Kapitel 16

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Weihnachten, für viele der Tag der Geschenke und Kekse, für mich der Tag der Familie. Ich freute mich meistens ein Jahr darauf, meine ganze Familie wiederzusehen, denn es sind sonst immer alle irgendwo unterwegs. Natürlich sah ich an diesem Weihnachten nicht alle meine Verwandten, nur die von meiner mütterlichen Familie. Am 27. Dezember würde ich nach Hamburg fahren und dort mit meiner väterlichen Familie feiern. Als Kind war Weihnachten für mich immer ein besonders besondere Tag, früher wachte ich immer um fünf Uhr auf, da ich so aufgeregt war, heute musste mich meine Mutter aus dem Bett schmeißen. Dennoch standen wir pünktlich um 14 Uhr bei meiner Oma vor der Wohnungstür. Wir wollten noch etwas helfen, mit dem Kochen und dem Baum schmücken. Die restliche Familie hatte sich für 17 Uhr angekündigt, dann würde es Essen geben und danach wird etwas gesungen und abschließend kommt die Bescherung. Meine Oma ging es einigermaßen gut. Man konnte ihr anmerken, dass sie Schwach war, aber dennoch bestand sie darauf zu kochen. So kam es, dass wir zu dritt kochten und den Spaß unseres Lebens hatten. Meine Oma erzählte viele Geschichten von damals und auch welche von mir als Kind. Ich wollte nur im Erdboden verschwinden, als ich die ganzen peinlichen Geschichten erfuhr.
Pünktlich um 17 Uhr waren alle eingetroffen und das Festessen begann. Wir waren 10 Leute, weswegen es etwas eng war, aber wir quetschten uns alle brav auf die Bank. Danach sangen wir ein paar Weihnachtslieder, wobei ich eher weniger sang, da meine Stimme nicht die beste war. Schließlich gab es Geschenke und mein kleinster Cousin fragte andauernd, wo die anderen Geschenke waren. Er gab sich nicht mit den drei Geschenken zufrieden, er wollte mehr und begann deswegen fast zu weinen.
Alles in allem war es ein schöner Abend. Um 21 Uhr verabschiedete sich meine Oma, da sie schlafen gehen wollte. „So ich gehe dann einmal ins Bett. Vergisst nicht die Kerzen auszublasen, zuzusperren und schaltet alle Lichter aus." Ein Nicken ging durch die Runde. „Ich danke euch allen, dass ihr gekommen seid. Es war ein wundervolles Weihnachtsfest. Danke und gute Nacht." Nach ihrer kleinen Rede gab es noch eine Umarmung- und Küsschen Runde. Auch ich drückte meine Oma fest und flüsterte ihr zu, wie lieb ich sie doch hatte. Ich hatte seit neuestem durchgehend Angst, dass jeder Abschied der letzte sein könnte, weswegen ich ihr immer zeigen wollte, wie lieb ich sie doch hatte.
Es wurde immer später und um 23 Uhr verabschiedeten auch meine Mutter und ich uns von meiner Familie. Wir fuhren nach Hause und der Rest würde bei meiner Oma übernachten. Am nächsten Tag wollten wir noch einmal zusammen Mittagessen und dann würden wir uns wieder nicht für ein Jahr sehen. Im Auto sprach ich auch noch mit meiner Mutter über den Abend. „Es war ein schönes Fest", meinte ich. „Ja da hast du recht. Oma hat es auch gut gefallen, sie ist mit einem so großen Lächeln ins Bett gegangen." „Ich freue mich schon auf das Essen morgen." „Du kommst so nach deinem Vater. Immer nur Essen im Kopf." Danach herrschte eine angenehme Stille im Auto.
Zu Hause angekommen ging ich schnell zu Bett. Nach langer Zeit war ich wieder einmal wunschlos glücklich und konnte ohne böse Gedanken, ganz einfach einschlafen.
Doch das Aufwachen war nicht so schön, wie das Einschlafen. „Patrick, Patrick, wach auf!" Meine Mutter schrie mich an und rüttelte meine Schulter. Verschlafen öffnete ich meine Augen und riss sie erschrocken auf, als ich die Tränen in den Augen meiner Mutter sah. „Was ist los?", fragte ich, auch wenn ich mir schon denken konnte was passiert war. „Wir müssen sofort zu Oma. Steh auf, zieh dich an, ich warte bei der Tür." Und weg war sie. Ich befolgte ihre Schritte und in Windeseile war ich fertig. Im Auto herrschte wieder eine Stille, aber nicht die angenehme von gestern, sondern eine angespannte und bedrückende. Mein Onkel stand vor dem Haus von meiner Oma und erwartete uns schon. „Ich habe sie so gefunden und sofort den Krankenwagen gerufen. Es tut mir so leid." Die ganze Familie wusste, dass meine Mutter meiner Oma am nächsten stand. Sie war auch die, die extra zu ihr gezogen war. „Ist sie tot?", flüsterte ich leise. Mein Onkel schaute mich an und nickte leicht. Diese Geste brachte mich zum Weinen. Die Tränen rollten meine Wangen hinunter und wollten nicht aufhören. Ich spürte Arme, welche sich um mich legten und in das Haus zogen. Ich weinte und weinte und konnte einfach nicht aufhören. So viele Menschen sagten mir Sachen wie „Jetzt geht es ihr besser.", „Sie hätte nicht gewollt, dass wir traurig sind." Oder auch „Nun ist sie wieder mit Opa vereint." Selbst mein kleiner Cousin versuchte mich aufzuheitern. „Warum weint Patrick so?", fragte er verwirrt. Er schüttelte mich und sagte „Nicht weinen. Es ist doch alles gut", meinte er und legte seine kleine Arme um mich, um das zu machen, was er immer bei den anderen gesehen hatte, wenn die jemanden trösten wollten. „Danke Kleiner", flüsterte ich nur.
Der Abtransport kam am Abend und nahm meine Oma mit, danach war es erst einmal still im Haus. Ich durchbrach die Stille, indem ich schrie „Ich halte das nicht mehr aus." Mit diesen Worten stürmte ich aus dem Haus. Ich wusste nicht, wohin ich lief, aber ich musste weg von diesem Ort, einfach nur weg. So rannte ich immer weiter, bis ich schließlich das Ortsschild Essen hinter mir ließ. Ich ließ mich neben der Straße in eine Wiese fallen und starrte einfach in den Himmel. Meine Lunge schmerzte und meine Augen brannten von den vielen Tränen. Ich wusste nicht, wie lange ich dort lang, aber irgendwann stand ich wieder auf. Mittlerweile war es stockfinster, aber der Mond leuchtet hell und half mir meine Umgebung zu erkennen. Da ich nicht wusste, wo genau ich war, ging ich einfach in eine Richtung. Ich schlurfte den Weg entlang und hatte bei jedem Schritt das Gefühl, als würde ich jeden Moment umfallen. Irgendwann kam mir eine Person entgehen und ich beschloss nachzufragen, wo genau ich den sei. „Entschuldigung. Könnten Sie mir sagen, wo ich bin?" Die Person blieb stehen und schaut mich an. Ich stockte und meine Augen weiteten sich. Vor mir stand jemand, den ich in diesem Moment am Wenigsten treffen wollte.
Manu stand vor mir und schaut mich genauso geschockt an, wie ich ihn.

Ich hoffe ich konnte die Emotionen einigermaßen gut beschreiben. 
An alle die nahe stehende Personen verloren haben, ich glaube an euch, ihr seid stark, ihr schafft das.

Mein vergessenes Jahr/KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt