Kapitel 18

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Diese Person hätte ich hier gar nicht erwartet. Was macht sie hier eigentlich? Ich wusste gar nicht, dass sie auch hier im Krankenhaus arbeitet. Ich dachte, dass sie eine eigene Praxis hätte. 

"Hallo Alisa", erklingt plötzlich Janettes schrille Stimme. An Arroganz und Selbstbewusstsein fehlt ihr gar nichts. Kein Wunder, dass Sarah sie eben dementsprechend beschrieben hat. Wenn Sarah nur wüsste, dass ich leider mit dieser Frau verwandt bin und mehr als eine arrogante und egoistische Seite von ihr erlebt habe. 

Janette ist die Schwägerin von meiner Stiefmutter Tamara (die Ehefrau von Tamara's einzigen und jüngeren Bruder) und vom Charakter her viel schlimmer als Tamara. Nein- beide sind gleich schlimm!  An Sicht ist Tamara schon schlimm und wenn Janette noch schlimmer ist, könnt ihr euch ja schon vorstellen, wie gut sich beide verstehen und in welchem Verhältnis wir zueinander stehen.

Sarah scheint überrascht zu sein, dass Janette mich kennt und flüstert mir zu: „Dass dein Vater der Chefarzt für Chirurgie ist, ist mir ja bekannt, aber dass du auch noch Ärzte aus anderen Krankenhäuser kennst, die hier zufällig erscheinen, war mir bis jetzt unbekannt. Du bist ja ein richtiges Medizinerkind mit großer Bekanntschaft", bevor sie sich der Patientin widmet. Wenn Sarah nur mehr über mein Leben wüsste, dann würde sie nicht so positiv über meine große "Bekanntschaft" reden. Dann würde ich nur eines dieser unerwünschten Mitleid-Blicken bekommen.

Mit gesunkener Laune begrüße ich Janette und frage sie, was sie hier macht. Sie erklärt mir, dass sie hier im Klinikum auf eine Fortbildung über ein bestimmtes Gynäkologie-Thema ist, dessen Name ich nicht mitbekommen habe, und für die eigentliche Gynäkologin einspringt, da diese jetzt eine Notfall-OP durchführen muss. Natürlich darf man einfach so für eine Ärztin einspringen. Sie ist ja auch ein Naturtalent. Omg- muss sie auch so hinterlistig lächeln, wenn sie mir es erzählt. Mein Gott - sie denkt auch, dass sie hier die Queen wäre. Oh Mann, so viel Selbstverliebtheit ist nicht gut. Ihr Verhalten hat mir mal wieder bewiesen, wie falsch sie nur ist. Kein Wunder, wieso sie sich mit Tamara's Familie so gut versteht. Sie sind doch alle gleich.

Zurück zur Patientin, die ihren Bauch bereits freigegeben hat und erwartend zu Janette blickt, die mit dem Ultraschallgerät über dem mit Gel beschmiertem Bauch des Patientin wandert. „Sie sind in der zehnten Woche schwanger. Da sieht man das Embryo.", meint Janette und zeigt dabei auf den Bildschirm. Die Patientin hat Freudentränen in ihren Augen und wirkt sehr emotional. Oh mann- das ist so süß. Lächelnd betrachte ich die Patientin.

Anstatt sie lächelnd zu betrachten oder ihr einen Taschentuch zu reichen, sieht Janette sie genervt an und erklärt ihr, dass sie als nächstes den Herzschlag des Kindes zu hören bekommt. Jetzt im Ernst, wie kann man nur so emotionslos sein? Als Gynäkologin müsste ihr doch ganz klar sein, wie Freude erregend so etwas ist. Sie hat doch selber eine Tochter auf die Welt gebracht? Wie kommen ihre Patienten nur mit ihr zu recht? Bestimmt sind diese genau so gefühlskalt wie Janette. Sonst kann ich mir es gar nicht erklären, wie sie mit Janette als Ärztin zu recht kommen.

Das Hören des rhythmischen Herzschlags bringt mich wieder zurück zur Patientin, die dieses nicht akzeptieren kann und immer wieder Sarah fragt, ob es vom Kind ist. Lächelnd betrachtet Sarah die Patientin und redet auf sie ein und beruhigt sie.

Janette gibt Sarah Bescheid, das Ultrabild auszudrucken und verabschiedet sich von uns allen mit einem einfachen „Tschüss". Da hätte sie doch auch gleich, ohne etwas zu sagen, abhauen können. Kommt doch sowieso auf das gleiche hinaus. Sie hat noch nichtmal gefragt, ob die Patientin weitere Fragen hat. Sie ist einfach abgehauen. Ist sie denn immer so? Diese Frage werde ich nie beantwortet bekommen, aber im Ernst brauche ich die Frage auch nicht beantwortet zubekommen, da ich sowieso schon ein Bild von ihr und ihrem Charakter habe. Das reicht mir!

„Melden Sie sich wieder telefonisch für einen Termin in vier Wochen, am besten ab morgen. Sie müssten dann schon so weit sein, sodass wir schon das Geschlecht herausfinden könnten.", erklärt Sarah, woraufhin die Patientin sich bedankt und verabschiedet. 

Sarah und ich machen uns auf dem Weg in die Cafeteria. Währenddessen fragt sie mich über Janette aus, worauf ich ihr grob erkläre, in welcher Beziehung wir zueinander stehen. Denn ehrlich gesagt habe ich wirklich keine Lust, über Janette, ihren Mann oder ihrer Tochter zu reden. Das sind alles selbstverliebte, reiche und arrogante Snobs. 

........

Nach dem Mittagessen verbringe die ich letzte halbe Stunde damit, mich von gewissen Krankenpflegern und Ärzten zu verabschieden, die ich in den letzten vier Wochen kennengelernt habe. 
Umgezogen begebe ich mich zu Herr Steiner's Büro, wo er in der Hand einen Bescheid hält und sobald ich zu ihm trete, ihn mir überreicht. „Du bist eine sehr intelligente und gut erzogene Frau, die hoffentlich genauso beliebt wird, wie ihren Vater. Ich bin sehr stolz auf dich. Die letzten Wochen waren spaßig mit dir und ich konnte in einigen Situationen erkennen, wie schnell du dich hier im Team eingelebt hast. Du wirst eine tolle Ärztin, denn die beste Qualitäten eines Arztes sind Disziplin,Respekt und Qualität, welche drei du definitiv besitzt.", äußert sich Dr. Steiner und nimmt mich in seine Arme. Mit den Worten „Danke. Ich hatte hier eine sehr schöne Zeit. Auf Wiedersehen" verabschiede ich mich von ihm und mache mich auf dem Weg zum Ausgang, wo Elena und Sarah auf mich warten. 

Auf dem Weg denke ich darüber nach, was Dr.Steiner zu mir gesagt hat. Um ehrlich zu sein, macht mich das sehr emotional. Sogar mein Vater hat nie so etwas in der Art zu mir gesagt. Er hat mir nie gesagt, dass er auf mich stolz ist, obwohl ich sogar die besten Zeugnisse im Jahrgang seit Jahren habe. Dass Herr Steiner in mir schon eine Ärztin sieht, motiviert mich extremst und bestärkt das Gefühl, den richtigen Weg zum Ziel näher gekommen zu sein. Dr. Steiner ist einfach ein anderer Mensch. Er besitzt ebenso viel Geld, aber zeigt Zuneigung und Liebe. Er hat einen tollen Charakter, welchen mein Vater nicht hat. Ich wünschte mein Vater wäre sowie Dr. Steiner.

Mein Leben fängt an zu bröckeln!?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt