Teil 6

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Can pov.

So antriebslos hatte er sich schon lange nichtmehr gefühlt. Zwar ging er noch zur Uni, aber nur physisch. Das Fußballtraining hatte er die letzten Male auch geschwänzt. Tins Worte wollten ihm einfach nichtmehr aus dem Kopf gehen. So konnte es doch nicht weitergehen! So zu tun als würden sie sich nicht kennen zerriss ihm jedes mal das Herz, wenn er auch nur daran dachte. War er sonst die personifizierte gute Laune, glich sein Gemütszustand jetzt eher dem eines chronisch Depressiven. Besonders schlimm war es, wenn er Tin durch die Uni laufen sah und dieser ihn nicht eines Blickes würdigte. Was würde er nur dafür geben, wenn sie einfach wieder zusammen Essen gehen könnten oder einfach nur Zeit miteinander verbringen...

Er saß in der Cafeteria und stocherte lustlos in seinem Essen herum als jemand ihm gegenüber Platz nahm. "Can, was hat Tin gesagt? Er geht zwar wieder zur Uni aber ihr tut ja gerade so als würdet ihr euch nicht kennen."
Can seufzte, schob seinen Teller von sich weg und sah zu Ae rüber.
"Aeee~" begann er jammernd. "Ai Tin ist so ein Idiot! Ich musste mich erst an seinem blöden Bruder vorbeiquälen nur damit er mir dann sagt, dass wir so tun sollen als würden wir uns nicht kennen!?" Ae sah Can überrascht, ja fast entrüstet an und schnaubte verächtlich. "Ich wusste das von dem nichts gutes kommen konnte." Meinte er daraufhin nur, doch auf Cans niedergeschlagenen Blick hin fügte er schnell noch hinzu: "Aber vielleicht hat er ja einen guten Grund dafür? Hast du mal darüber nachgedacht?"
"Ach was weiß ich... Vielleicht hasst er mich jetzt einfach." Can legte seinen Kopf auf den Tisch, worauf Ae anfing ihm aufmunternd über den Rücken zu streichen.

In diesem Moment wusste Can wirklich nichtmehr wie es weitergehen sollte. Aes Idee war zwar nicht schlecht, doch leider kam sie etwas zu spät. Er hatte die ganze Zeit an nichts anderes gedacht, aber ihm war einfach keine gute Lösung eingefallen. Zwar könnte er noch einmal versuchen mit Tin zu reden... Aber wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder die gleiche Antwort bekommen würde... Oder vielleicht schlimmeres, wer weiß. Das könnte er einfach nicht verkraften. Sein momentaner Plan würde wohl erst einmal daraus bestehen, Tin aus dem Weg zu gehen und zu versuchen, so etwas Abstand zu dem ganzen Problem zu bekommen. Vielleicht würde ihm dann etwas gutes einfallen. Er setzte sich wieder gerade auf, wodurch Ae leicht zusammenzuckte und ihn aufmunternd anlächelte. Wahrscheinlich hatte er eine ganze Weile so dagesessen. "Geht's dir besser? Du siehst aus als hättest du einen Plan." Can nickte leicht. "Habe ich, glaube ich, auch. Und der erste Teil besteht darin, erstmal den Kopf frei zu bekommen." Erklärte er seinem Freund "Also werde ich eine Weile durch die Uni laufen, mal sehen was dabei rauskommt. Danke für deine Hilfe, Ae!" Er war schon fast um die nächste Ecke verschwunden als er sich noch einmal umdrehte und ihm ein schnelles Winken schenkte. Das er bei seinem neugewonnenen Eifer sein Tablett nicht weggeräumt hatte, bemerkte er nicht. Ae konnte sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen und brachte das Tablett an Cans Stelle weg. Die Hauptsache für ihn war, dass es seinem Freund so schnell wie möglich besser ging.

Die frische Luft tat ihm gut. Nach langer Zeit war sein Kopf mal nicht mit negativen Gedanken gefüllt, sondern angenehm leer. Auf dem Unigelände waren um diese Zeit auch nichtmehr allzu viele Menschen unterwegs, da die meisten schon auf den Beginn der nächsten Vorlesung warteten. Eine Weile lief er nur langsam umher, lauschte dem Rauschen des Windes und entfernten Stimmen, Schritten und hier und da auch einigen Vögeln. Vielleicht würde er später sogar wieder zum Fußballtraining gehen.

Tief in Gedanken versunken merkte er nicht, wie sich ihm eine Gestalt nährte. Langsam, bedächtig, als würde sie sich ihrer Beute nähern. Erst als eine Hand auf seine Schulter gelegt wurde, fuhr er ruckartig herum und... Wurde kreidebleich. Ein leiser Ton der Überraschung und Ungläubigket verließ seine Lippen als er erkannte, wer dort vor ihm stand.
Fetzen seiner Vergangenheit erschienen vor seinem inneren Auge. Wieso war sie wieder da? Wie konnte sie zurückkommen? Und warum ausgerechnet jetzt!? Tausend Gedanken fluteten seinen Kopf, während er nicht in der Lage war sich zu bewegen, wegzurennen und schleunigst in Sicherheit zu bringen. Nur ein Gedanke setzte sich in ihm fest, sofort war er wieder da: Ihr Name. Hatte er ihn doch jahrelang verdrängt war er jetzt so aktuell wie nie.

"...Araya!?"

Please love me | TinCan Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt