Die Gefüge der Macht

80 9 0
                                    

Nach mehreren Tagen hatte man den Heerestross eingeholt. Zwei Tage danach konnte man das Lager des polnischen Herrschers an einer Seenplatte nördlich der Burgsiedlung Bautzen ausmachen.

Hatte Larno gehofft, vorgelassen zu werden, so blieb ihm dies fürs Erste noch versagt. 

Stattdessen kamen stetig Kurierreiter ins Lager, um neue Begebenheiten dem König und seinen Beratern zu berichten. An den Lagerfeuern konnte man nach und nach auch etwas erfahren, was sich in diesen Tagen im mächtigen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zutrug.

Es gab einen Machtkampf, der zumindest im Moment ungelöst war. Bestätigt war die Nachricht nun durch viele Münder: Kaiser Otto der III. war in der italienischen Burg Paterno nahe Rom im Januar 1002 bereits verstorben. Das Leichengeleit, welche den Leichnam des Kaisers nach Aachen zur feierlichen Beisetzung zu bringen hatte, wurde offenbar nach der Alpenüberquerung in Bayern durch den dortigen Herzog Heinrich IV. von Bayern empfangen. Durch anfängliche große Besorgnis und späterhin List und Tücke gelang es hierbei dem Bayernherzog, die kaiserlichen Insignien der Macht fast vollständig in seinen Besitz zu nehmen. Nur die wichtigste Insigne und Reliquie fehlte darunter- die heilige Lanze. Wohl aus Zorn hierüber und weil der edle Heribert als kaiserlicher Kanzler und zugleich Erzbischof von Köln, welcher den Trauerzug anführte, ihm nicht auf seinen Anspruch huldigte und die Lanze herausgab, wurde Heribert durch Heinrich von Bayern in Haft genommen. Während der Augsburger Bischof, welcher Herzog Heinrich zugetan war, sich offen für dessen Nachfolge auf den Thron des Reiches ausgesprochen hatte, verweigerten bislang andere Fürsten eine Parteinahme für den Bayern. 

Denn neben Heinrich von Bayern gab es weitere Kandidaten und Anwärter für eine Nachfolge. Mit geringer Aussicht der polnischen König Boleslaw I. Chrobny im Machtkaumpf. Hier war es allen voran der Herzog Hermann von Schwaben, der berechtigte Ansprüche erheben konnte. Ebenfalls der Markgraf Ekkehard von Meißen, welcher als große Stütze des Kaisers galt und neben dem Liudolfinger Heinrich von Bayern, dem Grafen Brun von Braunschweig und auch Ezzo von Lothringen wohl ein aussichtsreicher Anwärter auf den Thron des Ottonen war.

König Boleslaw schien beinahe die Position eines Außenstehenden in diesem Machtkampf inne zu haben, wenn man den Boten aus den deutschen Landen glaubte. Da der Anspruch auf den Königsthron des Reiches seit Generationen von den Sachsen gestellt wurde, zu welchen die Ottonen gehörten, schien sein Anspruch auf die Reichskrone wohl eher gering. Wenn Boleslaw Chrobny dies glauben und akzeptieren musste, so wollte er zumindest mit dem Markgrafen Ekkehard von Meißen einen starken Verbündeten auf den deutschen Thron bringen. Und auch die Sachsen- kirchliche wie weltliche Herren dort- allen voran Herzog Bernhard I. von Sachsen- unterstützte dieses Bewerben.

Boleslaw Chrobny und Ekkehard verbanden nicht nur die Bande langer Freundschaft. Vor über zehn Jahren war es Boleslaw, der den deutschen Edelmann aus der Gefangenschaft der Lutizen durch Vermittlung befreite und damit Ekkehards Leben rettete. Zudem bestand nun ein Blutsbündnis zwischen den polnischen Piasten und den Ekkehardingern, da Ekkehards Sohn Hermann die Tochter Reglindis aus Boleslaws Händen zur Gemahlin bekam. Ekkehard von Meißen hatte unter den deutschen Fürsten viele Fürsprecher, da er sich in den Feldzügen des Kaisers Otto III. als hervorragender Heerführer und Staatsmann bewiesen hatte. Auch war Ekkehard der Herzog von Thüringen.

Doch schien es, dass der Herzog Heinrich IV. von Bayern- mit großen Versprechungen und Geschenken- sich als deutscher König schnell einsetzen lassen wollte. Viele Gerüchte gingen darüber im Lager um. Gerüchte über gekaufte Fürsten und mit Güterversprechungen willig gestellte kirchliche Würdenträger waren an der Tagesordnung- es waren so viele, dass man es kaum zu glauben vermochte.

Auch wenn es Larno nicht betraf, so war es jedoch sein Lehnsherr König Boleslaw, der durch die Nachrichten bekümmert und besorgt sein musste. Jeder Gefolgsmann des polnischen Königs- so auch Larno selbst- verspürte innerliche Gefühle der Enttäuschungen und der Missachtungen der polnischen Interessen. Manch einer sprach sogar vom Verrat des Bayernherzoges Heinrich am polnischen Mitkönig- zumal es auch Heinrich von Bayern war, der offen die Königswürde Boleslaw I. Chrobny vollens mit den damit einhergehenden Privilegien in Rede stellte.

- Larno- Im Ränkespiel der MachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt