Taddl hatte Recht gehabt. Die platt gelatschten Füße und der ewige Durst bei der Suche nach einem netten Cafe waren es definitiv wert, den Tag nicht in unserem Zimmer zu verbringen. Zwar war es immer noch ein seltsames Gefühl, nach unserer Auseinandersetzung gemeinsam mit Dner durch die Straßen Zürichs zu laufen und zuzusehen, wie er und Izzi hin und her jumpten und gemeinsam ihre Vlogs drehten, aber das war schnell vergessen, nachdem Ardy mich huckepack auf seinen Schultern gehoben und mich den kompletten Weg zum See getragen hatte. Flo zeigte mir irgendeinen tollen neuen Stunt auf seinem Longboard und Kluge hatte irgendein seiner Meinung nach geniales Restaurant für heute Abend herausgefunden, welchem wir einfach mal zustimmten, da wir hier eh nichts Besseres gefunden hätten. Hin und wieder holte ich meine Cam heraus und drehte einige meiner Meinung nach interessante Szenen für ganz passables Videomarterrial und holte mir zusammen mit Hallodri, Ardy und Taddl bei der nächsten gut aussehenden Eisdiele je drei Kugeln Eis, veranstaltete dann noch ein Wettrennen bis zum Bahnhof und ging dann noch mit Izzi und Flo für etwa eine knappe Stunde shoppen. Alles was jedoch bei dem kurzen Einkaufsstopp bei rauskam, war nicht mehr als ein paar Getränke, Snacks fürs Zimmer und ein kurzes, schlichtes Shirt für wenn wir weiter gen Süden fahren, außer bei Izzi, der sich noch schnell eine Vorratstube Haarspray besorgte „Für den Fall, dass es auf das wie letztes Mal hinausläuft“. Am Ende dann trafen wir uns wieder allesamt am Bahnhof und ließen uns von Kluge führen, der, wie er es ja behauptet hatte, das allertollste und feinste Restaurant überhaupt ausgespäht habe, nur mal so als Alternative zu McDonalds und dem ewigen Aufenthalt bei KFC (womit ich eigentlich gar kein Problem hatte). Als wir dort schließlich angekommen waren und es allmählich dämmerte, mussten wir alle jedoch zugeben, dass es eigentlich gar keine so schlechte Wahl war. Das Essen sah gut aus, schmeckte sogar gar nicht mal so schlecht und ansonsten waren wir ohnehin alle zufrieden, weil wir schon seit Stunden am Hungertod grenzten. Zurück im Hotel versammelten wir uns dann noch eine ganze Weile entweder unten in der Lobby oder bei Flo und Hallodri im Zimmer, quatschten, aßen oder schnitten unsere Videos, während einige (so wie Dner und später auch Taddl) die Zeit nutzten, um einfach schon mal auf dem Bett einzuschlafen, und verteilten uns weit nach Mitternacht dann wieder in die ursprünglichen Zimmer, wo Izzi und ich dann noch die fertigen Videos hochluden.
[Erinnerungen]
„Voll merkwürdig irgendwie jetzt.“, sagte ich, als ich nervös meine Hände knetete und nicht wusste, ob ich mich freuen oder ob ich Angst haben sollte.
„Ach quatsch, findste?“ Izzi lachte und ließ sich auf dem flauschigen, weißen Sofa neben mir fallen, bevor er sich nach vorne beugte und ein Glas Cola von dem Tisch vor uns nahm.
„Ja.“ Ich schaute auf die Uhr vor uns und überlegte, ob ich nicht einfach kurzfristig abhauen sollte. Ich könnte mir ja ne Ausrede einfallen lassen. Musste spontan zu einer Freundin, hab auf einmal voll die heftigen Regelschmerzen, hab – oh ups – ja noch nen Zahnarzt Termin den ich total verpeilt habe, ich Tollpatsch, oder… nein, Izzi würde sofort merken, wenn ich lüge. Wem machte ich was vor. „Es ist nur so, dass ich ihn aus den ganzen Videos schon kenne und alles, und er mich einfach zum ersten Mal sieht. Ich weiß voll nicht, wie ich reagieren soll.“
„Ach hab dich nicht so. Ich meine, bei mir hast du ja auch nicht so reagiert.“, sagte Izzi und grinste.
Ich drehte mich zu ihm um und verdrehte die Augen. „Ist das dein Ernst? Sorry, aber beim Studium hab ich mich eher aufs Lernen als aufs fangirlen fokusiert. Sorry, dass ich in der Uni nicht gleich hyperventiliert habe, wenn ich dich gesehen hab.“
„Jaja pscht.“ Er zwickte mich in der Hüfte und schmiss mich seitlich auf das Sofa, drauf und dran mich wieder überall dort zu kitzeln, wo er ganz genau wusste, dass ich es hasste.
„Wag es JA nicht!“ Ich erhob eine Hand und fing an zu lachen.
„Sonst was?“ Er grinste, und kaum setzte er mit der Qual an, klingelte es schon an seiner Haustür.
„Oh shi-“ Ich setzte mich ruckartig auf, zuppelte an meinem Oberteil und versuchte, meine Haare zu richten, bevor mir auffiel, wie Izzi mich anstarrte und schmunzelte. Verdammt.
„Das… ich hab nicht…“, versuchte ich mich zu rechtfertigen, doch sein Grinsen wurde nur noch breiter.
„Du willst ihm gefallen, was?“
„Ich waaas wie kommst du darauf hä nee?!“
Izzi fing als Antwort nur lauthals an zu lachen und nickte eine Art von Nicken, das mehr als deutlich „Is klar“ ausdrücken sollte, und machte sich auf zur Tür, wo er schon seinen Gast begrüßte. Gott, war ich nervös. Und ich schämte mich, zugeben zu müssen, dass Izzi mit seiner Vermutung verdammt goldrichtig lag. Er hingegen kam wieder zurück ins Wohnzimmer, dicht gefolgt von dem, in dessen Augen ich kaum schauen konnte, und der in diesem Moment den Raum betrat, ein so breites Grinsen im Gesicht, wie ich es kaum hätte beschreiben können. Er blieb vor mir stehen und streckte seine rechte Hand aus, während er sich mit der linken durch die Haare strich, und sagte mit einer überfreundlichen, ruhigen Stimme die ersten Worte, die er je zu mir sagte: „Hey, freut mich dich auch endlich mal kennenzulernen. Ich bin Felix.“