Kapitel 35: Farben

248 44 1
                                    



Cara merkte, wie ihr Tränen die Wangen hinab liefen als sie Dorians Worten lauschte. Sie hörte den Schmerz in seiner Stimme, spürte den Schmerz den Max ertragen haben musste.

„Wir haben Tamara mit in die Zentrale genommen wo sie eine anständige Bestattung bekam. Das Leben nach diesem Tag war nicht mehr dasselbe.", seine Worte kamen nicht mehr flüssig heraus und Cara sah ihm an, wie schwer es ihm fiel darüber zu sprechen. Dennoch fragte sie sich, weshalb er ihr diese Geschichte von Tamara überhaupt erzählte. Sein Blick fixierte Cara.

„Mein ganzes Leben schon war ich das Problemkind Cara. Wir sind uns so ähnlich. Uns treiben dieselben Dinge an. Und auch ich bin jemand, der Unglück bringt. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich Max und Tamara in Schwierigkeiten gebracht habe und dennoch sind sie an meiner Seite geblieben. Wenn ich eine Sache von Tamara gelernt habe dann ist es Zugehörigkeit und Mitgefühl. Man mag es mir nicht immer ansehen, aber ich bemühe mich. Du bringst also kein Unglück Cara, ich hatte schon immer selber ein Talent mich in Schwierigkeiten zu bringen. Jetzt sind wir zu zweit und müssen das wohl gemeinsam ausbaden.", seine Worte trafen sie mitten ins Herz. Sie waren zu zweit? Sie war noch nie wirklich mit jemandem verbunden gewesen, doch bei Dorian hatte sie das Gefühl, dass sie es waren. Denn er hatte Recht. Sie hatte es selber schon viele Male erlebt. Sie waren sich ähnlich. In ihrem Inneren waren sie auf die gleiche Art verkrüppelt. Gezeichnet von dem Leben, das keiner von beiden verdient hatte.

„Dorian, das tut mir so unglaublich leid was da geschehen ist.", sagte sie, weil sie nicht wusste, was sie auf seine letzte Äußerung hätte antworten können. Dorian schüttelte den Kopf.

„So sehr es mir auch weh getan hat, Tamara zu verlieren. Max ist derjenige, der seit einem Jahr ohne seine Liebe leben muss. Ich habe meine beste Freundin verloren, er seine Seelenverwandte.", erklärte Dorian und sah wieder an die Decke. Er schluckte schwer. Cara rechnete es ihm hoch an, dass er sich ihr anvertraut hatte um ihr ihre Unsicherheiten zu nehmen. Doch das löschte dennoch nicht das Gefühl in ihr aus, immer nur Schaden anzurichten bei den Menschen, die ihr wichtig waren.

„Habt ihr diesen Marcelle rangekriegt?", fragte sie nach einigen Sekunden. Dorian sah sie nicht an.

„So läuft das nicht. Bei den Krades heißt es nicht Auge um Auge. Am Ende sind wir doch alle nur Schachfiguren in einem Spiel, das uns uns gegenseitig bekämpfen lässt. Marcelle trifft keine Schuld.", sagte Dorian und überraschte damit Cara zutiefst. Er machte Marcelle keine Vorwürfe deswegen?

„Dieser Hass zwischen den Krades und den Ghilts ist so unüberbrückbar, verstehst du? Wir können einfach nicht anders als uns bis zum Tod zu bekämpfen. Auch wenn es unsere eigenen Brüder und Schwestern sind, die wir dabei sterben sehen. Und alleine das Wissen, dass es früher oder später dazu kommen wird, raubt einem beinahe die Luft zum Atmen.", erklärte Dorian, er wirkte wieder müde.

„Beschäftigt es euch danach? Ich meine, wenn ihr einen Ghilt getötet habt, plagen euch dann Schuldgefühle?", fragte Cara, weil sie sich das Ganze gar nicht wirklich vorstellen konnte.

„Ja...", mehr brauchte Dorian nicht dazu zu sagen, denn Cara wusste, dass alleine das darüber nachdenken schon ausreichte. Cara erhob sich und aus irgendeinem Impuls heraus, legte sie sich wieder neben Dorian auf das Bett. Erneut streckte er seinen Arm aus und sie legte ihren Kopf darauf. Dorian legte seinen Kopf auf ihren und genau so, fanden beide nach einiger Zeit, erneut in den Schlaf. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Wenn diese ganze Sache, die heute geschehen war etwas Gutes hatte dann war es, dass Dorian und Cara sich durch ihre Gemeinsamkeiten, die sie doch beide eigentlich loswerden wollten, näher kamen.

Second Faces (1) - Dunkelheit und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt