Die meisten Schnitte waren nicht sehr tief. nur hin und wieder sprangen die verkrusteten Wunden wieder auf und kleine Blutstropfen setzten sich in dem Shirt, welches Yoongi gerade trug, fest als sie in Richtung MV Set fuhren.
Jimin blickte zu ihm hinüber und sah das rot durch das grüne Shirt schimmern, welches ihn an die vergangenen Jahre erinnerte, an das grün das Nachts dunkler wurde wenn sich der Tag bei den Verrückten verabschiedete und die Anstalt in tiefes grün getaucht wurde. „Es tut mir so leid", flüsterte er als er sah wie sein Hyung immer wieder unter Schmerzen aufstöhnte. Dieser Klang drang tief in sein Herzen ein.
In Yoongis blick war etwas klar und deutlich zu erkenne, Traurigkeit. Traurigkeit die auf den Jüngeren übersiedelte und ihn befleckte, wie die einzelnen Blutstropfen das reine Shirt auf Yoongis Haut.
„Du musst etwas unternehmen, Jiminie. Versprich mir das du zu einem Arzt gehst!", erklang die dunkle Stimme de Rappers.
Ein Nicken reichte ihm als Antwort und er schöpfte Hoffnung. Für eine unbeschwerte Zukunft, die gestern noch unmöglich schien.
„Mensch Jungs, das wurde auch Zeit, was habt ihr die ganze Zeit getrieben", fragte Namjoon leicht erbost. Mit seinen Augen erblickte er die Nässe auf Yoongis Shirt. Seine Augen wurden groß und eine weitere Frage, die beide noch mehr überfordern sollte, erklang: „Was ist passiert, ist das Blut?!" Mit einem seiner Finger streifte er sanft über die Flecken und Yoongi ging sogleich einen Schritt zurück. „Na ja, ähm...", stotterte Jimin und wurde erlöst durch die Worte des Rappers. Er und der Falke wurden beschützt, von demjenigen den sie bestraften, den Jimin liebte und dafür vom Falken gehasst wurde. „Ich hatte einen Unfall, ich bin in der Dusche ausgerutscht und durch die Glasscheibe gestürzt". Eine Lüge der weitere folgen sollten bis niemand mehr die Wahrheit kannte oder vielleicht auch nicht wissen wollte.
Namjoon wusste nicht was er davon halten sollte. Jimin senkte seinen Blick als ob er sich schämen würde und Yoongi stand wie eh und je selbstsicher vor ihm, mit einem Gesichtsausdruck als würde er ihm den Stinkefinger zeigen wenn er weiterhin Fragen stellen würden. „Komm mit, Yoongi Hyung. Das muss sich jemand ansehen und verarzten.", sagte er und zog den Älteren behutsam mit sich. Jimin wollte ihnen folgen, doch die Worte die ihn trafen sagten ihm das er unerwünscht war. „Nein, du nicht Jimin- ssi, du kannst schon mal in die Maske gehen, wir hängen sowieso schon im Zeitplan hinterher."
In der Garderobe angekommen ließ Namjoon Yoongi los und deutete ihm an sein Shirt anzuheben. „Mach schon", sagte er, „Ich will sehen ob du nicht besser zu einem Arzt gehst und ich das an PD weiterleiten muss. Wenn die Wunden immer noch bluten muss das vielleicht genäht werden".
Yoongi wusste genau das es dem Leader nicht nur darum ging. Fieberhaft überlegte er wie er es ihm erklären konnte, wie er ihm verdammt nochmal sagen konnte, was er selber nicht verstand. Es ist schwer zu akzeptieren das jemand krank ist. Aber es ist noch schwerer zu erkennen, warum er krank ist. Er wünschte sich so sehr, dass er Jimin endlich würde verstehen können, dass er durch ihn hindurch schauen könne, wie durch das Glas durch das er gezerrt wurde und seine Seele, seine Gedanken wie ein Spiegel seiner selbst wären.
Langsam machte er sich daran das Shirt zu heben, doch der Stoff klebte bereits widerwillig an seiner Haut und riss so ein paar der Krusten ab. Neues Blut drang aus den Wunden und zierte glänzend seinen Oberkörper.
Namjoon starrte ihn nicht an, im Gegenteil. Als er ihn ansah schloss er seine Augen für Bruchstücke von Sekunden, in denen er dachte es wäre nicht real. Als er sie wieder öffnete und sein Blick erneut auf Yoongis starke und zerschnittene Brust fiel, wurde ihm jämmerlich klar das es mehr als real war, es war zum greifen nah, die Wahrheit war so nah wie noch nie. Er konnte nicht reagieren, konnte nicht agieren. Jetzt erreichten ihn ebenfalls die trüben und traurigen Augen seines Hyungs. Der Leader übernahm das schmerzliche Gefühl und fragte so leise das er es selber fast nicht verstehen konnte: „Warum? Warum hast du nichts gesagt?"
„Was soll ich denn sagen? Es war ein Unfall, weiter nichts", antwortete Yoongi, der dabei war sich das Shirt wieder überzustreifen.
„Ich bin noch nicht fertig, lass das Shirt aus und dreh dich um", zischte Namjoon und ging ein paar Schritte auf den Rapper zu. „Du sollst dich umdrehen, hörst du nicht?", schrie er aus Verzweiflung so laut das die Mitarbeiter des Staffs vor der geschlossenen Tür zum stehen kamen und verwirrt versuchten zu verstehen, was sie gerade hörten. Namjoon wurde immer ungehaltener bis er schließlich nach dem Älteren packte und ihn herum riss. Auf seinem Rücken waren noch mehr Wunden. Kapitel für Kapitel zierten sie seine wärmende Haut und Namjoon las diese. Yoongi spürte wie still und verstört sich die Blicke des Leaders und auch Freundes auf ihm ausbreiteten und ihn musterten.
„Was ist los bei euch? Was in Gottes Namen ist mit euch beiden los?", fragte Namjoon und Tränen füllten seine Augen. Es tat ihm weh, es schmerzte ihn das Yoongi es zuließ was Jimin ihm antat, warum, warum, warum? Ein einziges kleines Wort, welches sich ständig wiederholte und doch gab es keine Antwort. „Komm mir bloß nicht mit irgendwelchen Lügen. Ich beobachte euch schon eine ganze Weile. Du lachst nicht mehr Yoongi und wir alle vermissen es. Du hats deine Selbstsicherheit verloren und wir alle vermissen deinen Swag. Wir vermissen unseren Jimin, der dich liebevoll umarmt. Wir haben uns alle damit angefreundet, dass ihr beiden ein Paar seid, wir haben uns für euch gefreut, weil wir sehen konnten was euch verbindet. Es war mehr als nur Liebe oder Freundschaft, nur jetzt... jetzt sehen wir gar nichts mehr! Lieblos geht er mit dir um und du... du machst gar nichts! Stehst da wie ein kleiner Junge, der sich verlaufen hat. Jetzt sag doch was! Hörst du mir überhaupt zu?"
Min Yoongi wusste das sein Freund recht hatte. Aber ein anderer Teil in ihm schrie das er Jimin verleugnen würde, wenn er es offen zugeben würde. Er würde ihn verraten und damit wäre sein Untergang geebnet, seiner und der des Tänzers. „Ich weiß viel von Jimin. Ich kenne ihn schon seit Jahren, ich wohne mit ihm zusammen, ich lache mit ihm, ich esse mit ihm, ich schlafe mit ihm. Meinst du, das reicht um jemanden genau zu kennen? Denkst du das Namjoon? Ich kann nicht zurück gehen, ich will es auch nicht. Das Vergangene ist das was war und ich schaue nur in die Zukunft und in der sehe ich Jimin und mich. Es ist mir scheiß egal wie sie aussehen wird, ob sie für euch schmerzlich scheint oder wunderschön, dass interessiert mich nicht. Ich will Jimin kennen lernen, verstehst du?", sagte er und verhüllte seinen geschundenen Körper wieder so das niemand sehen konnte wie intensiv er den Jüngeren bereits kennengelernt hatte.
Wie sollte Namjoon ihm helfen? Wie konnte man jemanden helfen, der keine Hilfe wollte, der sie anscheinend nicht benötigte? Das Schlimmste jedoch war: wie konnte er Jimin jemals wieder in die Augen schauen, so selbstverständlich mit ihm umgehen? Gar nicht. Es war für ihn schier unmöglich.
Zumindest in der darauf folgenden Zeit fiel es ihm schwer, bis sich die Lage beruhigte, bis keine neuen Wunden zu erkennen waren.
Jimin hatte sich in die Obhut der Mediziner begeben, hatte sich behandeln lassen, Diagnose schizoaffektive Störung. Auf ein neues. Erneut eine falsche Diagnose, die jedoch nun zur explosiven Mischung wurde, denn dieses mal konnte man den Falken nicht so einfach stoppen, dieses mal konnte man Foliè a deux nicht im Keim ersticken. Yoongi half ihm, war anwesend, wenn er die Pillen schluckte.
Eine Zeit lang war es ruhig um Jimin, Yoongi und den Falken. Beide Männer kamen ihrer Arbeit nach, ihre Manager vereinbarten Interviews, Fotoshootings etc. alles was zum ersehnten Idoltraum gehörte, den beide anstrebten. Bisher konnten sie es so regeln, dass sie sich gegenseitig begleiten konnten, doch nicht so an den darauf folgenden Tagen und Wochen.
Yoongi hatte vor einem Jahr bereits einen Vertrag mit einem Künstler unterzeichnet mit dem er arbeiten sollte und der nun erfüllt werden musste. „Hast du alles, Hyung?", fragte Jimin und setzte sich neben den Koffer, der auf dem Bett ruhte und mit allen möglichen Utensilien bestückt wurde. „Na ja, fast würde ich sagen, ich hab nur ein Problem", antwortete der Ältere und schaute auf seinen Freund hinunter, der immer noch seinen Blick auf den Inhalt des Koffers fixiert hatte. Gedankenverlorene Worte erklangen aus Jimins Kehle. „Hmm? Was ist denn dein Problem?"
„Tja... ich weiß nicht wie ich dich da noch verstauen soll." Yoongi grinste ihn schief an.
Jimin blickte nun zu ihm auf und sein Partner kniete sich zu ihm hinunter. Auf gleicher Augenhöhe schlugen ihre Herzen wild, einerseits vor Begehren, anderseits wegen den lauten Schreien der Trennung, die ihnen bevorstand. Zärtlich strich Jimin seiner großen Liebe eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich liebe dich, Min Yoongi!"
DU LIEST GERADE
Sleepwalker ➛ ʏᴏᴏɴᴍɪɴ
FanficUnd am Ende wird es sein, als sei ich nur ein verblasster Traum deiner innersten Wünsche gewesen, eine Spiegelung deiner Sehnsucht. Ich habe dir die Liebe gezeigt, die du ab jetzt für immer suchen wirst. Wie wahr diese zwei Sätze werden sollte, konn...