Kapitel 5

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Leider war es kein Traum und ich wachte am Samstag mit enormen Bauchschmerzen auf. Ein Blick auf den Wecker verriet mir, dass es 11 Uhr war, also schon sehr spät für meine Verhältnisse. Normalerweise weckte mich meine Mutter, am Wochenende, immer um spätestens 9 Uhr, wofür ich sie manchmal umbringen wollte. Denn wenn man bis zwei Uhr in der Früh wach war, wollte man nicht um neun aufstehen. Die Frage, warum ich jetzt solange schlafen durfte war aber noch immer nicht geklärt. Der Geistesblitz kam ein paar Minuten später, die Tür hatte sie aufgehalten. Nachdem ich gestern nicht mehr aufstand, um aus meinem Zimmer zu gehen, musste ich wohl vergessen haben aufzusperren. Ein kleines Lächeln zierte mein Gesicht. Durch die ganze Grübelei vergaß ich kurz mein Problem, jedoch machte es sich beim Anziehen bemerkbar. Mein Versuch, meinen Bauch nicht anzusehen, scheiterte kläglich. Die blauen, violetten Flecken stachen mir direkt ins Auge. Allein beim Hinsehen tat es weh. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch, um nicht zum Weinen zu beginnen. Es tat weh, äußerlich und innerlich. Das erste Mal in meinem Leben, dass ich gemobbt wurde. Natürlich hab ich von Mobbing in meiner alten Schule erfahren, aber nie wurde jemand, meines Wissens nach, verprügelt. Ich riss mich zusammen und zog mich vorsichtig an und ging zur Küche um mir ein Frühstück zu machen. Schließlich war meine letzte Mahlzeit schon 24 Stunden her. Mit einem nicht ganz so fröhlichen "Guten Morgen" wurde ich begrüßt. "Warum war dein Zimmer abgesperrt?" Obwohl ich wusste, dass die Frage kommen würde, war ich unvorbereitet. Soll ich lügen oder die Wahrheit sagen? Lügen! "Ich hab vergessen sie wieder aufzusperren, nachdem ich mich gestern umgezogen habe." "Seit wann sperrst du zu wenn du dich umziehst?" Ich zuckte nur mit den Schultern. Leicht schüttelte sie den Kopf und wurde wieder ernster, "Wir müssen reden!" Ich hörte kurz mit dem Essen auf und schaute sie verwirrt an. Hatte ich etwas falsch gemacht? Hat sie das von gestern erfahren? Ich würde nervös. "Die Ergebnisse, welche Oma gestern bekam, waren nicht so gut." Sie schaute zu Boden und ich merkte, wie sie zu schluchzen begann. "Sie hat Krebs. Und...und er ist weit fortgeschritten." Die Worte kamen nur abgehackt über ihre Lippen und lösten in mir viele Gedanken aus. Meine Oma wird wahrscheinlich sterben. Ein lauter Schniefer erweckte mich aus meiner Starre. Noch nie hatte ich meine Mutter weinen gesehen, immer war sie stark geblieben. Ich war überfordert mit der Situation, weswegen ich einfach aufstand und sie umarmte. "Danke", flüsterte sie. Mit den Worten "Wir schaffen das.", versuchte ich sie aufzumuntern, obwohl ich selber nicht daran glaubte. Dem Tod kann man nicht entrinnen. Immer mehr Tränen verließen ihre Augen, aber ich blieb stark. Die Zeit verstrich und wir saßen nur in der Küche und umarmten uns, bis sie sich löste und vorsichtig aufstand. Mit geröteten Augen sah sie mich an und murmelte leise "Ich gehe zur Oma." "Warte ich komme mit." "Nein, bleib bitte da. Das ist zu viel für dich" Die Worte zum Wiedersprechen lagen mir auf der Zunge, aber ich hielt sie zurück. Jetzt wollte ich nicht streiten, weswegen ich nur nickte. Meine Mutter ging und ich aß fertig. Am Weg zurück zu meinem Zimmer überkamen mich erst richtig die Gefühle. Der Schmerz durchzog mich und ich geleitete zu Boden. Die noch vorhin zurück gehaltenen Tränen liefen jetzt meine Wangen hinunter und ich fühlte mich schwach. Mir tat alles weh, angefangen von meinem Bauch, bis hin zu meinem Herzen. "Fuck", schrie ich laut durch die Wohnung. Ich schlug mit meinem Kopf gegen die Wand hinter mir und haute frustriert die Fäuste auf den Boden. Ich wusste nicht, wieso mich das so mitnahm, beim Tod meines Opas war ich auch nicht so fertig, aber zusammen mit den Ereignissen von gestern, war es zu viel. Irgendwann stand ich auch und ging in mein Zimmer, nur um mich dort in mein Bett zu schmeißen. Dort blieb ich, mal wieder, den ganzen Tag. Selbst als meine Mutter neben mir saß und mich fragte, ob ich was essen möchte, blieb ich liegen. Schließlich wurde es später und ich schlief ein.

Nach einer nicht sonderlich erholenden Nacht wachte ich am Sonntag auf. Meine Augen waren leicht verklebt und mein Bauch schmerzte wie die Hölle, außerdem hatte ich einen riesigen Hunger. Ein Blick auf meinen Wecker verriet mir, dass es 8 Uhr war und somit meine Mutter noch schlafen würde. Trotzdem stand ich auf und begab mich in die Küche um Frühstück zu richten. Alles dauerte länger als sonst, da mein Bauch schnelle Bewegungen verhinderte und ich etwas lustlos war.
Meine Mutter kam, wir frühstückten schweigend. Danach ging sie sich auf ihre Arbeit, am Montag vorbereiten und ich ging wieder in mein Zimmer. Dort saß ich, mit schmerzendem Bauch, bis mir ein Geistesblitz durch den Kopf schoss. Die Creme! Ich lief oder eher humpelte langsam zum Bad. Keine Lade war vor mir sicher. Ich suchte alles, nach der roten Creme ab. Früher wie ich noch Fußball spielte, hatte ich öfters blaue Flecken oder leichte Prellungen und damals wurde ich immer mit der roten Creme eingeschmiert. Es half gut und die Schmerzen verschwanden immer. Ungefähr 20 Mal räumte ich alle Laden und Kästen aus und ein, aber leider fand ich nichts. Die Hoffnung, welche kurz in mir aufkam, verschwand wieder. Ich hatte versagt, nicht einmal eine Creme konnte ich finden. "Ich bin ein Nichtsnutz", leise wiederholte ich diese Worte immer wieder. Ich starrte in den Spiegel, welcher im Bad hang und sah einen fertig aussehenden Jungen. Das war, aber nicht der Junge, der mir sonst immer entgegen blickte, er war nicht fröhlich. Ich zwang mich zu einem Lächeln und der neue Junge war schon viel eher wie ich. "Ich lasse mich nicht unterkriegen. Ich bin stark." Mein Lächeln wuchs immer mehr und ich merkte, wie es mir mit jeder Sekunde besser ging. Der Frust, die Trauer wurde weniger, denn ich wusste, dass ich alles schaffen konnte, wenn ich nur an mich glaubte. Mit der neuen Hoffnung verließ ich das Bad und ging zu meiner Mutter. Diesmal sprach ich die Worte "Wir schaffen das." mit solch einer Begeisterung aus, dass sie auch zum Lächeln begann. "Wir sind ein Team."

Ich freue mich gerade tierisch, weil ich gesehen habe, dass Leute auf diese Geschichte geklickt haben. Danke an alle die das hier lesen, das macht mich echt happy. :)

Mein vergessenes Jahr/KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt