Kapitel 7

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Müde und erschöpft ließ ich mich am Abend ins Bett fallen. Meine Oma stellte mir natürlich hundert Fragen, ob alles gut sei, weil ich so ein Gesicht gezogen hatte. Es war schwer für mich die glückliche Maske aufzubehalten, obwohl ich einfach nur ins Bett wollte. Nun lag ich im Bett und konnte nicht einschlafen. Genervt setze ich mich auf und machte meine Nachttischlampe an, um mir meinen Bauch anzusehen. Ich strich mein T-Shirt hoch und als ich meinen Bauch betrachtete, fiel mir ein, dass ich vergessen hatte eine Creme zu kaufen. Frustriert seufzte ich auf. Nicht mal zum Denken war ich fähig. Ich legte mich wieder nieder und machte das Licht aus. Gerade wollte ich mich auf den Bauch legen, um meinen Polster zu umfassen und mich an diesem festzuhalten, als mich ein Schmerz daran erinnerte, dass da noch etwas war. Wieder seufzte ich frustriert und drehte mich wieder. Nach gefühlten fünf Stunden fand ich schließlich meinen Schlaf.

Jedoch weckte mich mein Wecker viel zu früh auf. Dienstag, erst der zweite Tag der Woche und ich wünschte mir jetzt schon das Wochenende. Trotzdem blieb mir nichts Anderes übrig und ich stand auf. Es war ein üblicher Morgen, aufstehen, anziehen, frühstücken, zum Bus gehen, im Bus stehen, in die Schule gehen, Freddie begrüßen, auf den Stuhl fallen lassen, auf die Lehrerin warten. Erste Stunde Deutsch. Wir sollten einen kreativen Text schreiben, da unsere Lehrerin nicht nur Erörterungen oder Textanalysen lesen wollte. Mal wieder seufzte ich auf. Der Kreativste war ich noch nie und ihre Angabe war nicht so hilfreich. „Schreibt über eine fehlgeschlagene Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Menschen." Freddie neben mir begann schon zu schreiben. „Freddie was schreibst du?" Er blickte auf und sah auf mein leeres Blatt, „Über ein Ehepaar, welches sagte, sie wollen sich nichts zum Jahrestag schenken, aber der Mann schenkt dann doch was der Frau, sie hat aber nichts." Ich schaute ihn verwirrt an und versuchte in seiner Erzählung die fehlgeschlagene Kommunikation zu finden. Schließlich gab ich es auf und wand mich wieder meinem leeren Blatt zu. Schlussendlich schrieb ich über einen Mann im Krankenhaus, welcher eine Wasserallergie hatte. Er war dehydrierte dorthin gekommen und als er aufwachte, wollte ihm eine Krankenschwester ein Glas Wasser geben. Der Mann versuchte ihr klarzumachen, dass er kein Wasser trinken darf, aber schließlich wurde ihm das Wasser förmlich in den Hals gesteckt. Ich ließ am Ende offen, ob er starb oder nicht.
„Ich mag kreativ sein nicht.", mit diesen Worten teilte ich in der Pause Freddie meinen Frust mit. Darauf erntete ich nur einen verwirrten Blick „Du hast die halbe Stunde durch geschrieben, als hättest du die Idee des Jahrhunderts." Ich zuckte nur mit den Schultern und beendete mit einem „Na und?", das Gespräch für mich.
Während allen weiteren Schulstunden hatte ich immer das Gefühl, als würde sich ein Blick in meinen Rücken bohren. Umdrehen um zu sehen, ob ich recht hatte, traute ich mich nicht. Was wenn wirklich Manuel oder einer der anderen mich anstarrte, was sollte ich dann tun? Also blieb ich normal sitzen und versuchte das ungute Gefühl zu verdrängen. Es kam am ganzen Tag zu keinen nennenswerten Ereignissen, was mich aber beunruhigte. Sollte es bei dem einem Mal schlagen bleiben? Wirklich vertrauen tat ich dem nicht, aber ich hatte nicht dagegen. Wer weiß vielleicht haben sie bemerkt, dass es unnötig ist.
Später beim Bus traf ich wieder Luisa und wir saßen wieder zusammen im Bus und sprachen über unterschiedlichste Themen. Ich war ihr dankbar, denn dadurch musste ich nicht meinen Gedanken nachgehen.
Glücklicher als am Tag davor öffnete ich die Eingangstür des Hauses meiner Oma. „Oma, ich bin da.", schrie ich durch die Räume, aber ich bekam keine Antwort. Leicht verwirrt begab ich mich auf die Suche nach meiner Oma. Ich verspürte Angst, sie hatte Krebs war oft allein und jetzt antwortete sie mir nicht. Dann fand ich sie. Im Wohnzimmer auf dem Sofa liegend, mit geschlossenen Augen uns hektischem Atem. „Ist alles gut?", fragte ich leicht verzweifelt. Aber ich bekam keine Antwort. Als ich sie so liegen sah, wurde mir wieder bewusst, dass meine geliebte Oma sterben würde. Mit tiefen Atemzügen versuchte ich mich ruhig zu verhalten, ich musste etwas tun. Zuerst ging ich zu ihr hin und versuchte sie zu wecken. Keine Reaktion. „Oma?", versuchte ich es nochmal, aber nichts kam zurück. Ich holte mit zitternden Händen mein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer meiner Mutter. „Ja?", ihre Stimme drang durch das Telefon. „Mama, Oma liegt da und reagiert nicht auf mich. Und sie atmet ganz hektisch. Was soll ich tun?", hektisch berichtete ich ihr von der Lage. Kurz war es leise am anderen Ende, dann hörte ich sie wieder „Ruf den Krankenwagen, ich kann hier leider nicht weg. Ruf mich aber sofort an. Es tut mir leid Schatz, aber ich muss auflegen." Dann war es still. Ich handelte daraufhin schnell und der Krankenwagen kam nach ca, 10 Minuten angefahren. Sofort wurde ich von den Sanitätern beiseitegeschoben, damit sie sich um meine Großmutter kümmern konnten. Schließlich wurde sie in den Krankenwagen geschoben und einer der Sanitäter fragte mich, ob ich Familienmitglied bin und mitkommen wolle. So kam es, dass ich eine Stunde später im Warteraum des Krankenhauses saß und auf Ergebnisse wartete. Zum Glück konnte meine Mutter doch früher gehen und ich war nicht mehr allein. Dann kam der Arzt, mit ernster Miene. „Wir haben leider keine guten Neuigkeiten" und meine Welt brach zusammen. „Der Krebs verschlimmert sich rasend schnell und wir müssten so schnell es geht operieren." Ich hörte die verzweifelte Stimme meiner Mutter, wie sie fragte „Und warum tun Sie dann nichts." Darauf der traurige Blick des Arztes „Es tut mir leid, aber Frau Meyer möchte keine Behandlung." Meine Mutter begann lauter zu reden „Sie müssen aber, ihr Job ist es Leben zu retten, dann tun Sie das!" „Es tut mir leid, wir können nicht gegen den Willen der Patienten arbeiten." Ich merkte, wie dem Arzt das Gespräch unangenehm war, aber ich merkte auch eine Routine. Nach längerem hin und her durften wir zu meiner Oma, es machte mich fertig, wie ich sie dort so schwach liegen sah, mit den Schläuchen in ihrem Arm. Meiner Mutter ging es nicht besser und sie begann gleich auf meine Oma einzureden „Wie kannst du nur. Denkst du auch einmal an uns. Du kannst nicht so egoistisch handelt uns die Behandlung nicht annehmen." Zum Ende hin wurde meine Mutter immer leiser und setzte sich auf das Bett meiner Oma und hielt ihr Hand. „Ach mein Kind. Ich bin schon 75 Jahre hier, ich hab schon so viel gesehen und erlebt. Ich möchte nicht meine letzte Zeit im Krankenhaus verbringen und euch zusehen lassen wie ich immer schwächer werde." Mir begannen Tränen in die Augen zu steigen. „Das ist doch alles scheiße!", mit diesen Worten stürmte ich aus dem Zimmer.

Mein vergessenes Jahr/KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt