4. Kapitel

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Gestern Abend habe ich Lisa und Tommy in ihre Betten gebracht und jetzt liegen sie doch wieder bei mir. Müde stehe ich auf, lasse die beiden in meinem Bett liegen und gehe auf Toilette.

Es ist viel zu früh zum Wach sein.

Verschlafen verlasse ich das Bad wieder und halte inne, als ich Stimmen höre.

Läuft der Fernseher noch?

Ich reibe mir die Augen und gehe nach unten, dann ins Wohnzimmer, wo tatsächlich der Fernseher läuft. Ich sehe mich um und finde Jason auf der Couch liegen, in eine Decke gewickelt. Auf dem Tisch steht eine Flasche Scotch und ein beinahe leeres Glas. Ich glaube, ich habe ihn noch nie trinken sehen, obwohl ich weiß, dass er zu bestimmten Anlässen schon Mal etwas trinkt, nur nicht zu Hause. Allerdings wandere ich auch selten nachts durch das Haus.

>Jason?< Er rührt sich nicht, deshalb schraube ich den Deckel auf die Flasche und stelle sie dahin, wo sie hin gehört, dann Spüle ich das Glas aus und stelle es erst dann in die Spülmaschine, damit sie morgen nicht nach dem Alkohol riecht. Ich will ihn nicht auf der Couch liegen lassen, deshalb gehe ich zurück ins Wohnzimmer und schalte den Fernseher aus, dann ist es dunkel. >Toll<, lobe ich mich selbst und taste mich zur Tür.

>Natascha?<

>Warte, ich mache das Licht an.<

>Nein, lass es aus<, bittet er und ich halte inne.

>Ich sehe nicht Mal die Hand vor Augen.< Ich höre, dass er sich bewegt, dann nimmt er meine Hand und zieht mich zu sich auf die Couch, sodass ich mich neben ihn setzten kann. >Alles in Ordnung?< Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit und ich kann zumindest seine Umrisse erkennen.

>Nein<, sagt er leise und setzte sich etwas anders hin. >Kannst du was für dich behalten?<

>Natürlich. Du kennst mich doch.< Er reibt sich das Gesicht und atmet tief durch.

>Sarah hat-<, er unterbricht sich und fährt sich mit einer Hand durch seine kurzen Haare und ich kann ihn auch schon besser erkennen, dann spricht er leise weiter. >Die erste Woche in den Bergen war klasse. Bestes Wetter, viel Schnee und wir waren die meiste Zeit draußen, der perfekte Urlaub. Nur wir zwei, endlich einmal allein und viel Zeit nur für uns<, erzählt er leise, sieht auf einen Punkt an der Wand. >Dann habe ich am Donnerstag zufällig zwei Kollegen getroffen, die einen Pärchen-Ausflug gemacht haben, wir haben uns ihnen angeschlossen und waren gestern Abend zu sechst unterwegs. Abends sind wir zusammen was trinken gegangen und Sarah ging es nicht gut, aber sie hat darauf bestanden, dass ich bei meinen Freunden bleibe, wenigstens noch ein, zwei Stunden. Sie mag es nicht, wenn ich ihretwegen andere Leute vernachlässige, also bin ich geblieben<, erzählt er und ich bin mir sicher, dass er noch nie so viel in so kurzer Zeit gesagt hat. Offensichtlich muss er sich da etwas von der Seele reden, was ihn wirklich beschäftigt.

Wieder reibt er sich das Gesicht und schweigt für einen Moment. Jason und Sarah waren für mich immer das perfekte Paar, es kann nicht sein, dass Sarah das kaputt gemacht hat, was sie hier hat. Einen Mann, der sie liebt und zwei wundervolle Kinder. So etwas setzt man doch nicht so leicht aus Spiel. Dennoch glaube ich zu wissen, was danach passiert ist. >Ich bin eine halbe Stunde später zu unserem Zimmer gegangen, weil die andern auch erledigt waren von dem langen Tag und dann habe ich sie gesehen. Als ich zurückgekommen bin stand die Schlafzimmertür offen und ich konnte sehen, wie sie ihn geritten hat, dieses verdammte Arschloch. Den beschissenen Skilehrer hat sie gevögelt. Klischeehafter geht es doch gar nicht mehr<, flucht er, bemüht sich leise zu sein. Trotzdem kann ich die Mischung aus Wut, Frust und auch dem verletzten Unterton in seiner Stimme sehr gut hören.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe es bislang nicht für möglich gehalten, dass in dieser Familie jemals etwas Derartiges passieren könnte und beinahe noch erschütternder ist, dass Jason flucht. Meine Gedanken arbeiten ganz langsam und quälen sich Mühsam durch mein Gehirn, dann sieht er mich an. >Ich verstehe es nicht. Ich verstehe nicht, wie sie das tun konnte. Warum?<, will er wissen, aber das kann ich ihm nicht beantworten. Von draußen fällt schwaches Mondlicht in das Wohnzimmer und ich kann sehen, wie ihm Tränen in die Augen steigen, was mich unheimlich traurig macht. Ich will nicht, dass dieser wundervolle Mann leidet. >Wir waren glücklich. Irgendwie war das letzte Jahr nicht so gut wie die davor, darum habe ich sie gefragt, ob sie etwas ändern will, oder ob sie glücklich ist. Sie wollte nie etwas ändern. Sie hat mir versprochen, dass sie sich nichts mehr wünscht, als dass alles so bleibt, wie es ist.< Er hat noch mehr Tränen in den Augen und ich weiß nicht, was ich tun soll.

Ich kann ihn doch nicht einfach in den Arm nehmen und ein paar tröstende Worte sagen, oder? Wieso eigentlich nicht?

Vorsichtig nehme ich eine seiner Hände und drücke sie, um ihm zu zeigen, dass ich für ihn da bin.

>Ich verstehe es auch nicht, tut mir leid. Ich konnte nie nachvollziehen, warum Leute überhaupt einander betrügen. Wenn man unzufrieden ist kann man das doch sagen und alles störende aus der Welt schaffen. Warum müssen Menschen einander auf diese Weise weh tun?< Er erwidert meinen Blick und wischt seine Tränen weg, bevor sie ihm über die Wangen laufen.

>Kannst du etwas für mich tun?<

>Immer.< Er lächelt beinahe, bleibt aber ernst.

>Schwöre mir, dass du mich niemals anlügst. Mag sein, dass du in erster Linie unsere Nanny bist, aber ich habe sonst niemandem von dieser Sache erzählt und das werde ich auch nicht. Schwöre mir, dass ich dir vertrauen kann.<

>Jason<, sage ich sanft und streiche eine seiner Tränen weg. >Ich schwöre dir, dich niemals zu belügen, dir niemals etwas zu verschweigen und dein Vertrauen niemals zu missbrauchen.< Er schließt die Augen und atmet tief durch, dann wendet er sich ab und holt von irgendwo ein Taschentuch.

>Danke<, sagt er, dann putzt er sich die Nase und lehnt sich wieder zurück. >Ich dachte immer, dass die Liebe verhindert, dann so etwas passiert. Ich könnte ihr nie etwas antun, ob Körperlich oder auf diese Weise. Seit ich das gesehen habe bin ich mir nicht mehr sicher, ob sie mich liebt. Vor zwei Tagen hätte ich dafür meine Hand ins Feuer gelegt, aber jetzt?< Ich stehe auf und schiebe den Wohnzimmertisch weg, dann ziehe ich die Couch aus. >Was machst du?<

>Das einzige, was ich grade tun kann, um dir zu helfen.< Ich setzte mich wieder neben ihn und klopfe auf meinen Schoß. >Leg dich hin.< Er mustert mich skeptisch und bewegt sich nicht. >Wenn es bei deinen Kindern wirkt, dann doch sicher auch bei dir, oder? Ich tue dir schon nichts.< Langsam rückt er zu mir und legt sich hin, nutzt meine Beine als Kopfkissen und liegt von mir abgewandt. Leise beginne ich eine Schlafmelodie zu summen und streiche über seinen Rücken, wie ich es auch bei Tommy und Lisa mache, wenn sie traurig sind.

>Es ist komisch<, sagt er ganz leise, bleibt aber liegen.

>Nur, wenn du darüber nachdenkst. Schließe die Augen und entspann dich.< Er tut was ich sage und ich will gar nicht mehr aufhören, über seinen breiten Rücken zu streichen. Die Uhr am DVD Player zeigt kurz nach zwei Uhr früh und das bedeutet, dass er genug Zeit hat, sich auszuruhen. Ich bin müde und sobald sein Atem ruhiger wird will ich mich am Liebsten dazu legen, aber wenn uns jemand so sieht, ob es die Kinder sind oder Sahara, wäre das eine Katastrophe, also bleibe ich wach und denke nach. Da gibt es nämlich so einiges zum Nachdenken.

Eine Nanny zum verliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt