Der Morgen danach #33

106 8 0
                                    

Mein Kopf brummt unglaublich. Einem Presslufthammer gleich schlägt etwas auf ihn und ich halte stöhnend meine Hände an die Schläfe. Warum schmerzt er so unglaublich?
Ich zwinge mich, meine Augen zu öffnen. Sie fühlen sich heiß und verklebt an. Ein fahler Geschmack liegt mir auf der Zunge und ich schlucke ein paarmal, um das trockene Gefühl wegzukriegen.

Endlich gelingt es mir, die Augen vollständig zu öffnen.
Verschwommen sehe ich Gestalten neben mir liegen. Über mir strahlt der freundliche Himmel und schickt seine Sonnenstrahlen zu mir runter. Ich schüttle meinen Kopf und sofort breitet sich der stechende Schmerz weiter aus.

Verdammt!

Ich robbe zu der Gestalt, welche am nächsten von mir liegt und rüttle an seiner Schulter. Ein genervtes murren ist zu hören. „Wach auf." Krächze ich. Der Mann mit den silbergrauen Haaren schlägt plump nach mir. „Lass mich in Ruhe, ich habe Kopfschmerzen." Grummelt er.
Ich beiße meine Kiefer zusammen. „Denkst du ich nicht? Reiß dich zusammen und hilf mir, die anderen zu wecken." Meine Stimme klingt wie raues Schmirgelpapier. Bereits dieser Satz hat mich erneut erschöpft und mildert meine Kopfschmerzen auch nicht.
„Die andern?" Fragt er erstaunt. Ich lasse ihm Zeit, sich selbst ein Bild von der Situation zu machen. Endlich rappelt Aarin sich so weit auf, dass er gerade sitzen kann und schaut mich zum ersten Mal an. „Alva? Was machst du hier?" Ich krame in meinem Gedächtnis. Das ist eine gute Frage.

Was mache ich hier?

Doch in meinem Kopf befindet sich gähnende Leere. Wie eine zähflüssige Masse verklebt es meine Gedanken und ich zucke mit den Schultern. „Das wüsste ich auch gerne."
Aarin seufzt und presst sich sofort die Hände gegen die Seiten. „Und warum schmerzt mein Kopf so höllisch?"
„Ich habe genau solche starken Kopfschmerzen. Aber lass uns zuerst die anderen wecken." Ich hebe meinen bleischweren Arm und deute nach drüben. Vier weitere Körper liegen reglos auf dem Boden. Aarin kommt taumelnd auf die Füße, stolpert einige Schritte nach vorne, bevor er erschrocken in sich zusammenfällt.

„Warum zur Hölle sind wir auf einem Dach?" Schreit er. Seine Stimme klingt schrill und ich halte mir die Ohren zu.
„Schrei doch nicht so." Beschwere ich mich.
„Wacht auf verdammt! Wacht sofort auf!"
Ich krieche auf ihn zu und stoße ihn in die Seite. „Klappe! Sprich gefälligst normal!" „Wie soll ich bei so einer Situation normal bleiben?" Seine Augen blitzen angstvoll.

„Warum schreit ihr so?" Chysa öffnet blinzelnd die Augen. „Ich will schlafen!" Meis Augen sind von Verwirrtheit verschleiert und sie schaut uns überrascht an.
Chysa mustert uns und die Umgebung. Dann schlägt sie sich erschrocken vor den Mund. „Verdammte Hölle! Was ist passiert?"
„Kaffeekränzchen?" Von weiter hinten kriecht Lex zu uns und knallt im Vorbeigehen Luna an, welche erschrocken aufspringt und im nächsten Moment rückwärts wieder zu Boden fällt. „Was zum Teufel soll das?" Lex streckt ihr entschuldigend die Hand hin.
Chysa hat sich um Schneidersitz neben mir niedergelassen. Aarin liegt zusammengekrümmt am Boden und Mei mustert uns, als sähe sie, zumindest mich, das erste Mal.

„Warum sind wir auf dem Dach?" Fragt Lex. Niemand antwortet. „Ich kann mich nicht an gestern erinnern." Sage ich leise. Erneute Stille.
„Ich sehe einige Bruchstücke von gestern." Gesteht Luna. Sofort richten sich alle Augen auf sie. Diese lächelt schüchtern und zieht sie Knie an den Bauch. „Erzähl." Fordert Chysa sie mit heißerer Stimme auf.

„Ich erinnere mich nur daran, wie Orion etwas an alle verteilt. Wie wir im Kreis sitzen und über etwas lachen. Ich weiß noch wie Lex Zacken im Himmel geflogen ist. Wir waren so dumm, die Arena hochzuklettern, obwohl wir fliegen konnten." Ihr Lachen verwandelt sich schnell in ein schmerzvolles Stöhnen.
„Denkst du, wir sind auf dem Dach der Arena?" Fragt Lex. „Möglich wäre es. Immerhin ist diese doch gleich neben unserer Unterkunft. Und wir sind neben dieser." Chysa deutet auf die gläsernen Türme, keine zwanzig Meter von uns entfernt.

Langsam beginne auch ich, die Umgebung wahrzunehmen. Wir sind von Häusern umgeben und Straßengeräusche dringen von unten zu uns hoch.
„Wir sollten schleunigst von hier oben verschwinden." Bemerkt Chysa. Sie rappelt sich auf und stolziert einigermaßen gerade zum Rand. Vorsichtig lehnt sie sich darüber und ihre Arme rudern hilflos in der Luft. „Ich gehe mal nachschauen, ob es eine Treppe nach oben gibt." Verkündet sie. Im nächsten Augenblick ist sie nach vorne gekippt und aus unserem Blickfeld verschwunden.
Ich lege mich auf den Rücken und versuche die Kopfschmerzen zu ignorieren. Auch den andern ist nicht nach reden zumute. Nach einer schier endlosen Wartezeit klappert etwas.

„Na los, kommt! Wir müssen hier weg, bevor wir jemandem vom Rat begegnen." Chysa steht in einer Tür und winkt uns hektisch zu sich. Murrend erhebt sich einer nach dem andern und taumelt an ihr vorbei durch die Türe nach unten. Auch für mich ist es eine Herausforderung, gerade zu stehen. Alles schwirrt und dreht sich. Ich gleite mit meiner Hand der rauen Wand entlang, welche mir Sicherheit gibt. Fast hätte ich mich bei ihr bedankt, als wir die Arena verlassen.

Mühsam schleppen wir uns die Stufen zu unseren Schlafzimmern hoch. Wie durch ein Wunder begegnen wir niemandem. Erschöpft von der Tour lasse ich mich auf das Bett fallen, sobald Chysa die Türe hinter uns geschlossen hat. Ich bekomme mit, wie Chysa aufgeregt im Zimmer auf und ab läuft.
„Das gibt's doch nicht." Und „Was ist nur passiert." Vor sich hinmurmelt.
Trotz dem ohrenbetäubenden Surren in meinem Kopf übermannt mich die Erschöpfung.

Regen platscht auf mein Gesicht. Ich lache und beobachte, wie sich Lex und Mei näher an die Tür heranschleichen.
„Vorsicht!" Ruft Orion neben mir und Chysa kichert. Lex dreht sich zu uns um und verbeugt sich, so dass er fast umkippt. Mei zupft ihn am Ärmel. „Komm jetzt, ich brauche deine Hilfe." Lex nickt und starrt für eine Weile die gläsernen Schaufenster an. Mit einem Mal geht ein Zittern durch das Glas und es zerberstet in tausende kleine Stücke.
Mei hüpft aufgeregt auf und ab. Sofort stürmen wir ins Innere und reißen Tücher von den Stangen. Gegenseitig trocknen wir uns ab, nur damit uns Kyro wieder nach draußen schubst.
Ich halte mir den Bauch vor Lachen, als Kyro und Orion sich gegenseitig nach draußen befördern und wieder ins Innere rennen.

Plötzlich ertönen Sirenen.

Ein aufgeregtes Kribbeln breitet sich in mir aus und hysterisch renne ich im Kreis.
„Es kommt jemand!" Kreische ich. Chysa fällt in meine Hüpfabfolgen ein, bis Orion uns mit sich zieht. „Zieht eure Kreise woanders, wir müssen schnell weg:" Noch immer kichernd rennen wir hinter Lex aus dem Gebäude, der Regen verschleiert meine Sicht und ich folge dem Platschen vor mir.
Ich sollte durch die tropfnassen Kleider frieren, aber eine angenehme Wärme hält mich bei Temperatur.

„Stehen bleiben!" Ruft eine Stimme hinter uns. „Sie werden uns einholen!" Kreischt Mei voller Angst. „Sie werden uns nicht kriegen!" Rufe ich. „Dafür werde ich sorgen."
Ich bin mir nicht sicher, warum ich das gesagt habe, aber ich weiß, dass sie uns nicht einholen werden. Ich bin mir so sicher, dass ich mich umdrehe und stehen bleibe. Ich strecke meine Hand aus und ziele auf die Wächter, welche auf uns zu kommen.

„Gute Nacht!" Murmle ich grinsend.
Ein leuchtend blauer Strahl schlängelt sich rasend schnell über meine Finger und schießt in die Körper unserer Verfolger. Sie bleiben wie erstarrt stehen und beginnen bläulich zu leuchten.
„Gut gemacht." Aarin klopft mir anerkennend auf die Schultern. Ich betrachte mein Werk zufrieden.
In den Augen der Wächter spiegelt sich ein überraschter und verzweifelter Blick. Als wüssten sie, was gleich mit ihnen passieren würde.

Und ich kann nicht anders, als zu lächeln.

—————
O.O was ist wohl mit unseren Freunden passiert???

White WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt