Kapitel 10

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Dieser Samstagmorgen war stressiger, als die Samstagmorgen davor. Nachdem mein Vater gestern einen Besuch angekündigt hatte, um nach dem Rechten zu sehen, waren meine Mutter und ich im Stress. Laut ihr mussten wir ihm zeigen, wie toll es doch ist und dafür muss die Wohnung blitzblank sein. Also liefen wir herum und räumten auf. Meiner Meinung nach war es egal, wie die Wohnung aussah, aber ich hielt mir die Bemerkung zurück. Zu Mittag kam mein Vater dann auch an. „Padddy. Groß bist du geworden." Ich verdrehte nur die Augen. „Papa, wir haben uns drei Wochen nicht gesehen." Er lachte nur und meine Mutter zeigte ihm kurz die Wohnung. Ich konnte mich glücklich schätzen, dass meine Eltern, trotz ihrer Scheidung, ein so gutes Verhältnis hatten. Sie wirkten auf mich wie enge Freunde und nicht wie ein geschiedenes Paar. Wir aßen zu Mittag und gingen danach etwas spazieren. Meine Eltern plauderten fröhlich über alles Mögliche. Derweil blieb ich im Hintergrund und verhielt mich eher still, mir war nicht wirklich nach reden, etwas sehr Ungewöhnliches für mich. Mein Vater schien zu merken, dass ich nicht wie sonst, ihm alles erzählte, was passierte. „Paddy, was ist los?" „Nichts, nichts", murmelte ich nur und wollte weitergehen. „Patrick bleib stehen, wenn ich mit dir rede!" Genervt seufzte ich auf „Es ist nichts, ich hab nur zu viel gegessen." Wir beide wussten, dass das nicht stimmte, ich hatte fast nichts gegessen, aber er blieb still. Danach gingen wir zurück und ich merkte, wie meine Eltern begannen über meine Oma zu reden, weswegen ich noch schneller ging. Zu Hause angekommen verabschiedete ich mich sofort in mein Zimmer. Als ich die Tür hinter mir schloss, merkte ich schon, wie das Wasser in meinen Augen anstieg. Den ganzen Tag hatte ich den Schmerz unterdrückt und jetzt, wo ich alleine war, breitete er sich rasend schnell aus. Schmerzerfüllt stöhnte ich auf und ließ mich auf mein Bett fallen. Ich verfluchte mich, die Creme nicht in meinem Zimmer zu haben. Mit einer tiefen Atmung versuchte ich den Schmerz und mich unter Kontrolle zu bringen. Als ich mich etwas beruhigte hörte ich meine Eltern, wie sie lautstark stritten. So viel zu, sie sind beste Freunde. Zuerst ignorierte ich es, aber als ich meine Namen hörte, wurde ich hellhörig. Ich konnte die Stimme meines Vaters erkennen „Es geht so nicht. Du siehst ja, wie kaputt er ist." „Ach komm. Er ist in der Pubertät, da ist es ja mal normal, ruhiger zu sein. Kein Grund Patrick mitnehmen zu wollen." „Du verstehst es nicht. Er verkraftet das alles nicht. Seine Oma stirbt und er ist sozusagen dabei. Ich will, dass er wieder nach Hamburg mitkommt. Dort hat er auch seine Freunde und eine bekannte Umgebung." „Nein, du bist fast nie da. Und dann ist er alleine. Auf keinen Fall." Dann vernahm ich nur eine Tür, wie sie geschlossen wurde und ich konnte das Gesprochene nicht mehr verstehen. Ich musste das Gehörte kurz verdauen. Mein Vater hatte mitbekommen, dass es mir nicht gut ging, er wollte, dass ich wieder nach Hamburg gehe. Kurz ließ ich dem Gedanken Zeit, um sich in meinem Kopf auszubreiten. Doch dann kam ich zu dem Entschluss, dass ich in Essen bleiben musste. Ich konnte nicht einfach so meine Mutter alleine lassen, vor allem nicht, wenn sie dabei ist, ihre Mutter zu verlieren. Auch wenn ich dafür Manuel hinnehmen musste. Allein der Gedanke an ihn bereitete mir Schmerzen. Das Bild von seinem Grinsen, während Taddl auf mich einschlug, blieb in meinem Kopf hängen und wollte nicht verschwinden. Wieder einmal war mein Handy mein Retter. Diesmal rief Denno, mein bester Freund aus Hamburg an. Ich atmete tief durch, räusperte mich kurz, um ja nicht weinerlich zu klingen und nahm ab. „Ja?" „Patrick, lange nicht mehr gehört. Wie geht es so? Ist Essen eh nicht zu klein?" Ich war leicht überfordert und antwortete etwas verwirrt „Ja alles gut soweit. Bei dir, euch? Es geht hab noch nicht so viel gesehen?" „Hier ist es langweilig ohne dich. Wir brauchen dich. Ohne dich diskutiert niemand eine Stunde lang mit Frau Holler. Deutsch ist jetzt so langweilig." Ich musste schmunzeln. Frau Holler war wohl die netteste Deutschlehrerin auf diesem Planeten und man konnte sie sehr leicht vom Thema ablenken, indem man eine Diskussion, über zum Beispiel Umweltschutz begann. „Ich vermisse euch auch." „Ich hätte eine Idee. In den Herbstferien kommen Johannes, Max und ich zu dir nach Essen und machen uns eine schöne Zeit" Der Gedanke, meine Freunde wiederzusehen gefiel mir, aber eine Woche lang mit denen abzuhängen, ich war mir nicht sicher. Wenn es nur Denno wäre, würde ich sofort zusagen, aber mit Johannes und Max verstand ich mich nicht so gut, wir waren zwar Freunde, aber es gab Meinungsverschiedenheiten. Deswegen antwortete ich „Ich weiß nicht. Die Wohnung ist nicht so groß und ich denke nicht, dass meine Mutter so glücklich darüber wäre." „Ich lasse das meine Mutter regeln. Die wollte eh schon mit deiner Mutter reden. Aber für dich wäre es in Ordnung." Ich zögerte kurz „Ja sicher doch. Ich freue mich." Den letzten Teil sagte ich leicht gepresst. „Passt super, dann such einmal coole Sachen, die man in Essen machen kann. Tschüss" „Ja mach ich. Ciao." Dann war es wieder still. Ich hatte gehofft, wir würden noch länger reden und er könnte mich ablenken. Aber anscheinend wollte er nur über die Ferien reden und nicht über was anderes. Unter Schmerzen setzt ich mich auf und ging aus meinem Zimmer, leise schlich ich mich ins Bad, wo ich die Creme holte und wieder zurückging. In meinem Zimmer schmierte ich mir den Bauch ein, aber ohne auch nur hinzusehen, den Anblick wollte ich in dem Moment nicht ertragen. Hinterher faste ich einen Entschluss und begab mich ins Wohnzimmer um meine Eltern zu suchen. Der laute Streit hatte aufgehört und ich sah sie lachend am Esstisch mit zwei Weingläsern sitzen. „Hallo Patrick alles gut? Dein Vater und ich haben über dich gesprochen." Ich nickte nur und holte mir ein Glas Wasser und setze mich dazu. Der Abend war noch ganz angenehm und ich versuchte so zu sein wie früher. Den ganzen restlichen Tag setzte ich eine Maske auf, nur um meine Eltern zu überzeugen, es wäre eh alles gut. Ich wollte nicht, dass sie sich noch einmal meinetwegen stritten.

Ich versuche alle fünf Tage weiterzuschreiben. Schauen wir mal, ob ich das weiter durchziehe :)

Mein vergessenes Jahr/KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt