Kapitel 8

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Leicht verzweifelt lag ich in meinem Bett und hoffte einfach nur, dass ich aufwachen würde. Die Szene im Krankenhaus lief nochmal vor meinem Auge ab, wie der Arzt mit der Nachricht kam, wie meine Mutter wütend und verzweifelt war und wie ich davon lief. Plötzlich klopfte es an meiner Tür. „Patrick bitte komm raus. Glaub mir zusammen verkraften wir das leichter." Ich blieb einfach liegen und starte an die finstere Decke meines Zimmers. „Es gibt Abendessen, Kartoffeln mit Butter. Komm bitte raus." Dann hörte ich nur mehr wie sich die Schritte meiner Mutter entfernten.
Erst am nächsten Morgen verließ ich mein Zimmer. Wie immer saß meine Mutter am Tisch und las die Zeitung und wie immer ließ ich mich auf meinen Platz fallen und begann zu essen. Nach dem zweiten Brot stand ich wieder auf und war gerade am Weg ins Bad, als meine Mutter sich zu Wort meldete. „Du kannst immer mit mir reden. Ok?" Ich nickte nur und wollte schon weiter gehen. „Deine Oma ist noch im Krankenhaus, also heute musst du dir selber etwas zu essen machen. Ich weiß nicht, wann ich nach Hause kommen werde, aber eher spät." Ich nickte wieder nur und ging weiter, dieses Mal ohne aufgehalten zu werden.

In der Schule änderte sich meine Stimmung nicht. Auch wenn Freddie und später Luisa durchgehend versuchten aus mir etwas rauszuholen, blieb ich stumm. Ich hoffte nur, dass sie es mir nicht übel nahmen, aber an dem Tag konnte ich einfach nicht reden. Von Manuel und den anderen kam auch keine Überraschung auf mich zu, sie ignorierten mich, was ich nicht sonderlich übel fand. Nach der Schule tat ich dann auch das, was ich schon seit Tagen machen wollte. Ich kaufte mir eine Creme. Zwar tat es nicht mehr so stark weh, allerdings wollte ich einen kleinen Erfolg feiern und das Umsetzten einer Idee gab mir so etwas wie innere Befriedigung. Der Mittwoch ging vorbei und ich war froh, am Abend wieder in meinem Bett liegen zu können. Aber wie ich da so schön in meinem weichen Bett lag, kamen die Gedanken, welche ich den ganzen Tag versuchte zu ignorieren. Meine Oma, mein Vater, bei welchem ich mit seit langer Zeit nicht gemeldet habe und auch Manuel geisterten durch meinen Kopf.

Mit großen Augenringen wachte ich am Donnerstag auf. Ausnahmsweise war meine Mutter mal Still beim Frühstück, ich hinterfragte das nicht und bemerkte auch nicht ihren leeren Gesichtsausdruck. In dem Moment dachte ich nicht einmal Ansatzweise daran, was meine Mutter zurzeit durchmachte. So ging ich zur Schule, ohne mich richtig von ihr zu verabschieden. Auch wenn ich erst seit ein paar Tagen Schule hatte, wünschte ich mir die Ferien zurück, es war einfach nur langweilig. Einzig und allein Manuel machte den Schultag spannender, indem er mit unserer Chemie Lehrerin für eine viertel Stunde über „Reden im Unterricht" diskutierte. Auch wenn ich mir am Montag noch wünschte, dass er verschwinden würde, war ich in dem Moment froh, denn so wurde mir seit zwei Tagen wieder ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Denn wer würde es nicht lustig finden, wenn der große Bad Boy, Mobber der Schule bei der Chemie Lehrerin klein beigibt und danach brav den Mund hält? Leider bemerkte Manuel, dass ich die Situation lustig fand, als wir nämlich zu unserer Klasse gehen musste, hielt er mich auf. „Was hattest du den zu Lachen in Chemie?", seine Stimme klang so ruhig aber auch gleichzeitig so bedrohlich, weswegen ich leicht zurückging. Darauf bedacht nicht falsches zu sagen, antwortete ich langsam „Freddie hat etwas Lustiges in mein Heft gemalt." An seinem Gesichtsausdruck merkte ich, dass er es mir nicht abkaufte und seine Antwort verwirrte mich „Morgen wirst du nicht mehr lachen." Aber ich ignorierte es einfach und dachte mir nichts dabei, was im Nachhinein vielleicht nicht die beste Idee war.
Nach der Schule ging ich ganz normal, wie immer, zu meiner Oma, denn diese wurde am Vormittag entlassen. Vor der Eingangstür hielt ich erst mal für paar Minuten inne und atmete tief durch. Nichtsdestotrotz traute ich mich und ging in das Haus hinein. „Hallo, bin da," schrie ich durch das Haus. Keine Antwort, kurz war ich nervös und stellte mich drauf ein, den Krankenwagen zu rufen, aber dann kam die Erlösung. „In der Küche", schrie meine Oma zurück. Leicht aufgeregt ging ich zur Küche, das war das erste Mal seit Dienstag und meinem Weglaufe, dass ich mit ihr Reden würde. Und da saß sie, auf der Bank vom Esstisch, sie schaute mich leicht traurig an, so als wollte sie, wie ich, dieses Gespräch nicht führen wollen. „Setz dich bitte," ich folgte ihrer Anweisung und setze mich auf den Stuhl gegenüber, „Also ich will, dass du meine Entscheidung nachvollziehen kannst. Nach dem Schlaganfall von deinem Opa war er, wie du sicher noch weißt, geistlich etwas verwirrt. Er war auf meine Hilfe angewiesen und konnte ohne mich nichts mehr machen. Ich merkte, wie es ihm immer schlechter ging, da er selber nicht wollte, dass man ihm helfen muss. Es war fast eine Erlösung, als er starb. Und das will ich nicht. Ich will nicht das es eine Erlösung ist, wenn ich gehe, ich will einfach noch die Zeit leben die ich hab. Vielleicht reise ich noch ins Ausland, aber ich werde sicher nicht im Krankenhaus bleiben, nur um vielleicht ein Jahr mehr Zeit zu haben. Bitte verstehe das, bitte Patrick sei nicht böse auf mich." Ich starrte sie an und merkte, wie meine Augen wässrig wurden. „Komm her." So schnell ich konnte stand ich auf und ging zu ihr um in ihre Arme genommen zu werden und zu weinen. Es tat gut getröstet zu werden und es tat gut meine Oma bei mir zu haben. Als ich mich beruhig habe antwortete ich ihr auch schließlich „Ich bin nicht böse, kann ich nicht. Ich habe dich lieb Oma, egal was passiert."

Sorry, dass es jetzt etwas länger gedauert hat, bis das Kapitel online kam... :(

Mein vergessenes Jahr/KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt