Kapitel 20

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Der Schultag war danach für mich gelaufen. Nachdem ich zu der 4. Stunde eh schon zu spät gekommen wäre und danach nur Kunst gehabt hätte, beschloss ich nach Hause zu gehen. Das war das erste Mal, dass ich schwänzte, aber dennoch hatte ich kein schlechtes Gewissen. Ich fühlte mich sogar gut, als ich das Schulgelände verließ und meinen Nachhauseweg einschlug. Die ganze Zeit dachte ich daran, wie ich alles wieder in Ordnung bringen könnte. Ich musste Freddie und Luisa alles erklären und hoffen, dass sie mich wieder aufnehmen würden. Angestrengt überlegte ich, wie ich es ihnen am besten erklären konnte. Zuhören würden sie mir nicht, zumindest Freddie nicht. Eine SMS zu verschicken würde auch nicht sonderlich viel bringen, da sie sie einfach löschen würden. Leider fiel mir nichts Kreatives ein, weswegen ich beschloss einmal mein Glück allein bei Luisa zu versuchen. Denn es hatte auf mich den Eindruck gemacht, dass sie mir am Ehesten verzeihen würde. Gleich morgen würde ich versuchen, sie alleine zu treffen und mit ihr zu reden.

Gesagt getan, ich hatte mir bei der Busfahrt in der Früh ihren Stundenplan auf der Homepage der Schule angesehen und mir den perfekten Plan überlegt. Eigentlich war es sehr simpel gewesen. Ich hatte 6 Stunden Unterricht und sie 7, da Freddie mittwochs immer bei seiner Oma zu Mittag aß, konnte er nicht auf sie warten, so war sie allein. Ich fühlte mich dezent wie ein Stalker, aber es war zu meinem und vielleicht auch ihrem Besten.

Den ganzen Schultag war ich nervös und passte noch weniger im Unterricht auf, wie an normalen Tagen. Dabei wurde meine Nervosität nicht weniger, als ich merkte, wie Manu mich durchgehend anstarrte. Immer wenn ich mich leicht umdrehte, sah ich, wie er mich anschaute und leicht lächelte. Einmal merkte auch Ardy, wie Manu mich anschaute und boxte ihn gegen die Schulter und flüsterte ihm etwas entgegen, während er mit dem Finger auf mich zeigte. Danach wand Manu sich von mir ab, zumindest für die eine Stunde. Dann endlich war der Schultag zu Ende. Ich beobachte Freddie, um zu sehen, ob er wirklich gehen würde. Kurz hatte ich einen Herzinfarkt, als er zu Luisas Klasse ging, aber er kam alleine zurück und war kurze Zeit später aus der Schule draußen. Um nicht aufzufallen, setze ich mich zum Buffet und holte meine Mathe Sachen heraus und tat so, als würde ich etwas lernen. Die Stunde verging ohne Zwischenfälle, bis kurz vor dem Ende der 7. Stunde Herr Graben vor mir stand. „Wie ich sehe, lernst du fleißig Mathematik." Ich zwang mir ein Lächeln auf und nickte höflich. „Hilft dir die Nachhilfe von Manuel? Verstehst du schon mehr?" Wieder nickte ich und meinte „Ja, er kann gut erklären." Gelogen war es nicht, nur hatte ich bis jetzt nicht soviel bei seinen Erklärungen aufgepasst, da immer die Angst meine Konzentration störte. Bei einem Blick zur Uhr merkte ich, dass es in einer Minute läuten würde, weswegen ich begann meine Sachen einzupacken. Herr Graben stand noch immer vor meinem Tisch und schaute mich an. „Ist alle gut zwischen dir und Frederik?" Ich stockte mitten in der Bewegung, riss mich aber wieder zusammen und schloss meine Schultasche. „Wir hatten einen Streit." Mehr wollte ich nicht sagen. „Du weißt, ich hab immer ein offenes Ohr." Ich nickte wieder und blickte noch einmal auf die Uhr. In dem Moment ertönte die Glocke und Klassenräume öffneten sich. „Ich muss leider weiter, aber danke für Ihr Angebot", meinte ich zu Herrn Graben und hoffte, dass es nicht zu unhöflich klang. Er lächelte nur und wünschte mir noch einen schönen Tag, dann gingen wir getrennte Wege.

Luisa fand ich zu meinem Glück, nach einer kurzen Suche mit ihren Freundinnen. Ich nahm all meinen Mut zusammen und ging auf die Mädchen zu. „Luisa, könnten wir kurz sprechen." Die Angesprochene drehte sich um und ich konnte Verwunderung in ihrem Blick erkennen. Sie zögerte, aber nickte schließlich. Luisa verabschiedete sich von ihren Freundinnen und ging danach mit mir zusammen zum kleinen Park neben der Schule. Ich meinte nämlich, dass ich nicht in der Schule reden wollte, und da es nicht allzu kalt war, beschlossen wir uns dort auf eine Bank zu setzen. Den kurzen Weg über schwiegen wir und erst als wir saßen, räusperte ich mich. Ich war verdammt nervös, konnte ihr nicht in die Augen blicken und spielte durchgehend mit meinen Händen. „Es tut mir leid", danach holte ich tief Luft, um mich etwas zu beruhigen. „Danke, dass du mir eine Chance gibst, mich zu erklären. Freddie ignoriert mich ja nur mehr." Nachdem von Luisa nichts kam, sprach ich weiter. „Ich glaube, ich muss etwas ausholen. Du musst wissen ich bin nicht immer ehrlich gewesen." Ich machte eine kurze Pause und holte tief Luft. Dann erzählte ich ihr das, was ich auch meiner Mutter erzählt hatte. Ein weiteres Mal fühlte es sich befreiend an, seine Last mit jemandem zu teilen. Luisa starrte mich erschrocken an, als ich vom Mobbing erzählte und als ich zu dem Tod meiner Oma kam, sah ich, wie ihre Augen leicht glasig wurden. Schließlich war meine Erzählung zu Ende und es herrschte erst mal eine unangenehme Stille zwischen uns. Da sie noch immer nichts sagte, stand ich auf und drehte mich noch einmal zu ihr. „Ich kann verstehen, wenn du noch immer böse auf mich bist. Ich hatte kein Recht dazu, dich zu beleidigen. Ich weiß auch, dass das was mir widerfahren ist, keine Entschuldigung ist für das, aber ich wollte nur, dass ihr, dass du mich vielleicht besser verstehen kannst und mir vielleicht sogar verzeihen kannst. Ich verlange auch nicht, dass wir wieder Freunde werden, ich bitte dich nur das du mir verzeihst." Ich hätte noch ewig weiter gesprochen, aber Luisa unterbrach mich, indem sie aufstand und mich umarmte. „Warum hast du uns das nicht früher erzählt. Wir hätten dir beigestanden und dir geholfen. Und ich verzeihe dir. Wenn ich ehrlich bin, fand ich es auch nicht so schlimm, ich weiß ja wie du eigentlich bist, es war nur ein Ausrutscher. Freddie jedoch sieht das alles anders. Aber vielleicht kannst du ihn überzeugen, wenn du auch zu ihm gehst und ihm alles erzählst." Das klang so verdammt einfach, als sie es aussprach, aber ich konnte mir vorstellen, dass es ein sehr schweres Unterfangen werden würde. Anscheinend bemerkte Luisa meinen leicht ungläubigen Blick, „Wenn du willst rede ich erst mal mit ihm, damit er sich auf ein Gespräch einlässt." „Danke, das wäre echt lieb." Sie lächelte mich nur freundlich an und umarmte mich sofort noch mal. „Diese kurze Zeit, wo wir uns nicht verstanden, war schrecklich. Bitte verspricht ehrlich zu sein, auch wenn es dir schwerfallen mag. Ehrlichkeit macht so vieles leichter." „Mach ich. Versprochen."

Wir sprachen noch eine Weile über dies und das, bis Luisa nach Hause musste, da ihre Eltern schon zum dritten Mal anrief. Nach der gefühlt tausendsten Umarmung gingen wir dann auch getrennte Wege. Ich wusste, dass ich zu Hause alleine wäre, da meine Mutter ihre Trauer mit Arbeit erstickte, deswegen beschloss ich noch etwas spazieren zu gehen. Ich kam an einer kleinen Grünfläche vorbei, auf welcher es einige Parkbänke gab. Da ich die ersten Sonnenstrahlen dieses Jahres genießen wollte, setze ich mich hin und schloss meine Augen. Die Zeit verging und es fühlte sich wundervoll an, doch dann legte sich ein Schatten über die Sonne und mir wurde kalt. Zuerst dachte ich, es wäre eine Wolke, die sich vor die Sonne schob, aber der Schatten ging nicht weg. Verwirrt öffnete ich meine Augen und schreckte zusammen. Innerlich verfluchte ich mich und mein Pech. Es war doch so klar gewesen, dass wenn ich einmal etwas genießen wollen würde, es mir kaputt gemacht werden würde. Taddl grinste mich einfach nur an, genauso wie Ardy der neben ihm stand. „Hallo Neuer. Na wie geht's?" „Ach kommt schon. Könnt ihr mich nicht einfach in Ruhe lassen?" Ich wusste nicht, woher dieser neue Mut kam, aber es nervte mich mittlerweile schon, dass ich immer auf die zwei traf. „Nicht so unhöflich, wir wollten nur ein bisschen reden", bei diesen Worten setzen sie sich links und rechts neben mich. „Weißt du, wir finden es gar nicht so toll, dass Manu plötzlich so anders wird und wir wollen dich bitten, dass du aufhörst ihn zu manipulieren. Wir wissen nicht was du gemacht hast, aber er wird so soft und das passt uns nicht." Innerlich verdrehte ich die Augen und wollte so etwas sagen wie „Menschen ändern sich nun mal" oder „Er wird halt zu einem echten Menschen." Aber stattdessen meinte ich nur „Ich tue doch nichts." Taddl lachte nur auf und klopfte mir auf die Schulter, so als wolle er verdeutlichen, wie toll mein Witz doch war. „Halt dich einfach von ihm fern und wir versprechen wir lassen dich in Ruhe." Mit weit aufgerissenen Augen schaute ich Taddl an, ich musste mich verhört haben. So einfach konnte ich sie doch nicht loswerden. Taddl lachte wieder kurz auf „Versprochen, du bleibst von Manu fern und wir von dir. Kleiner-Finger-Schwur." Danach hielt er mir den kleinen Finger hin und nach kurzen zögern hakte ich meinen kleinen Finger mit seinem ein. „Super, so werden wir alle ja noch glücklich." Und dann gingen sie einfach wieder. Ich konnte nicht fassen, was für ein Glück ich doch hatte. Zuerst verzieh mir meine beste Freundin und dann erfuhr ich einen leichten Weg, mir meine Mobber vom Leib zu halten. Ich lächelte und hüpfte schon fast vor Freude nach Hause.

Am Abend schien sich meine Mutter von meiner positiven Stimmung anstecken zu lassen. Denn sie beschloss Kaiserschmarrn für uns, als Abendessen zu machen, und das, obwohl sie solange gearbeitet hatte. Später ging ich dann glücklich und zufrieden zu Bett. Es schien so, als würde sich doch noch alles zum Guten wenden.

Ich lebe noch. :D Ich dachte, dass wenn ich die Matura (Abi) haben, dann habe ich mehr Zeit, aber irgendwie, wollte ich mir dann doch nie die Zeit nehmen.
Ich hoffe, das Kapitel war nicht allzu langweilig, aber ich kann nicht nur Zeitsprünge machen.
Schönen Tag noch :D und hoffentlich nicht bis in einem Monat.

Mein vergessenes Jahr/KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt