Aries Gray #21

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Freudig werfe ich meine Dolche in die Luft und fange sie geschickt auf. Sie glänzen wieder wie neu, nachdem ich sie zum Waffenmeister gebracht habe und schärfen ließ.
Die Klingen in der Hand drehend, verlasse ich das Waffenhaus und fliege Richtung Haus. Plötzlich fliegt Ray in schnellem Tempo an mir vorbei.

Schlagartig ändern sich meine Pläne.

Ich folge ihr in sicherem Abstand, was sich von selbst ergibt, da sie deutlich schneller als ich fliegen kann.
Der Zielort überrascht sogar mich.

Ray landet vor einem großen, quadratischen Block. Sie rennt hinein und ich folge ihr mit ein wenig Abstand. An der Rezeption hält sie inne, wechselt ein paar Worte mit der Frau und rennt weiter.
Ich gehe mit schnellen Schritten ebenfalls dorthin. „Können sie mir sagen, in welches Zimmer diese Frau wollte? Ich gehöre zu ihr aber sie ist mir voraus." Ich setze mein nettestes Lächeln auf und die Frau nickt.
„Zimmer 510, aber seien sie bitte leise." Ich bedanke mich und mache mich auf den Weg zum Lift.
Im Gang vor dem Zimmer bleibe ich stehen, durch die Türe sind leise Stimmen zu hören. Plötzlich dreht sich der Türknauf und ich Panik stürze ich mich ein Zimmer weiter hinein, lasse die Tür jedoch einen Spalt offen.

„Er ist noch lange nicht über den Berg, aber er schwebt nicht mehr in akuter Lebensgefahr. Er war vorhin sogar bei Bewusstsein. Sie haben ihn gerade noch rechtzeitig gefunden."
Jemand, wahrscheinlich Ray, seufzt erleichtert. „Ich bin froh, dass es ihm gut geht, aber was denken sie, wie lange braucht er, um vollständig gesund zu werden?"
Ich höre Blätterrascheln. „Er wird bestimmt noch fünf bis sieben Wochen brauchen, um vollständig zu genesen. Wenn alles gut geht. Sie können sich eine Heldin nennen, in hierher gebracht zu haben."
Sie lacht verlegen. „Ehrlich gesagt hat mich jemand anderes auf die Idee gebracht, ich habe nur eins und eins zusammengezählt."
„Wie auch immer, er wird ihnen sicher dankbar sein." Etwas klappert. „Ich muss noch nach anderen Patienten sehen, auf wiedersehen."

„Moment!"

Die Schritte stoppen. „Ich muss sie bitten, niemandem etwas hiervon zu erzählen. Nur wenige Ausbildner wissen davon. Die Schüler dürfen davon nichts erfahren."
„Natürlich, wir nehmen die Schweigepflicht sehr ernst."
„Ich danke ihnen. Ich halte sie nun nicht länger auf." Zwei paar Schritte entfernen sich und mein Atem beruhigt sich wieder.

Eine dunkle Vorahnung umklammert mich und ich schüttle den Kopf.
Zuerst muss ich mich vergewissern.
Meine Hände liegen auf dem Türknauf, verweilen und wollen sich nicht bewegen.

Mit zitternden Armen stoße ich die Tür auf.
Und mein Blick fällt sofort auf die Person im Bett.

Leichenblass, Kontrast zu den dunklen Haaren.
Kantige Gesichtszüge und ein Stoppelbart.

Reglos, kaum atmend.

An einen Flüssigkeitstropf angeschlossen liegt er im Bett.

Aries Gray.

Reglos stehe ich im Türrahmen, nicht fähig mich zu rühren.
Was ist mit Aries passiert?
Warum zum Himmel liegt er im Krankenhaus, sieht wie eine Leiche aus und regt sich nicht?
Ray hat mich angelogen, er ist nicht einfach nur krank. Etwas Schlimmes ist ihm zugestoßen. Etwas, das niemand erfahren darf.
Langsam mache ich einige Schritte auf ihn zu, bis ich vor seinem Bett stehe. Schaue auf ihn herab.

Er sieht wie um Jahre gealtert aus. Seine Augen zucken unter den Lidern unruhig hin und her.
Ich streiche ihm über die Wange.
Plötzlich spüre ich eine Eiskalte Hand an meiner Hüfte. Und er schlägt seine rabenschwarzen Augen auf.

„Alva." Seine Stimme klingt wie ein altes Schmirgelpapier.
„Aries." Hauche ich
„Was ist passiert?" Fragt er mich.
„Glaub mir, ich wünschte ich wüsste es." Ich lache leise.
Er hustet und sein ganzer Körper schüttelt sich. Er stöhnt schmerzvoll auf.
„Bleib ganz ruhig." Mahne ich ihn. „Du musst dich schonen." Er hustet erneut, schaut mich aus fiebrigen Augen an.
„Ich muss gehen." Sage ich, als Schritte auf dem Gang ertönen.

„Warte! Bitte bleib." Seine fiebrigen Augen sprechen Bände, und mir zerreißt es fast das Herz, als ich meine Hand von seiner löse.
„Ich dürfte gar nicht hier sein." Flüstere ich. „Aber ich komme wieder."
Die Schritte werden lauter, halten inne.

Sie dürfen mich nicht hier sehen!

Die Gestalten werfen lange Schatten, als sie in das dunkle Zimmer treten.

Im gleichen Moment lasse ich mich aus dem Fenster fallen.

Der Wind zerrt an meiner Kleidung und Haaren, Panik erfüllt mich, als ich sehe, wie schnell ich falle. So schnell es mir möglich ist, entfalte ich meine Flügel und breite sie zur vollen Länge aus.
Ein stechender Schmerz schießt durch meine Flügel, als sie sich gegen den Wind erheben und mich auffangen. Ich unterdrücke einen Schrei und schlage kräftig mit ihnen.
Der Schock, aus einem Gebäude zu fallen, erreicht meine Gedanken nicht, zu sehr hat sich das Bild von Aries in mich gebrannt.

Er ist immer so stark und unabhängig gewesen, hat sich nie unterkriegen lassen und hatte doch immer ein offenes Ohr.
Und jetzt liegt er schwach im Bett, nicht fähig zu wissen, was passiert ist.
Ich muss herausfinden, was es war.
Ray weiß was passiert war. Aber wie finde ich heraus, was passiert ist, ohne sie zu fragen?

Andererseits, Aries wird es bestimmt erklärt, und wenn er es weiß, kann er es mir erzählen.
Ich werde ihn besuchen gehen, wenn ich kann.

Vorsichtig drücke ich mit der flachen Hand gegen die Fensterscheibe. Mit einem Knarren schwingt sie nach innen und ich muss willkürlich lächeln. Rasch lasse ich mich auf die Fensterbank sinken und meine Flügel verschwinden.
„Aries?" Frage ich in den dunklen Raum.
Fast zeitgleich erhellt ein kleines Licht meine Aufmerksamkeit. Eine Gestalt sitz aufrecht auf dem Bett.
„Schön das du da bist." Er klopft neben sich auf die Matratze und ich setze mich zu ihm.
„Weißt du jetzt, was passiert ist?" Es ist jedes Mal die erste Frage, welche ich ihm stelle, sobald ich hineinkommen.

Er kratzt sich am Kopf und betrachtet mich. Seine dunklen Augen bohren sich in meine und ich versinke in der scheinbaren Unendlichkeit.
„Ehrlich gesagt, wusste ich es schon länger." Gesteht er.
Ich zucke nicht mal mit der Wimper. „Aber erzählst du es mir heute?" Frage ich.
Sein Blich schweift von der Ferne zurück zu mir. „Ich kann dir nur einen Teil erzählen. Den Rest muss dir Casey erklären, wenn sie es für richtig hält."
Leicht verärgert balle ich meine Hände. Ich will aber alles wissen.

„Aber..."

„Ich kann dir nur das sagen was ich darf, und dass weißt du." Ermahnt er mich.
Ich schaue zu Boden. Enttäuscht, aber auch wütend auf Ray.
Eine warme Hand berührt mein Kinn und zwingt mich, hochzuschauen. Aries lächelt.
„Hör einfach zu, okay?" Ich nicke und er zieht seine Hand zurück. Obwohl nur seine Hand warm war, fühlt sich die Luft sofort kälter an.

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