Twelve days Afterwards - Cold air of the night

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"Wo willst du hin?", fragte Jimin verwundert, als er sah, dass Yoongi trotz der zunehmend einbrechenden Dunkelheit drauf und dran war die Wohnung zu verlassen. "Ich geh mir nur schnell eine Limo kaufen, ich bin gleich wieder da." Natürlich erkannte Jimin die Fragilität die Yoongis Stimme anhaftete und auch sein aufgesetztes Lächeln konnte nicht über die Gebrochenheit hinwegtäuschen die in seinen Augen lag, tief versunken und verwirbelt und doch so dicht unter der Oberfläche. Doch er wusste, dass er Yoongi gewähren lassen musste, er wusste, dass er, egal wie gut seine Absichten auch waren, die Situation verschlimmern würde, wenn er Yoongi bei Dingen helfen wollte, über die dieser sich selber noch nicht ganz klar war, über die er einfach nur in Ruhe nachdenken wollte. Also tat er das einzige was er noch für Yoongi tun konnte, bevor er ihn gehen lassen musste. Er verstand. Er verstand wortlos was er sagen musste und das war nicht viel. Dennoch bedeutete es für Yoongi die Welt. "Ich liebe dich Yoonglez, das werde ich immer tun." "Ich liebe dich auch Jiminie.", erwiderte Yoongi, unter dem aufgesetzten Lächeln kam ein kleines, ehrliches Grinsen zum Vorschein, auch wenn es ein wenig von Trauer überschattet war, sie aber dennoch dominierte.

Er suchte die Dunkelheit der Nacht, die sich langsam über die belebten Straßen Seouls legte um jene Dunkelheit in seinem inneren zu eliminieren, einzudämmen und ihr eigene Unwichtigkeit zu zeigen. Er rannte in die Kälte um die Kälte seiner Gedanken zu vertreiben, er wollte das Gefühl des Erstickens mit dem Stechen der zu kalten Luft in seiner Lunge bekämpfen, wollte den Schmerz als Erinnerung daran haben, dass er noch lebte. Die klare Luft half ihm dabei die klare Ordnung seiner Gedanken durcheinanderzubringen, sie neu zu sortieren und zu vermischen, er bekam das Gefühl als würde sich alles in seinem Kopf in tausende Teile zersetzten und gleichzeitig zu einem Bild zusammenfallen. Vielleicht waren Gedanken in ihrer puresten Form auch einfach Bilder von Chaos, dachte Yoongi. Tausende Gedankenfetzten jagden durch sein Hirn als würden sie dafür bezahlt werden, sein Kopf fühlte sich zum platzten gefüllt und dennoch leer. Sein Körper kam ihm leicht vor, zu leicht, als wäre er eine Feder die unkontrolliert durch die Gegend schweben würde, doch im selben Moment fühlte er sich schwer, zu schwer, wie ein Stein der unweigerlich fällt, schneller und schneller. Zu schnell und doch zu langsam. Er nahm einen tiefen Zug der vitalisierenden Luft, die durch ihre Kälte brannte, in zu vielen kontrahären Zuständen verharrend und sich zugleich in ihnen bewegend als das er sie alle benennen konnte, er fühlte alles und nichts zugleich. Er wusste nicht einmal genau warum, auf einmal war das beklemmende Gefühl dagewesen, hatte alle schönen Gedanken aus seinem Kopf vertrieben, jedes Fitzelchen bunt mit tiefem schwarz bedeckt. Allerdings war er sich ziemlich sicher, dass die Ursache seines Rückfalls in längst vergessen geglaubte Gedankenmuster in Jimins Tod lag. Zwölf Tage waren eben nicht genug Zeit um schon hoffen zu wagen können über den Tod der wichtigsten Person in seinem Leben hinwegzukommen. Und egal wie sehr ihn Jimins Anwesenheit beruhigte so sehr irritierte sie ihn auch. Er brauchte einfach Zeit um nachzudenken, seine Ruhe in der Unruhe Seouls zu finden, vor der wilden Geräuschkulisse die es nur bruchstückhaft schaffte sich mit der Musik zu vermischen, die aus seinen Kopfhörern drang.

Als er den Supermarkt betrat hatte sich bereits ein kleiner Verdacht in den tiefen seiner unsteten Gedanken gebildete, der sich während des Ganges durch die Obst und Gemüseabteilung festigte und sich spätestens vor dem mit Milchprodukten gefüllten Kühlregal zu einer mehr oder weniger ausgereiften Theorie entwickelt hatte. Als er aus der angenehmen Wärme wieder in die klare Kälte trat, in seiner Hand eine Tüte, in der sich ein wenig mehr Sachen befanden als er ursprünglich zu kaufen geplant hatte, hatte sich die Theorie in seiner Gedankenwelt immer mehr als Wahrheit etabliert.

Doch er wusste nicht ob er verstand oder nur zu verstehen glaubte, die Komplexität erfasste oder doch nur vereinfachte. Das einzige was er ganz sicher wusste war, dass er nichts ganz sicher wusste.

Er würde Jimin fragen müssen und er würde Jimin fragen.

Er nahm einen letzten tiefen Zug der kalten, klaren Nachtluft, bevor er den Schlüssel in das altersschwache Schloss der Haustür steckte, die urplötzlich vor ihm aufgetaucht war, ohne das er sich erinnern konnte wie er hingegangen war. Es war ganz automatisch passiert. Weil er es immer tat.

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