Chapter Nine

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Manus Sicht

,,Ja, genau. So schnell wie möglich...Ok. Eine Woche? Perfekt... Ich komme heute noch vorbei. Das wäre toll, vielen Dank."

Grummelnd drehte ich mich träge zur Seite, versuchte die laute Stimme auszublenden. Wahrscheinlich wieder einmal ein achtloser Passant, der nicht sah, dass hier jemand versuchte zu schlafen. Oder es war ihm einfach egal. Aber wer war denn schon so früh unterwegs?

Genervt wollte ich meine Hände gegen meine Ohren drücken, um diese nervende Stimme nicht mehr hören zu müssen. Schon so lange hatte ich nicht mehr so gut geschlafen. Vielleicht war diese Stadt doch nicht so schlecht.

Doch erst da bemerkte ich, dass etwas großes über meinem Körper lag. Der Schlaf, welcher mich noch halb in seinem Gewahrsam hielt, schwächte meine Kräfte, sodass ich meine Arme kaum heben konnte. Hatte womöglich jemand Mitleid mit mir und schenkte mir eine wärmende Decke?

Verwirrt versuchte ich, näher auf meine Umgebung einzugehen, hielt meine Augen jedoch weiterhin geschlossen. Mein Kopf lag leicht erhöht und mein Untergrund war ungewohnt weich. Ich hatte mich vor Müdigkeit doch nicht schon wieder in eine Matschgrube gelegt, oder?

Endlich siegte meine Neugierde über den Schlaf und in rekordverdächtiger Geschwindigkeit flogen meine Augenlider auf, hastig zuckten meine Pupillen hin und her.

Ich befand mich in einem Raum, jedoch war es dunkel und mein vernebeltes Gehirn konnte sich noch keinen Reim daraus machen.

Wie um Himmels Willen bin ich denn von der Straße in einen beheizten Raum gekommen und konnte mich an nichts erinnern? Angestrengt dachte ich über alles nach, was gestern geschehen war, doch da war nichts. Es war, als hätte der gestrige Tag nie stattgefunden.

Der Schlaf hatte mich wohl doch noch in seiner Gewalt. Jahrelang hatte ich nicht mehr wirklich geschlafen, mit wenigen Stunden in der Woche musste ich mich zufriedengeben. Die ständige Angst davor, dass irgendjemand kam und mir etwas antat, war einfach viel zu groß. Selbst als ich mich damit abgefunden hatte, ein wehrloses Opfer zu sein, übermannte mich zwar die Müdigkeit, aber nie die wohltuende Dunkelheit des Schlafes.

Sollte mich dann doch die Finsternis an sich reißen, plagten mich die schlimmsten Albträume. Ich war der Hölle namens Leben nie wirklich entkommen. Nicht einmal der Schlaf war barmherzig zu mir.

Jeder stieß mich von sich. Somit sank meine Hoffnung auf ein wenig Zuneigung und Geborgenheit immer weiter. So lange, bis es ins Negative ging.

Und als mein Leben schließlich seinen tiefsten Punkt erreicht hatte, kam eine Person und brachte ein wenig Licht wieder zu mir zurück. Ein wenig Hoffnung auf Besserung.

Patrick.

Sein Name zuckte wie ein Blitz durch meinen Körper, stellte mich unter Schock. Patrick.

Ich war bei Patrick.

Er hatte mich hier schlafen lassen.

Er hatte mich noch nicht von sich gestoßen.

Tränen der Erleichterung benetzten meine Augen, trieben mir Schluchzer der Freude aus meiner Kehle.

Patrick.

Patrick, der anscheinend bereits wach und in meiner Nähe war, denn keine Sekunde später flog die große Zimmertür auf und enthüllte einen besorgt blickenden Sänger.

,,Oh Gott, Manu. Ist alles in Ordnung mit dir?", sprudelte seine raue Morgenstimme aus seinem Mund, braune Augen musterten mich dabei.

Meine Schluchzer vermischten sich mit ersticktem Lachen, mit kalten Fingern trocknete ich meine tränengezierten Wangen.

,,Äh..", gab ein verwirrt aussehender Patrick von sich, der mit verwuschelten Haaren und verschlafenen Augen im Türrahmen stand.

,,Es ist alles gut. Um ehrlich zu sein ist es sogar noch mehr als das. Es ist perfekt", brachte ich mit schwacher Stimme hinaus, ein Lächeln zierte meine trockenen Lippen. Ein komisch warmes Gefühl durchflutete meinen Körper als ich in die belustigt funkelnden Augen von Patrick sah.

,,Das freut mich. Übrigens, ich mach jetzt Frühstück, was hättest du denn gerne?", wechselte das Thema zum Essen und wie auf Kommando gab mein Magen ein lautes Knurren von sich. Sofort schoss mir die unbarmherzige Wärme in die Wangen und peinlich berührt wendete ich meinen Blick zur Seite.

Bevor ich mir unnötig viele Gedanken dazu machen konnte, erfüllte ein herzliches Lachen den dunklen Raum. Bei dem Klang lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken und Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus.

Schon wieder.

Wieso kam mir dieses Lachen so bekannt vor?

Schlagartig wurde mir kalt und frierend wickelte ich mich in die dicke Decke ein, suchte mir Schutz vor diesem belastenden Gefühl der Ungewissheit.

Meine Mundwinkel fielen und mit leerem Blick sah ich wieder zu Patrick, dessen Lachen mittlerweile verstummt war. Obwohl ich mich innerlich nach diesem wunderschönen Klang sehnte, ließ er mich aus irgendeinen Grund unwohl fühlen. Das Lachen kam mir so unheimlich bekannt vor, doch ich wusste nicht woher. Und genauso unerklärlich war die bedrückende Angst, die meinen Körper durchflutete, als ich es hörte. Es war so, als würde mich dieses Lachen an etwas furchtbares erinnern, doch wieder wusste ich nicht, was.

,,Es tut mir leid, ich geh dann mal", drang seine Stimme zu mir durch und zitternd warf ich diese Gedanken von mir.

,,Nein, bitte geh nicht. Es ist nur... die letzten Jahre haben mich psychisch kaputt gemacht. Ich bilde mir oft Dinge ein, die gar nicht möglich sind. Aber irgendwie, wenn du bei mir bist, kann ich das alles viel besser verdrängen. Bei dir zu sein macht mich glücklich und alles andere prallt an mir ab. Das gerade...", meine Stimme begann zu zittern und mit zusammengekniffenen Augen schüttelte ich den Kopf, ,,Ich kann mich an meine Zeit vor der Straße kaum mehr erinnern und manchmal kommen Erinnerungen und Gefühle in mir hoch, die ich nicht kenne und das macht mich verrückt. Bitte, lass mich jetzt nicht allein."

Ich wusste nicht wieso ich mich gerade geöffnet hatte, wahrscheinlich wurde alles einfach zu viel, doch ein Stein war mir vom Herzen gefallen, als die weiche Matratze sich neben mir senkte und zwei starke Arme meinen zierlichen Körper umschlungen hatten.

,,Ich geh nur, wenn du es unbedingt willst. Der gestrige Tag war wunderschön und ich würde alles dafür geben, jeden weiteren Tag mit dir zu verbringen. Denn glaub mir, nicht nur dein Leben war eine wahre Hölle. Du machst mich so glücklich wie schon lange nicht mehr und ich gebe dich nicht mehr so einfach her."

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[1055 Wörter]

Wrecked  [Kürbistumor]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt