"Anders rum."
"Was?"
"Du musst in die andere Richtung drehen." Izzi lächelte mich liebevoll an, während sich seine Stirn langsam leicht verwundert zusammenzog und sein Blick an meinen Händen klebte. Ich versuchte vergeblich, bei der Dunkelheit das Schlüsselloch zu finden, und vergaß aus Nervosität direkt, wie dieses funktionierte. Schuld daran war niemand anderes als er. Der Kerl, der mich so aus der Fassung brachte, dass ich mich nicht einmal auf so belanglose Dinge konzentrieren konnte, wie es das Aufschließen von Türen verlangte.
Blöder Izzi.
Ich drückte das silberne Ding ein weiteres Mal in das dafür vorgesehene Loch, als Izzi seufzend einen Schritt näher tat und seine Hand auf meine legte. Verwirrt schaute ich zu ihm hoch, bevor ich bemerkte, wie er an meiner Stelle den Türknauf drehte und die ratternde Eingangstür offen schob.
"Du bist ja ganz kalt.", stellte er fest und schob meine Finger von dem Metallknauf hinunter in seine Handfläche, wo er mit seinem Daumen meinen vorsichtig warm zu reiben versuchte und mich schließlich an seiner Hand hinein in den Hausflur zog. Dort war es allerdings nur minimal wärmer, abgesehen von dem fehlenden Sturm, der gerade draußen zu toben begann.
Es war ungewohnt. Fast befremdlich. Die plötzliche Stille nach dem Schließen der Tür, die uns von dem Krach der herumschleudernden Blätter abschottete, das schwache Licht, das unter der ersten Apartmenttür des Erdgeschosses hervorlinste, und das Zögern von mir und Izzi, als wir händehaltend an der Wand standen und uns wortlos in die Augen sahen. Ungewohnt. Nicht die Tatsache, dass ich hier in dem Flur stand, mit Izzi als meinen besten Freund. Es war die Tatsache, dass ich hier an der Wand gelehnt stand, mit Izzi als die Art von Mensch, bei dem die Welt um einen herum begann, durch all seine unzähligen Farbspektren zu verlaufen. Rot, gelb, violett, weiß, rot. Es leuchtete. Und dieses Leuchten erdrückte die Stille in diesem Flur, das Rauschen und Poltern vor der Tür. Und es wärmte mich. Es kribbelte und schoss durch meine Fingerspitzen, hinauf durch meinen Oberkörper, direkt in mein Herz. Es war beinahe...
"Donnerwetter, ist das ein Sturm!" Ohne Vorwarnung öffnete sich die Haustür, bevor kurz darauf mein älterer Nachbar hineingebrettert kam und somit meinen viel zu romantischen Gedankengang beendete. Oder zumindest sein Rollator. Ich schielte zur Seite, als der Kopf von Herr Schliesing schnaubend durch die Türöffnung spähte und er meckernd mit einer Hand das Wasser von seiner Stirn strich. Offenbar hatte es nun zusätzlich zu dem Wind angefangen zu regnen und ich war mehr als froh darüber, dass wir nicht noch ein paar Minuten länger dort draußen geblieben waren.
"Was machen Sie denn auch um die Uhrzeit noch da draußen?" Ich drehte mich zu dem armen Mann um und half ihm dabei, seinen Rollator so schnell es ging in den Hausflur zu befördern, bevor er schließlich eintreten und die Tür ins Schloss fallen lassen konnte. Er schüttelte immer wieder seinen Kopf und verteilte somit unbeabsichtigt das ganze Regenwasser um sich herum, sodass ich unbemerkt einen Schritt zurück trat und ein paar Tropfen von meiner Wange strich.
"Frische Luf schnappen!", pampte er mich direkt und knapp an, ohne mir auch nur ins Gesicht zu sehen. Er drehte sich buckelartig einmal im Kreis, auf der Suche nach seiner Gehhilfe, und griff es dann ebenso schnell, wie er hereingekommen war.
"Gehen Sie doch nächstes Mal einfach, wenn es noch hell ist.", schlug Izzi mit einer derart sanft freundlichen Stimme vor, dass ich beinahe beleidigt war, dass er besser mit meinen Nachbarn umzugehen wusste, als ich.
"Ja ja, das werde ich wohl." Er schob seinen Rollator an uns vorbei zum Fahrstuhl, bevor er sich umdrehte und Izzi mit einem äußerst skeptischen Blick musterte und schmatzte. "Sagen Sie mal, wohnen Sie hier?"
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