Die Bautzener Verkündungen waren erfolgt!
Die Boten waren auf den Wegen.
Und weitere Nachrichten hatten Bautzen erreicht- Nachrichten aus den polnischen Landen.
Zum einen waren es Botschaften von König Boleslaw Chrobny an seine Tochter Reglindis und auch an Herrn Hermann's Vater.
Zum anderen hatte es auch Nachricht für Frau Lieschna von Masowien gegeben und sogar eine Mitteilung an Fräulein Nerin.
Das edle Fräulein Lieschna, welche als die erste Vertraute von Herrin Reglindis galt, wurde aus Reglindis Gefolge durch den polnischen König entpflichtet und begab sich direkt von Bautzen aus zurück in die nahen polnischen Besitzungen. Herrin Reglindis war hierüber sehr betrübt.
Zudem wurde durch einen Geistlichen an Fräulein Nerin mitgeteilt, dass Sie vom Verlöbnis mit dem polnischen Herrn entbunden sei, da Gott den armen Rittersmann zu sich in die himmlischen Heerscharen befohlen habe. Gefühlvoll suchte der polnische Geistliche die edle Nerin in ihrer Trauer zu stützen und durfte für die Familie des Verstorbenen erklären, dass die bereits überlassenen Privilegien an den Fürsten Berogast ohne weitere Gegenleistungen erlassen werden.
Während Nerin sich hierüber im Stillen und auch voller erklärter Trauer mit Dank an die Familie des polnischen hohen Verblichenen erklärte, so schien sie innerlich befreit und besorgt zugleich zu sein. Denn obschon sie nun von dem Eheversprechen des Linonenfürsten an die Polen entbunden war, so trug Nerin innerlich die Besorgnis, dass ihr Vater sie in ein neuerliches Ehebündnis einbestellen würde- wenn er ihr nicht sogar nahelegte, was nicht unüblich erschien in den hohen Kreisen, sich Gott anzuvermählen.
Die Herrin Reglindis stand Nerin in ihren Sorgen ebenso bei, wie Fräulein Sania.
Nerin ging Larno aus dem Weg, seit Sie in Bautzen die neuen Nachrichten erhalten hatte. Man sah Nerin nur zu den Mahlzeiten nahe bei der Herrin Reglindis oder zu den täglichen Kirchgängen.
Doch private Worte konnten Nerin und Larno dieser Tage nicht austauschen.
Larno war besorgt um die Fürstentochter, zumal sich Nerin's Sorgen um ihre ungewisse Zukunft auch darin zeigte, dass sie wenig Appetit hatte und der innere Gram die edle Nerin aufzuzehren schien. Ganz abgemagert wirkte die ohnehin schon sehr schlanke Nerin.
Und würden nicht Reglindis und Fräulein Sania um sie sein, so wäre Larno in noch größerer Sorge.
Nach Rückkehr in Meißen gab Herrin Reglindis an Nerin ihr Einverständnis, zur Klärung ihrer Angelegenheiten an den Lenzener Fürstenhof zurückkehren zu dürfen. Doch solle Sie danach eilen, um an die Burg Genea zu reisen. Die junge Herrin Reglindis wollte ihre Hofdame und Vertraute für die Vorbereitung der Vermählung nahe bei sich wissen.
Zu gern hätte auch Larno die neue Heimat in Bojek wieder gesehen oder zumindest Nerin begleitet, allerdings gestatteten dies weder Reglindis noch Hermann. Doch gab nun Larno den Biello zum Schutz von Fräulein Nerin mit, denn auch Biello wollte die Lenzener Heimat wiedersehen.
So verabschiedete Larno die junge, schöne Fürstentochter mit all ihren Sorgen eben dort, wo man vorher den arglistigen Herrn Radomir auf einen Fährkahn gebracht hatte- am Ufer der Elbe.
Das Schiff, welches Nerin und Biello den Fluss abwärts bringen sollte, war ein guter, neuerer Kahn aus dem Besitz der Ekkehardinger selbst. Waren für Magdeburg waren dabei und auch bis weiter nach Hamburg sollte der Kahn die Waren mitnehmen.
Das für Fräulein Nerin ein gesondertes Quartier geschaffen wurde, davon überzeugten sich Biello und Larno am Tag vor der Abreise.
Biello hatte Unbehagen- hier auf dem Wasser. Es gefiel ihm nicht, doch würde er so viel schneller nach Hause gelangen, als über Land.
Es fiel Larno schwer nun Nerin zu verabschieden.
Als er hier am Anlieger nur fragte, „Wie geht es Euch, edle Nerin? Ich möchte gestehen, dass ich Sorge um Euch bin, daher gestattet mir bitte diese Frage.", so überkam es Nerin und Tränen flossen.
„Was soll werden? Ich weiß es nicht Larno. Und es betrübt mich."
Die weinende Nerin hätte Larno zu gern an sich gedrückt. Man hatte so viel gemeinsam erlebt- zu viel gemeinsam durchgestanden. Doch es durfte nicht sein, die Ehre der Fürstentochter untersagte derartige Zurschaustellung der Verbundenheit.
War es denn nur 'Verbundenheit'?
Larno empfand mittlerweile mehr für diese junge, sympathische und sonst so lebensfrohe Frau.
„Ihr werdet sehen, wie sich hoffentlich Alles für Euch fügt. Da bin ich mir sicher. Ihr seid so stark bisher gewesen. Vertraut auf Eure innere Stärke.", gab Larno daher aufrichtende Worte.
„Wenn ich daheim bin, so werde ich all Eure Freunde in Bojek grüßen. Vielleicht finde ich die Zeit mit meinem Bruder Beromir einmal dorthin zu reiten. Die größten Sorgen bereiten mir die Angelegenheiten, die Vater zu entscheiden hat. Doch hoffe ich, es wird zu meinem Besten sein. Unseren Verdacht gegen Herrn Radomir werde ich allerdings weder Vater noch anderen Leuten offen kundgeben. Zu wenig ist über dessen Beweggründe bekannt."
„Wir werden uns wiedersehen! Ich hoffe darauf- auch, dass es Euch dann besser geht. Schöpft Kraft in Lenzen."
Als Nerin auf die Planke trat, um auf das Schiff zu gehen, da gab es diesen Moment verstohlener Vertraulichkeit als Larno ihre Hand festhielt, um ihr Halt zu geben. Und es hatte für Larno ein Glücksgefühl, diesen kurzen Moment Nerins schmale Hand halten zu dürfen.
Ob sie es auch so empfand?
Nerin's Abschied blieb auch dann noch tränenreich- und selbst als der Kahn sich zur Strömung in den Fluss hinein preisgab und voller Sachtheit mitgetragen wurde, war Nerin an Deck und weinte.
Larno mochte nicht mehr hinschauen, so nahmen ihn Nerin's Sorgentränen die Luft zum freien Atmen und Reden.
Ein Stück folgte er noch dem Kahn, winkte ihr ab und an noch aufmunternd zum Abschied hinterher.
'Was soll nun werden, Nerin?'- dies fragte sich Larno ebenfalls.
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- Larno- Im Ränkespiel der Macht
Ficción históricaIm Jahr 1001 gelingt es den vor Gewalt und Knechtschaft geflohenen Brisanen bei dem elbslawischen Linonen eine Zuflucht zu finden. Die Flüchtigen können ein neues Leben aufbauen. Doch im Ränkespiel der Mächtigen geschehen seltsame Dinge- manche Gesc...