Kapitel 15

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Vier Wochen später sah ich mich wieder vor einem Kompetenzcheck sitzen. Diesmal hatte ich mir sogar etwas angeschaut, aber da ich nur selten im Unterricht zuhörte, verstand ich fast nichts von dem, was wir machten. Ich gab mir Mühe und konnte sogar etwas von den Beispielen lösen, am Ende war es dann aber doch nicht genug. Herr Graben rief mich wieder zu sich, nach der Stunde. „Patrick;", er seufzte tief „Was soll ich nur mit dir machen? Ich sehe, du hast dir etwas angeschaut, aber das war zu wenig." Ich biss mir auf die Lippen und blickte nur beschämt zu Boden. „Was hast du denn die letzten vier Wochen gemacht, anstatt Mathe zu lernen?" Ich kämpfte mit den Tränen und wollte meinen Lehrer anschreien und ich erzählen, was ich Tag für Tag durchmachen muss. „Sie wissen nicht, dass meine Oma im Sterben liegt und jetzt schon so gut wie tot ist. Sie nimmt tausende Schmerzmittel nur um nicht im Krankenhaus sein zu müssen. Sie wissen nicht, dass ich einmal in der Woche geschlagen, beschimpft und erniedrigt werde. Sie wissen nicht, dass ich jeden Tag gegen den Willen ankämpfe, mich selbst zu verletzten . Sie denken nur, dass ich den ganzen Tag zocken und Freunde treffen würde, Sie wissen rein gar nichts." Aber ich schrie ihn nicht an, ich zuckte nur mit der Schulter und blickte weiter zu Boden. Mein Lehrer holte tief Luft „Ich habe mich schon um eine Nachhilfe gekümmert. Ich dachte mir, dass du Hilfe brauchen wirst. Er war auch so lieb und hat angeboten, gleich heute anzufangen." Jetzt schaute ich ihn an, Nachhilfe jetzt, war das meine Rettung? Aber die Hoffnung hielt nicht lange. „Manuel ist auch so nett und ist gleich hier geblieben." Ich hatte das Gefühl, als würde sich alles zum Drehen beginnen. Manu sollte mir Nachhilfe geben, wieso? „Patrick was sagst du dazu? Ist doch ein gutes Angebot, findest du nicht. Kostenlose Nachhilfe und eine Stunde mehr ist doch nicht schlimm. Ach, macht ihr euch das doch selber aus, solange du besser wirst, ist es mir Recht. Ich muss jetzt einmal weiter. Schönes Wochenende." Dann war mein Lehrer verschwunden, ich starrte noch immer Manu an, der auf seinem Platz saß und mich angrinste. „Bist du eingefroren? Kommt doch her, wir müssen lernen, hast du dem Graben nicht zugehört?" Mein Kopf schrie, ich solle laufen, aber meine Beine gingen langsam zu Manu hin und ich ließ mich neben ihm, auf den Stuhl, fallen. „Also wo liegen die Schwierigkeiten?" Ich wusste nicht, was ich machen sollte. „Ach komm, du musst schon mit mir reden." „Überall", flüsterte ich leise. „Was?" „Überall", sagte ich etwas lauter. „Dass du so dumm bist, wusste ich nicht, aber okay, schauen wir einmal." Er fing an, mir etwas zu erklären, aber ich konnte mich nicht konzentrieren, ich hatte Angst. Ich nickte nur immer wieder und hoffte, dass die Zeit schnell vorbei sein würde. „Hörst du mir zu?" Ich nickte nur. „Was ist dann eine Binominal-Verteilung?" Ich hatte keine Ahnung. „OK, wenn du nicht lernen willst, dann nutzen wir die Zeit sinnvoller. Taddl, Ardy kommt ihr." Meine Augen weiteten sich, als die zwei Gerufenen, die Klasse betraten. „Wie heißt es so schön? Wer nicht hören will, muss fühlen." Taddl zerrte mich von dem Stuhl und es fing wieder an. Kurze Zeit hatte ich mir noch die Hoffnung gemacht, dass die Nachhilfe, der Weg in die Freiheit sein würde. Aber es war der Weg in die Hölle. Diesmal war nur eine Sache anders, Manu unterbrach Taddl nach kurzer Zeit. Ich stand noch, also war es sehr unüblich, dass Taddl schon wieder aufhörte. Die Drei verließen die Klasse und ich konnte ein unruhiges und genervtes Gebrumme von Taddl entnehmen. Manu drehte sich noch einmal um „Nächste Woche fangen wir dann wirklich an mit dem Lernen. Überlege dir, was dir am wichtigsten ist." Dann waren sie weg und ließen einen verwirrten Jungen zurück.
So ging es weiter. Freitags nach der Schule gab mir Manu Nachhilfe oder besser versuchte es. Ich strengte mich immer an, wenigstens ihm zuzuhören, aber mein Puls war zu hoch, als dass ich mich konzentrieren könnte. Deswegen gab es danach immer keine nette Begegnung mit Taddl. Ich verstand es nicht, Manu wollte mir helfen, aber dennoch tat er mir indirekt weh. Nur die schlimme Zeit wurde immer kürzer, obwohl Taddl und Ardy immer protestierten, ließ Manu sie immer früher aufhören. Ich verstand es nicht, warum tat er das? Er war mir ein Rätsel. Aber ich musste sagen, diese Seite von ihm gefiel mir besser, er wirkte auf mich viel sympathischer und mehr wie der Manu, den ich in den Ferien kennenlernen durfte. Dennoch änderte es nicht daran, dass ich Mathe noch immer nicht verstand.

Zu meinem Glück kamen auch die Weihnachtsferien immer näher. Dieses Mal wird es sicherlich eine Manu freie Zone sein, denn ich hatte mir vorgenommen, nie allein hinauszugehen. Der letzte Schultag vor den Ferien stand an, es war der 23.12, ein Mittwoch, und wir machten eine Weihnachtsfeier in der Klasse. Es gab Kekse, Getränke und wie hatten im Vorfeld gewichtelt und so bekam jeder von einer Person ein Geschenk. Ich hatte eines der Mädchen gezogen und mit Freddies Hilfe fand ich ein nettes Geschenk, sie bekam Schokolade und einen Zeichenblock, da mir Freddie verriet, dass sie liebend gerne zeichnete. Ich war froh, als sie sich über das Geschenk freute. Als ich mein Geschenk bekam, war ich erstaunt, mich hatte nämlich Freddie. Ich lachte nach langer Zeit wieder einmal, denn er schenkte mir einen Kugelschreiber mit einem Boxhandschuh. Sogleich nervte ich ihn damit.

Es war ein netter Tag gewesen und ich war erleichtert, als ich ohne Zwischenfälle nach Hause kam und noch mein Geschenk für meine Mutter und meine Oma einpackte. Am nächsten Tag würden wir zu meiner Oma fahren und dort zusammen mit meiner restlichen Familie Weihnachten feiern. Ich hoffte nur, dass es meiner Oma gut gehen würde.

Sorry, dass solange nichts kam.
Hoffe, dass das Kapitel gut war, auch wenn nichts wirklich Spannendes passierte. :)

Mein vergessenes Jahr/KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt