Ende des zweiten Jahres #42

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Erschöpft lasse ich mich auf den Boden sinken. Mit einem Scheppern fallen meine Dolche zu Boden. Mein Rücken schmerzt und mit meinen Fäusten trommle ich auf diesem herum. Kreise meine Schultern und strecke meine Füße dem Boden entgegen. Als ich ein vertrautes ziehen in meinem Bein spüre, halte ich die Luft an und presse meinen Rücken gegen den Boden. Die wenigen Sekunden, welche ich brauche, bis der Schmerz wieder verschwindet, lassen mich erneut seufzen.

„Alva, kommst du heute noch mit auf die Party?" Lex steht neben mir, bereits umgezogen und mit offenen Haaren. In letzter Zeit habe ich ihn öfters so gesehen. Dabei hat er früher peinlich genau darauf geachtet, seine Haare immer zusammengebunden zu haben. Ich rapple mich auf und nehme meine Dolche entgegen, welche mir Lex entgegenstreckt.
„Ich habe heute noch Therapie, vielleicht schaue ich später vorbei." Gebe ich bekannt und schlurfe Richtung Waffenhaus. Lex läuft neben mir, ich spüre seinen besorgten Blick auf mir. Ärger keimt in mir auf.
„Ich kann alleine laufen, du musst mir nicht nachlaufen." Sage ich mit einem bissigen Unterton. Er bleibt stehen. „Entschuldigung." Murmelt er. Ich seufze, wohl schon zum hundertsten Mal heute. „Ich habe es nicht so gemeint. Ich will nur nicht, dass du mich anders behandelst wie früher, dass weißt du doch. Sharon tut das auch nicht."
Lex Augen scannen meinen Körper. Dann fährt er sich durch die Haare. „Ich weiß, es tut mir leid. Ich gehe jetzt, vielleicht sehen wir uns auf der Party." Ich nicke und hebe die Hand zum Abschied.

Seit meinem Krankenhausaufenthalt ist mehr als ein halbes Jahr vergangen. Ich mache eine Therapie, um mein Bein möglichst fit zu halten, Casey hat mir versprochen, ich darf meine Ausbildung zu Ende machen, wenn auch etwas anders als die anderen. Damit ich nicht gänzlich ohne dastehe und weitere Ausbildungsmöglichkeiten habe.
Ich stecke meine Dolche in die Tasche und ziehe mich um. Ein rötlicher Streifen zieht sich von meiner Wade quer über meine Hüfte und den Rücken hoch. Rasch verdecke ich den einzigen physischen Beweis meiner Schwäche. Ich war überglücklich, als mir Casey meine Möglichkeiten offenbarte.

Die Abtrünnigen haben sich merklich zurückgezogen, nur einzeln sind von Aufständen zu hören, welche jedoch immer schnell unter Kontrolle gebracht wurden. Doch der Mann mit der silbernen Maske wurde bis jetzt noch nicht gefasst. Am Anfang war ich so wütend auf ihn, ich lag abends wach, schmiedete Rache und sogar Mordpläne. Doch mit der Zeit wurden diese weniger, der Hass wurde weniger, je weniger sich das Surren in meinem Kopf bemerkbar machte.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Silver Mask derjenige ist, welcher in meinen Gedanken ist. Es ist zu einem Teil von mir geworden, das Surren beruhigt mich, wenn ich es brauche. Obwohl ich genau weiß, dass er mir Gefühle und vielleicht sogar Gedanken einpflanzt, empfinde ich weder Abscheu noch Ekel oder Angst. Vielleicht löscht er diese Empfindungen bestimmt, aber da nichts mehr passiert ist, was ich verantworten müsste, ist meine Vorsicht deutlich geschrumpft.

Mit müden Flügeln verabschiede ich mich von meiner Therapeutin, welche wie immer an der Türe stehen bleibt, bis sie mich nicht mehr sieht. Ich beschließe, doch noch auf Orions Party vorbeizugehen. Jedoch auf jeden Fall nichts zu trinken. Damit haben wir letztes Jahr genug dumme Erfahrungen gemacht. Trotzdem ist Orion derjenige, welcher die Party gibt, zusammen mit Kyro.

Laute Musik schallt mir entgegen, als ich die Türe zum Haus von Orions Team öffne. Bunte Lichter blinken von der Lampe, das Wohnzimmer wurde zu einer Tanzfläche umfunktioniert. Die Möbel sind zur Wand hingeschoben, auf der Bar vor der Küche türmen sich Getränke und Snacks.
„Alva! Schön, dass du auch gekommen bist." Orion drückt mir einen Becher in die Hand und schlägt die Tür hinter mir zu. Sein linker Arm ist um Kyro geschlungen, welcher mir freundlich zulächelt. „Fühl dich ganz wie zuhause."
Ich lasse die beiden alleine und halte mich am Rande der Party. Alle Zweitklässler sind eingeladen worden, und so dauert es nicht lange, bis ich meine Freunde an der Bar entdecke. Lex lehnt mit geschlossenen Augen an der Wand, Chysa steht einige Meter entfernt von ihm und nippt an ihrem Getränk.

White WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt