Der wunderschönste Traum

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Sand.

Woher ich das weiß? Ich bin in meinem Leben so oft am Meer gewesen. Von der Sonne gewärmten Sand an nackten Füßen würde ich jederzeit sofort erkennen. Das weiche, warme und kribbelige Gefühl, wenn der Sand zwischen den Zehen entlang rutscht. Der wärmende Untergrund unter den Sohlen und das feine Knirschen von winzig kleinen Kieselsteinen, aus denen Sand besteht, wenn man darüber geht. Langsam grabe ich meine Zehen in den Sand und ein leichtes Lächeln zierte meine Lippen und da spüre ich es.

Die Wärme der Sonne auf meinem Gesicht. Wie lange ist das her, dass ich dieses Gefühl gehabt habe?

Eine sanfte warme Windböe trägt den Duft des salzigen Meeres an meine Nase und ich blinzle in das Sonnenlicht. Sie geht gerade über dem Meer unter und der Strand und alles Umliegende sieht aus als hätte jemand ein hauchdünnes goldenes Tuch über den Strand gelegt.

Wie in Trance beuge ich mich zu meinen Füßen und greife mit den Fingern in den Sand. Angenehm warm rieseln die feinen Sandkörner durch meine Finger. Fasziniert sehe ich ihnen dabei zu, bis nur noch ein paar vereinzelte Körnchen in meiner Handfläche liegen. Sie haben es nicht bis zum Rand meiner Hand geschafft. Sie können nicht wieder in das große Meer an Sandkörnern zurückfallen. Sie sind auf meiner Handfläche gefangen.

Mit einem leisen Lachen – wann habe ich das letzte Mal ernsthaft gelacht? – klopfe ich die Körner von meiner Hand. Sie fallen in den Sand zurück. Fast so als würden sie sich beeilen wollen zurück zu ihren Schicksalsgenossen zu kommen. Als hätten sie dort unten Freunde und Familie, die auf sie warten.

Ich lächle amüsiert und sehe dann zum Meer. Goldorange schimmern die Sonnenstrahlen auf den Wellen. Sie scheinen förmlich über die Wellen zu tanzen, doch das Ufer erreichen sie nicht. Nur wenige blaue Meter trennen sie von dem weichen, warmen Sand.

„Oskar?"

Meine Nackenhaare stellen sich auf. Diese Stimme kenne ich. Sie war mir so vertraut und lieb, wie die meine. Ich höre sie gern und vor allem dann, wenn sie meinen Namen sagt. Immer wenn sie meinen Namen sagt.

Langsam, als hätte jemand die Zeit angehalten, drehe ich mich zu dem Ursprung der Stimme um. Dort stand er. Er stand einfach da und sieht mich mit seinem Blick an. Mit dem Blick, mit dem er mich immer angesehen hat. Ich bin mir sicher, dass ein zartes Lächeln seine Mundwinkel umspielte. Ich blicke ihn an.

Sehe ich wirklich gut aus? Ich will ihm gefallen. Ich will nicht, dass er denkt, ich sei abstoßend. Bloß nicht!

Wie von selbst bewegen sich meine Füße. Das Knirschen des Sandes von jedem Schritt dringt an mein Ohr. Immer schneller setze ich einen Fuß vor den Anderen. Immer mit dem Bedürfnis zu ihm zu gelangen. Ihn zu erreichen. Doch ich scheine ihm keinen Schritt näher zu kommen. Im Gegenteil. Er entfernt sich immer mehr von mir.

„Warte!".

Ich strecke meine Hand nach ihm aus. Doch ich greife ins Leere.

Er ist nicht mehr da. Er hat sich einfach so vor meinen Augen in Luft aufgelöst. Ich spüre den Kloß in meinem Hals wachsen. Meine ausgestreckte Hand zittert. Das Bild vom Strand verblasst vor meinen Augen. Ich kneife die Augen zusammen. Das einzige was zurück bleibt, ist das warme Gefühl der Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht.

Dass dieser Traum hätte mein Ende sein können, mein wunderschönstes Ende, wusste ich erst später...

In 2 Monaten bist du tot!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt