Kapitel 9: Dunkelheit

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Cara hatte sich auf das einzige Bett in dieser verdammten Wohnung gelegt und sich so klein gemacht, wie es ihr nur möglich war. Sie wollte raus hier, wollte endlich ein eigenes Leben führen. Wollte endlich irgendwie glücklich werden.

Sie hatte sich schon sehr lange nicht mehr mit dieser Frage auseinandergesetzt doch dieses Arschloch hatte es ihr wieder in Erinnerung gerufen: Warum hatten ihre Eltern sie nur ausgesetzt? Zurückgelassen? Verlassen?

War ihnen denn nicht klar gewesen, welches Leben Cara deswegen führen würde? Hatten sie vielleicht erwartet, dass Cara eine liebenswerte Familie finden und ein glückliches Leben haben würde? Was war ihnen zugestoßen das sie veranlasst hatte, sie in eine Babyklappe zu stecken?

Doch in ihrem Inneren wusste Cara, was der Grund gewesen war. Sie waren nicht fähig gewesen sie zu lieben. Kein Mensch wäre dazu fähig, denn Cara hatte nichts Liebenswertes an sich. Sie war gebrochen, vermutlich von dem Moment an als sie das Licht der Welt erblickt hatte.

Sie zog ihre Beine noch enger an sich und legte ihre Arme um ihren Oberkörper. Sie fror, sie fror immer und überall doch in den letzten Tagen war es immer schlimmer geworden. Sie war bei den Westons vielleicht nicht glücklich gewesen doch sie hatte immerhin ein zuhause gehabt. Jetzt befand sich in einem kleinen Loch mit zwei Typen, die sie nicht kannte und von denen sie nur einen ein wenig leiden konnte. Der zweite war unausstehlich und sie empfand jede Sekunde mehr mehr Hass für ihn.

Es klopfte an der Tür und sie versteifte sich. Sie presste ihre Augen fest zusammen und versuchte all die Sorgen und Ängste zu vertreiben, versuchte sich für das zu wappnen, was auf sie zukommen würde. Für das, was vor der Tür stand und ihr jetzt zurief.

„Cara ich komme jetzt rein!", hörte sie Dorians Stimme, die vor Hass ihr gegenüber nur so triefte. Gut, dann beruhte zumindest dies auf Gegenseitigkeit.

Sie antwortete nicht, da es sowieso egal sein würde was sie sagte. Dorian war es ganz offensichtlich gewöhnt, das zu tun, was er wollte. Nichts und niemand konnten ihm Befehle erteilen. Wenn er nicht daran glaubte, würde er niemals dahinter stehen.

Als sie hörte wie sich die Schiebetür bewegte zuckte sie zusammen und gleichzeitig beschleunigte sich ihr Herzschlag. Es war nicht nur, dass Dorian sich ihr gegenüber so unmöglich verhielt. Sie hielt es einfach nicht aus in seiner Nähe zu sein denn die Ähnlichkeit, die er mit Dominik hatte war derart verblüffend, dass sie sich oft dabei ertappte für einen Sekunde zu glauben, dass sie ihm gegenüber stand und nicht Dorian.

„Lass mich in Ruhe Dorian! Ich habe dir nichts zu sagen!", Cara versuchte sich bewusst gleichgültig anzuhören doch sie ahnte schon, dass Dorian ihrer Stimme heraushörte, dass es eigentlich nicht so war.

„Ich glaube das stimmt nicht und ich glaube, das weißt du auch!", sie spürte wie sich die Matratze ein wenig bewegte, als sich Dorian an dessen Ende setzte.

„Ich habe keine Ahnung wovon du da sprichst...", wenn sie ihm nur endlich irgendwas sagen könnte, damit sie sie endlich gehen ließen.

„Komm schon Cara, Max ist weg. Du kannst dein Unschuldslammgetue jetzt getrost in die Ecke schleudern und mir dein wahres Ich zeigen. Du und ich wissen, dass du mehr verbirgst als du bisher zugegeben hast, oder?", Cara hatte sich bisher nicht bewegt, lag noch genauso da wie Sekunden zuvor und verspannte sich jetzt noch ein wenig mehr. Dorian hatte sie durchschaut. Hatte entdeckt was sie wirklich war. Ein Monster, dass man so schnell wie nur möglich loswerden musste. Sie hatte schon immer diese Wut in sich gespürt, dieses Gefühl irgendwas verletzen zu müssen und da sie es nicht getan hatte, hatte sie sich selber verletzen müssen. Doch wieso sollte Dorian diese Information wichtig sein?

Second Faces (1) - Dunkelheit und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt