11. Kapitel

808 23 0
                                    

Seit einer Stunde und acht Minuten starre ich meine Zimmerdecke an und warte darauf, dass endlich der Wecker klingelt. Ich weiß nicht, was ich denken soll.

Warum hat er mich geküsst? Hat er auch nur eine ungefähre Ahnung, was er damit angerichtet hat? Was soll ich machen, wenn wir uns gleich in der Küche treffen?

Gestern Abend hat er mich einfach noch einen Moment lang schweigend angesehen, nachdem er seine verführerisch weichen Lippen wieder von meinen gelöst hat, während mein Herz geschlagen hat, als hätte ich einen Sprint hinter mir. Dann ist er nach oben gegangen und hat mich stehen lassen.

Was, wenn er jetzt aufhört, mit mir zu reden? Und dann wäre da noch die Verabredung mit ihm, die zwar erst morgen ist, aber wie soll ich mit ihm ausgehen, mit der Erinnerungen an diesen wundervollen Kuss?

Plötzlich klingelt mein Wecker und erlöst mich von meinen Gedanken. Sofort stehe ich auf, dusche kalt und ziehe mich an, den Dutt binde ich etwas strenger als sonst, dann gehe ich in die Küche.

Der Kaffee kocht, die Milch steht auf dem Tisch und ich backe Waffeln, weil es donnerstags immer Waffeln gibt, dann kommt er zu mir in die Küche und ich weiß, dass es jetzt nichts mehr gibt, was mich ablenken kann. Ich sehe zu ihm und kann nicht mehr weg sehen, dabei ist er genau wie sonst. Sein Anzug sitzt perfekt, er trägt die blaue Krawatte, die ich für ihn gekauft habe und auch sein braunes Haar sitzt tadellos, ganz ohne Haar Gel oder Spray. Er kommt zu mir und ich wende mich wieder an die Waffeln, lege die fertigen auf einen Teller und gebe neue in das Waffeleisen.

>Wünschst du mir heute keinen guten Morgen?<, will er wissen und bleibt hinter mir stehen.

>Guten Morgen.< Er seufzt, nimmt mich sanft am Arm und dreht mich zu sich um.

>Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Bitte sei mir deswegen nicht böse.<

>Ich bin dir nicht böse<, erkläre ich ihm und hebe die Schultern, versuche ihn nicht anzustarren. >Ich bin nur durcheinander.<

>Wieso?<, fragt er sanft und mustert mich. Ich sehe ihn an, in seine klaren, blauen Augen, dann auf meine Hände.

>Na ja, mein letzte Kuss ist eine ganze Weile her und ich weiß nicht, wie ich den gestrigen Abend einordnen soll.< Er legt einen Finger an mein Kinn und hebt damit meinen Kopf an. Er ist so nah, dass ich seinen warmen Atem spüren kann. Mir ist vorher nie aufgefallen, wie wundervoll sein Parfüm riecht, es passt perfekt zu ihm.

>Tut mir leid, aber ich habe da ein ganz ähnliches Problem. Ich küsse seit neun Jahren dieselbe Frau, trotzdem hatte ich gestern Abend ständig dieses Bedürfnis. Ich weiß nicht, was mit mir los ist, also kann ich dir deine Frage nicht beantworten, tut mir leid.<, sagt er und lächelt leicht. >Ich muss gleich los, lass uns heute Abend darüber reden, ja?< Selbst, wenn man Sarah komplett aus dieser Geschichte streicht, wenn sie nie da gewesen wäre und ich immer nur die Nanny von Jason und seinen Kindern gewesen wäre, hätte ich nie geglaubt, dass es irgendwann so weit kommt.

Was läuft hier grade?

>Ich glaube, die Waffeln sind fertig<, erinnert er mich sanft und mein Herz setzt kurz aus. Sofort drehe ich mich um und hole die Waffeln aus dem Eisen, die zum Glück noch nicht schwarz sind, sondern allerhöchstens gut durch. Ich gebe neuen Teig in das Waffeleisen, dann bringe ich die fertigen Waffeln an den Tisch, wo Jason bereits seinen Kaffee trinkt, den er sich aus der Maschine mitgenommen hat.

>Guten Morgen. Ich frühstücke mit einer Freundin, bis heute Abend<, hören wir Sarah im Flur, dann ist sie auch schon weg.

>War sie schon immer so?<

>Mir gegenüber schon und das war noch nett<, fasse ich kurz und sehe nach den nächsten Waffeln.

>Warum ist mir das nie aufgefallen?<, fragt er und klingt nicht so, als würde er eine Antwort erwarten.

>Nana?<, höre ich Tommy fragend rufen und ziehe das Kabel vom Waffeleisen, dann gehe ich nach oben.

>Was ist?<, frage ich, sobald ich ihn in der Tür stehen sehe und gehe zu ihm. Er dreht sich um und geht in sein Zimmer, deutete auf sein Bett, welches einen großen Fleck aufweist. >Geh schon Mal ins Bad, ich komme gleich.< Er nickt und geht, dann ziehe ich das Bett ab und sorge dafür, dass die Matratze schnell trocknet. Die abgezogenen Sachen landen in der Wäschetonne, dann gehe ich zu Tommy ins Bad.

>Alles in Ordnung?<, ruft Jason von unten und ich gehe noch einmal zurück in den Flur.

>Alles Bestens. Bis heute Abend.<

>Bis dann<, verabschiedet er sich, dann höre ich die Haustür und widme mich Tommy, der ausgezogen und in die Wanne gestellt wird, damit ich ihn abduschen kann.

>Sagst du es Papa?<

>Mach dir keine Sorgen<, bitte ich ihn und stelle das Wasser etwas wärmer. >Das bleibt unser kleines Geheimnis.< Er nickt und ich stelle das Wasser ab, um das Shampoo in seinen Haaren zu verteilen. Wenn ich schon dabei bin, kann ich ihn auch gleich ganz sauber machen. Sobald das Shampoo ausgewaschen ist, hebe ich ihn aus der Wanne und trockne ihn ab. >Du nimmst jetzt das Handtuch, gehst in dein Zimmer und ziehst dich an. Ich muss Lisa wecken, sonst kommt sie zu spät in die Schule.< Er nickt tapfer und geht davon, während ich zu Lisa gehe. >Aufwachen<, bitte ich sie und sie lächelt mich an, noch bevor sie die Augen öffnet.

>Guten Morgen Nana.<

>Da ist aber jemand schon ganz früh gut gelaunt. Dann auf ins Bad, ich mache solange Frühstück.< Sie nickt eifrig, steht auf und huscht davon. Bevor ich nach unten gehe sehe ich nach Tommy und helfe ihm bei seinem T-Shirt, dann nehme ich ihn mit nach unten und er hilft mir dabei, den Tisch zu decken.

>Machst du mir einen Kaba?<, fragt er und sieht mich aus seinen großen Hundeaugen an, die bei mir doppelt so gut wirken, weil er aussieht wie ein süßer, kleiner Jason.

>Aber natürlich<, versichere ich ihm und wechsle das Programm an der Kaffeemaschine, die eigentlich ein Kaffee-Vollautomat ist und auch Kakao und so ziemlich alles andere machen kann. Er will selbst die Tasse unterstellen und auf den Start-Knopf drücken, dann kommt Lisa in die Küche und sie beginnen zu essen. Sobald der Kakao fertig ist stelle ich ihn auf den Tisch und Lisas Blick reicht aus, um zu wissen, dass sie auch einen will. >Und noch einen für die Dame<, sage ich und sie kichert, dann starte ich den zweiten Kakao.

>Wir haben heute nur bis zwölf Uhr Schule<, erzählt Lisa und nimmt ihren Kakao entgegen.

>Religion fällt schon wieder aus?< Sie nickt und löffelt ihren Kakao, damit er nicht so heiß ist.

>Unser Lehrer ist krank.< Also ist es eben wieder ein kurzer Donnerstag, das ist absolut nichts neues.

>Wollt ihr dann heute Mittag irgendwas unternehmen?<

>Können wir in den Park gehen?<, fragt Lisa sofort und auch Tommy sieht mich erwartungsvoll an. Wir waren schon eine Weile nicht mehr zusammen im Park, bis auf den kleinen Ausflug zum Spielplatz für Tommy und sie mögen es, einfach spazieren zu gehen und die Seele baumeln zu lassen. Zumindest würde ich es so nennen.

>Natürlich. Sollen wir direkt hin fahren, wenn ich dich abgeholt habe?<

>Essen wir dann dort was?< Ich nehme ihre leere Schüssel und die von Tommy, dann räume ich sie weg.

>Als ob ich euch hungern lassen würde. Wenn ihr brav seid, bekommt ihr auch ein Eis.< Für die Aussicht auf ein Eis machen die beiden fast alles, besonders, weil es im Park ein Restaurant gibt, das richtig gutes Eis mit großen Kugeln hat.

>Wir werden ganz brav sein<, verspricht Tommy und Lisa nickt zu Frieden, dann löffelt sie ihren Kakao zu Ende und reicht mir die Tasse. Auch Tommy hat seinen Kakao leer und ich räume den Tisch ab, während die beiden sich ihre Schuhe anziehen.

Eine Nanny zum verliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt