Die Kuckenburg lag eine halbe Tagesreise nördlich der Burg Genea. Sie war außerordentlich großflächig gebaut, daher verglich Larno wohl auch deren Größe mit der Fürstenburg in Lenzen.
Durch eine große Vorburg- welche so verwahrlost erschien, dass man den Schutzzweck zum nach Osten lang abfallenden hang in Frage stellen konnte- gelangte man durch ein Stein- gegründetes breites Torhaus in die innere Kernburg.
Hier bot sich den Besuchern ein gänzlich anderes Bild, als in der Vorburg. Allein schon die hier errichteten Steingebäude des Palas und die steingemauerte Kirche- welche es in dieser Größe und Herrlichkeit mit Kirchen auf kaiserlichen Pfalzen aufnehmen konnte- ließen erkenne, dass die Kuckenburg ein bedeutendes Machtzentrum hierzulande war.
Nach dem Befragen einiger Knechte brachte man in Erfahrung, dass Graf Esiko wohl in der Badestube zu finden sei und nicht wünsche, dort gestört zu werden.
Voigt Manfred scherte sich nicht darum. Er ließ sich den Weg zeigen und schritt forsch voran. Da Stanielub und der andere Knecht der Geneaer Burgwache sich um die Pferde kümmerten, folgte Larno dem Herrn Manfred ungefragt nach.
Herr Esiko und ein lothringischer Adliger, welcher sein Gast war, wurden bei frivolen und wenig sitsamen Dingen in der Badestube nahe dem Palas angetroffen. Zwei jüngere Mägde schienen dem Grafen und seinem Gast hier in vielerlei Dingen zu Diensten zu sein. Auch Dinge, die jeden Kirchenmann hätten erstarren lassen- und dies geschah zudem am helligten Nachmittag.
Voigt Manfred von Genea war wenig erfreut, den Grafen so sorglos und unbekümmert anzutreffen.
Auch wenn Larno als einziger Beistand nur wortlos neben Voigt Manfred stand, so war dem Voigt anzumerken, wie unangenehm es Voigt Manfred darum war, Graf Esiko und seinen Gast mit den wenig bekleideten Mägden und unsittsamen Geschehen antreffen und stören zu müssen.
Der junge Graf Esiko, dem die Kuckenburg wohl durch Herrn Gunzelin erst vor drei Jahren anvertraut wurde, machte gegenüber dem Voigt Manfred grobe Scherze und entstieg danach nackt und unbekümmert seinem warmen Zuber- Bad.
„Sieh an, Sieh an. Ritter Manfred. Hättet ihr Euch angekündigt, so hätte ich für Euch noch einen Zuber füllen lassen!", frohlockte der Graf mit müdem Blick. Offensichtlich zog es ihn wohl mehr auf ein Schlaflager bei den Mägden, als zu erwartbaren Disputen mit Voigt Manfred. „Und wer ist dieser Mann? Etwa ein Slawe? Euer stattlich aussehendes Liebchen vielleicht gar?"
Die Beleidigung kränkte Manfred. Er schäumte vor Wut- so, wie es der Graf Esiko wohl beabsichtigt hatte.
„Das tut nichts zur Sache, Esiko, doch Herr Larno hier ist slawischer Rittersmann im Dienst der polnischen Prinzessin und des Herrn Hermann. Beleidigt uns nicht. Ich habe indessen einige Fragen und Belange mit Euch zu klären. Im Auftrage des Markgrafensohnes!", schrie Manfred gestreng heraus. „So liegt Beschwerde von Bischof Hugo vor, der Euch Nachlässigkeiten und Verzug anmahnt, da versprochene Zehnte nicht seinen Sitz erreichen. Wollt ihr Euch dazu erklären?"
„Ich will Euch gar nichts erklären. Und Euch bin ich keine Rechenschaft schuldig. Herr Gunzelin kann mich fragen zu diesen Dingen seines Allodiums unter meiner Verwaltung. Und wenn der Bischof anmahnt, so soll er selbst vor mich treten. Es klingt mir fast so, als wolle man mir etwas anhängen. Lästereien könnten mich im Gegenzug schnell veranlassen, den Schiedsspruch des Markgrafen Ekkehard einzufordern- und Ekkehard ist weit weg in Italien, wie ihr wohl wisst."
Mit dieser Drohung warf sich Graf Esiko ein Hemd über und bedeutete seiner Dirne und der dienstbaren Magd seines Gastes, aus der Badestube zu gehen.
„Und noch eines, Manfred. Vergesst bitte nicht, dass ich ein Graf von Abstammung bin. So geht in die Halle des Palas und wartet dort auf mich. es sei denn, ihr wollt mein blankes Arschloch sehen, wenn ich mich schon eilen muss beim Anziehen." Mit großen aufgerissenen Augen und provozierendem Blick- auch zu Larno- fuhr Graf Esiko den Voigt Manfred an.
DU LIEST GERADE
- Larno- Im Ränkespiel der Macht
Ficción históricaIm Jahr 1001 gelingt es den vor Gewalt und Knechtschaft geflohenen Brisanen bei dem elbslawischen Linonen eine Zuflucht zu finden. Die Flüchtigen können ein neues Leben aufbauen. Doch im Ränkespiel der Mächtigen geschehen seltsame Dinge- manche Gesc...