Lex, nicht Alexander #8

160 11 0
                                    

Zusammen mit Lex verlasse ich die Trainingsinsel und habe jetzt auch zum ersten Mal Zeit, einen Blick hinter mich zu werfen. Die treppenartig angeordneten Inseln sind alle bereits verlassen und im Zentrum vorne schwirren viele Leute herum.
Wir fliegen beide langsam, meine Schultern schmerzen und Lex Gesichtsausdruck zufolge, seine genauso.
Er führt mich direkt zu dem Haus, in welchem mich der Seraph abgeliefert hat. „Ich war hier bereits. Als ich angekommen bin, hat mich der Seraph hergebracht."
Lex nickt. „Das dachte ich mir bereits, jeder kommt zuerst einmal ins Horizontgebäude, um die Flügel vermessen zu lassen."
„Musstet ihr dies auch machen?" Frage ich.
„Ja, wie gesagt, jeder kommt zuerst hierhin. Die Ausweise müssen wir aber nur am Empfangstresen abholen." Lex landet sicher auf dem Boden.

Ich falte meine Flügel zusammen, lasse sie jedoch nicht verschwinden. Lex geht voraus und ich folge ihm.
Beim Empfang erkenne ich die Frau, welche mir die Flügel gemessen hat wieder, sie lächelt uns freundlich an.
„Wir möchten unsere Ausweise abholen." „Name?" „Alexander Brandon." Er schaut fragend zu mir. „Alva Devyn." Sage ich leise.
Sie sucht in ihren Unterlagen und zieht zwei Couverts aus dem Stapel neben ihr.
„Alva Devyn und Alexander Brandon, bitteschön." Sie überreicht uns die Umschläge und lächelt. „Willkommen in der Stadt des Mondes." Lex neigt dankend den Kopf und ich tue es ihm gleich.

Als wir das Gebäude verlassen, pikse ich ihm in die Seite. „Du heißt eigentlich Alexander?"
Er verzieht sein Gesicht. „Ja, aber ich mag den Namen nicht. Nenn mich bitte einfach nur Lex."
„Wenn du das möchtest." Erleichtert entfaltet er seine Flügel. „Dann lass uns nach Hause gehen. Ich bin todmüde."
Zusammen fliegen wir zu unserem Haus, ich fliege ihm einfach nach, da ich eigentlich nicht mehr genau weiß, wo unser Haus liegt. Auf dem Weg versuche ich mir, einige Stützpunkte zu merken, damit ich nicht immer auf die Hilfe von Lex angewiesen bin.
Wir fliegen an einer größeren Insel vorbei, die unbebaut ist und nur aus einem Wäldchen besteht. Auch an weiteren Wohnhäusern und einem kleinen Freizeitpark kommen wir vorbei. Aber die meisten der Inseln sind weniger als ein paar Quadratmeter groß und bestehen nur aus Felsen, Gras und kleinen Bäumen. Tief unter uns zieht Nebel auf, wie ein Wolkendach schwebt er höher.

Lex verliert an Flughöhe und ich erkenne weiter unten ein Haus, das, wie ich erst jetzt bemerke, in einem hellen Pastellgrün gestrichen ist.
Ein flaues Gefühl mach sich in meiner Magengegend breit, ich hoffe, dass ich Sharon nicht begegne, denn auf eine weitere Beleidigung habe ich gar keine Lust.
Lex fällt es deutlich leichter, seine Flügel verschwinden zu lassen als mir. Ich gehe sofort in mein Zimmer, mit der Begründung, dass ich ebenfalls müde sei.
Lex macht sich derzeit zum Kühlschrank auf. Ich schließe meine Türe hinter mir und atme erleichtert aus. Ich drehe den Schlüssel im Schloss um und sofort entspannt sich mein Körper sichtlich.

Der ganze Tag ging so schnell vorüber und die neuen Bekanntschaften machten es nicht weniger anstrengend.
Auf dem Bett sitzend überlege ich mir eine neue Zimmeranordnung. Obwohl ich mich kaum bewegen mag, brauche ich jetzt eine Ablenkung. Denn es bringt mir nichts, wenn ich mir einen Knoten in den Kopf denke und mir Sorgen mache. Mein Schreibtisch schiebe ich vor das Fenster, gegenüber der Türe und mein Bett in die Ecke zwischen der Tür und dem zweiten Fenster. Die beiden Regale kommen an die noch leerstehende Wand.
Was mir jetzt jedoch auffällt, wie kahl die Wände trotzdem noch aussehen und ich wühle in meinem einen Koffer nach den Postern und Bilder, die in meinem alten Zuhause die Wände vollgekleistert haben. Ich breite die Bilder auf meinem Bett aus, widme mich dann aber dem Schreibtisch, auf welchem ich meine Stifte und Blöcke platziere.
Es klopft an der Türe und schnell räume ich die Bilder auf dem Bett in eine Schublade. „Wir haben ein Problem?" Lex Blick ist ernst.

„Was für eines?" Frage ich.
„Der Kühlschrank ist leer und ich habe Hunger. Außerdem will ich nicht wissen, wie Sharon reagiert, wenn sie zurückkommt." Erleichtert seufzte ich.
„Ich dachte es sei etwas Ernstes."
„Es ist ernst! Kommst du mit, einkaufen? Ich mag nicht alleine gehen."
Ich verschränke meine Arme. „Ich bin ehrlich gesagt ziemlich müde. Ich hatte noch keine Pause."
Lex schaut enttäuscht. „Na gut, dann gehe ich alleine Einkaufen. Aber du hilfst mir beim Einräumen." Er droht mir mit seinem Zeigefinger, aber auf seinem Gesicht ist ein lächeln. „Ich werde helfen."

Es ist angenehm warm und die Sonne wirft ihre Schatten durch den feinen Nebel, welcher wie ein Vorhang vor mir schwebt. Zurück in meinem Zimmer, öffne ich das Fenster und lehne mich heraus. Bevor die Insel steil abfällt, ist noch ungefähr einen Meter grauer Stein.
Einer Idee folgend, schnappe ich mir ein Buch, welches ich erst gerade angefangen habe zu lesen und klettere vorsichtig aus dem Fenster. Gegen die Außenwand gelehnt, lasse ich mich nieder und meine Beine baumeln über dem Abgrund. Viele Meter unter mir schweben Landinseln und fast unsichtbare Häuser leuchten durch den Nebel zu mir.
Das Buch aufgeschlagen, beginne ich zu lesen und fühle mich gleich nicht mehr so erschöpft.

„Alva! Alva wo bist du? Du hast versprochen mir zu helfen, drück dich jetzt nicht!"
Vor Schreck fällt mir fast das Buch in den Abgrund und schnell richte ich mich auf und halte mich am sicheren Fensterrahmen fest.
„Bin gleich da!" Rufe ich zurück.
Rasch klettere ich zurück in mein Zimmer, werfe das Buch aufs Bett und renne zu Lex in die Küche.
Zwei große Taschen stehen auf dem Küchentresen, er sitzt daneben auf dem Stuhl.

„Du glaubst nicht, wie teuer hier das Essen ist, dass lässt ja das Höllenfeuer auslöschen." Er wirkt aufgebracht.
Ich erwidere nichts auf sein Fluchwort, welches wir zwar auch benutzen, jedoch genau umgekehrt.
Stumm beginne ich, die Taschen auszuräumen und das Essen in den Kühlschrank und Regale zu sortieren.

„Entschuldige."

„Wofür?"

„Ich habe vergessen das du aus einem Feuerdorf kommst."

Ich falte die Taschen zusammen. „Schon okay. Wir fluchen ja auch über den Himmel, daher ist es nicht verwunderlich, dass ihr dasselbe über die Hölle macht."
Lex grinst. „Du bist ziemlich tolerant, weißt du das?"
Ich zucke mit den Schultern.
„Meinen Respekt hast du dafür von mir."

„Macht Platz, ich möchte etwas essen. Deinen Respekt kannst du dir sonst wo hinstecken!"
Ich schaue zu Sharon, welche ihre Hände in die Hüften gestemmt hat und mit dem Schuh auf den Boden klopft. Sie schaut mich erwartend an. Ich trete ein paar Schritte zur Seite und sie drängt sich an mir vorbei, wühlt im Kühlschrank herum und ruiniert meine ganze Ordnung.
Schließlich knallt sie ihn wieder zu.
„Was denkt ihr eigentlich, was ihr einkauft? Ich sehe weder Gemüse noch Früchte oder Salat. Ich bin allergisch gegen Milchprodukte!"
Ich war einkaufen und der Meinung, wenn du etwas Bestimmtes willst, musst du das selbst einkaufen." Verteidigt Lex sich.
Sharon schnaubt und marschiert an uns vorbei.

„Wie ihr wollt. Ernährt euch doch ungesund und erstickt daran!"

White WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt