Raucherpause

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„Wo willst du hin?“, fragte er, als er mir hinterherschaute. Ich machte einige Schritte um das Sofa herum, auf dem Weg zur Tür, als ich stoppte und mich schulterzuckend umdrehte.

„Luft schnappen.“ Und dann drehte ich mich wieder um und verließ den Raum, ging durch den Flur und machte mich auf zum Balkon. Ich wohnte im fünften  Stock, sodass ich einen guten Ausblick über mein Wohnviertel in Köln hatte, und somit auch einen passablen Blick auf den Kölner Dom erhaschen konnte. Ich lehnte mich gegen die Veranda und wühlte in der kleinen, viereckigen Dose auf dem verstaubten Tisch herum, auf der Suche nach der Schachtel  Notfall-Kippen, die ich dort für Anlässe wie diese versteckte. Normalerweise holte ich sie nur heraus, wenn ich alleine war und wenn ich absolut sicher war, dass ich unbeobachtet war, aber jetzt gerade war es mir egal, ob Dner es herausfand oder nicht. Ich brauchte jetzt einfach eine Zigarette. Ich grabte mir das Feuerzeug und zog eine der letzten drei Kippen  heraus, steckte sie mir in den Mund und zündete sie an.  Beim ersten Zug lehnte ich mich gegen die Wand und ließ den warmen Rauch meine Lungen erfüllen, schloss meine Augen und atmete aus meiner Nase wieder aus. Was sollte ich jetzt machen? Haben wir uns ernsthaft gegenseitig betrogen? Haben wir beide uns in derselben Nacht hintergangen? Und das, obwohl wir uns geschworen haben, so etwas niemals zu tun? Ist das noch das, worauf wir unsere Beziehung aufgebaut hatten? Ich zog ein weiteres Mal und ließ mich von der tödlichen Substanz beruhigen. Ich war verwirrt. Mehr als das. Ich war völlig am Ende mit meinen Nerven. Und überfordert. War das überhaupt noch Liebe, wenn wir beide zu so etwas fähig waren? Ich starrte über den Balkon hinüber über die Dächer der Nachbarschaft und betrachtete die Spitzen der beiden Türmer des Doms, die beiden ewigen Baustellen Kölns, und ich zog ein weiteres Mal, und langsam machte sich ein sanftes und ruhiges Gefühl in mir breit. Und gerade als ich wieder ausatmete, klopfte es hinter mir an der Scheibe, und Felix trat mit einem Schritt auf die Veranda zu mir, seufzend und Kopf schüttelnd.

„Hast du nicht gesagt, du hättest aufgehört?“, sagte er mit einem betrübten Blick, wohl mehr als enttäuscht.

„Hattest du nicht gesagt, du würdest mir nicht fremdgehen?“ Mir war es nicht einmal rausgerutscht. Und dieses knallharte Selbstbewusstsein traf ihn wie ein Pfeil in seine Brust, kaum mehr fähig auch nur zu antworten. Stattdessen starrte er mich nur an, während seine Augen allmählich zu glänzen anfingen.

„Ich…“ begann er, welches schließlich auch alles war, was er herausbrachte.

„Ich glaube,“, ich drehte mich zu ihm herum, die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger gedrückt, „dass irgendetwas kaputt gegangen ist in letzter Zeit. Ich weiß nicht was es ist, aber das ist doch offensichtlich.“ Dner schaute verletzt auf den Boden. „Und letzte Nacht war wohl der Beweis dafür. Wir können so nicht mehr weiter machen. Zumindest kann ich es nicht mehr…“ Und erst als ich es aussprach, stach etwas in meiner linken Brust. Und dann erst wurde ich selber ruhig.

„Du meinst, du willst Schluss machen?“ Er schaute mich immer noch nicht an.

„Ich meine, eine Pause wäre vielleicht das sinnvollste…“ Und plötzlich war ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob es das war, was ich überhaupt wollte.

„Meinst du das im Ernst?“ Diesmal hob er seinen Kopf und schaute mir direkt in die Augen. Und als ich in seine schaute, diese, die so feucht und glänzend waren und mich mit einem so stechenden Blick anstarrten, konnte ich nicht anders, als wieder wegzusehen. Nein, ich meinte es nicht Ernst. Ich wusste überhaupt nicht, was ich meinte. Ich wusste nicht, ob ich Schluss machen wollte, ich wusste nicht, ob ich mit ihm zusammen sein wollte, ich wusste nicht, ob ich Dner brauchte oder Izzi, ich wusste einfach gar nichts.

„Ich brauche eine Nacht zum Nachdenken.“, sagte ich schließlich, und diesmal schaute ich ihn an.

„Du weißt, dass morgen das Projekt ist?“

„Ja.“ Genau das war es ja. Ab morgen war er weg. Ab morgen war ich vielleicht auch weg. Vielleicht würde sich ab diesem Moment alles ändern. „Ich weiß das.“

„Okay.“ Er atmete tief durch. „Dann lass ich dich wohl in Ruhe, was?“ Man könnte erwarten, dass er sauer war, doch das war er nicht. Im Gegenteil, er sprach ruhig, wenn nicht sogar bedrückt. Ich nickte nur und dann ging er, und als er das  Apartment verließ, drückte ich meine Zigarette aus. 

Mit Dir  || Izzi • DnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt