen waren laut, vor allem größere Ansammlungen. Dies wurde ihr nun sehr deutlich bewusst. Sie war sich nicht mehr so sicher, ob sie die Stadt mochte. Nachdem sie so lange darauf hin gefiebert hatte, her zu kommen, erschreckte sie nun die Realität. Von Owasas Erzählungen her hatte sie sich die Stadt schöner vorgestellt. Und vor allem mit viel weniger Menschen. Akari hatte in ihrem Leben vermutlich nicht mehr als 100 Menschen getroffen. Das hier war einfach überwältigend. So blieb sie ruhig auf Owasa sitzen und versuchte den Lärm und die Menschenmassen so gut es ging auszuschalten.

Akari Amisa - KarlsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt