Ohne auch nur eine Sekunde über das, was ich gerade gesagt habe, nachzudenken, meldet er sich sofort zu Wort, indem er voller Wut schreit: „Was denkst du dir eigentlich? Denkst du, dass du alleine deine Entscheidungen treffen kannst. Also im Ernst, du und deine Clique, wie du sie ja alle nennst, wollt alleine an die Ostsee? Ihr seid doch alle kleine Kinder und habt keine Ahnung von dieser Welt! Es kann euch immer etwas passieren! Ihr habt sie doch nicht mehr alle! Tamara hast du das gehört? Ich glaube, ich muss gleich lachen."
Ich hätte ja schon mit der wütigen Reaktion rechnen können, doch dass er mich und auch noch meine Freunde als Kleinkinder bezeichnet und uns vor allem auslacht, kommt echt unerwartet. Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, was hier dran so witzig ist. Da ich von seiner Aussage nicht wirklich zufrieden bin, äußere ich mich sofort, indem ich meine: „Wir sind alle groß genug und fast Erwachsene. Außer mir und Krissy sind alle schon über 17 Jahre alt, das heißt die Anderen sind fast schon erwachsen. Außerdem meine ich das im Ernst! Wir wollen alle zusammen für eine Woche an die Ostsee fahren!"
Daraufhin schreit mich mein Vater noch lauter an. Jedoch höre ich immer wieder die gleichen Laute meines Vaters wie „Ich habe das Entscheidungsrecht", „Du kannst nirgendwohin" oder „Träum schön weiter. Im schlimmsten Fall werde ich dich noch persönlich an der Ostsee abholen, falls du gehst."
Nach einigen Minuten, ohne auch nur ein Laut von mir herauszulassen, verlasse ich die Küche und ziehe mir im Flur schnell meine grünen Nike Schuhe und meine olivgrüne Lederjacke an und renne wortwörtlich aus dem Haus. Ich brauche einfach meine Ruhe. Ich muss da einfach raus. Ich kann mir dieselben Worte meines Vaters nicht mehr anhören. Immer muss er über mich, meine Leistungen oder mein Verhalten kommentieren und meckern. Ich habe es einfach satt. Bei mir findet er immer ein Fehler. Meine Freunde sind in seiner Hinsicht "scheiße", meine Entscheidungen sind kindisch und unrealistisch und erst recht bin ich für ihn ein Wesen ohne Emotionen. Denn hätte er an meine Gefühle gedacht, hätte er sich in den letzten Jahren als auch in den letzten Monaten gegenüber mir nicht so verhalten, wie er es tat.
Welch eine Ironie, dass er doch ein Arzt ist und nicht nur von dem ganzen Körper eines Menschen Bescheid weiß sondern auch von der Seele eines Menschen. Noch besser - sein bester Schulfreund (im gleichen Krankenhaus arbeitend) ist auch noch ein Psychologe und beide kollaborieren miteinander für einige Patienten. Aber trotzdem mangelt es ihm an Menschenkenntnis. Hiemit wird wieder mal bestätigt, dass man kein Arzt sein muss, um das Innere anderer Menschen zu verstehen! Denn sogar ein Säugling versteht das Gefühl unbeachtet zu sein, weil es zum Beispiel anfängt zu weinen, wenn es Hunger hat oder den Körperkontakt zu der Mutter sucht.
Jeder Mensch hat Gefühle und weiß Bescheid, dass jeder Andere auf der Welt auch Gefühle hat. Dies ist nun mal menschlich. Aber was ich immer wieder nicht verstehe, ist, dass trotzdem einige wie mein Vater Gefühle von Anderen nicht berücksichtigen und diese verletzten. Ich liebe zwar meinen Vater, auch wenn er sich gegenüber mir so verhält, jedoch kann ich den Grund hinter seinem Verhalten nicht verstehen. Warum interessiert einem Vater die Gefühle seiner Tochter nicht? Müsste ein Vater seiner Tochter nicht ihren Spaß und Freude gönnen? Warum wird das Wohl der Tochter von dem Vater nicht zur Kenntnis genommen?
So viele Fragen, aber leider keine Antworten. Da ich in meinen Gedanken verloren am Laufen gewesen bin, richte ich erst jetzt wieder meine Aufmerksamkeit an meine Umwelt. Verwirrend stelle ich durch das Links- und Rechtsgucken fest, dass ich am Park angekommen bin. Auf einer Bank sitzend führe ich meinen Gedankengang fort. Was soll ich nun machen? Soll ich in den Urlaub? Soll ich dort ohne die Erlaubnis meines Vaters hin?....
Zwei Stunden später
Immer noch sitze ich auf der Bank und bin noch zu keinem Entschluss gekommen. Nach längerem Denken rufe ich meinen Freund an und berichte ihm von dem Geschehenem. Allein seine Stimme beruhigt mich schon um Einiges. Er ist einfach der Beste. Als ich die ganze Geschichte von eben erzählt habe, hat er mich nicht einmal unterbrochen, sondern mir aufmerksam zugehört. Ich muss mich echt glücklich schätzen, so einen tollen Freund zu haben. Er schenkt mir nicht nur seine Aufmerksamkeit beim Hören, sondern hilft mir auch die familiären Probleme zu beseitigen, indem er mir Ratschläge gibt. So sagt er mir: „ Süße, du hast genau zwei Möglichkeiten. Ich weiß, dass du unbedingt mit uns Urlaub machen willst. Daher kannst du entweder nochmal mit deinem Vater darüber sprechen oder du kommst mit uns ohne dich von ihm zu verabschieden, wobei du Zweites nicht wirklich bevorzugen würdest." Nico kennt mich einfach in und auswendig, sodass er weiß, dass die zweite Möglichkeit nicht wirklich infrage kommt. „Die erste Möglichkeit hört sich schon viel besser an. Ich hoffe nur, dass das zweite Gespräch etwas bringen wird und mein Vater und ich uns einigen können. Hoffentlich eskaliert das zweite Gespräch nicht. Jedoch werde ich erstmal unser heutiges Gespräch für eine Woche sacken lassen und nächste Woche wieder mit ihm darüber reden."
Irgendwann verabschiede ich mich von meinem Freund und mache mich auf die Rückkehr nach Hause. Zuhause angekommen flitze ich so schnell wie möglich in mein Zimmer, denn das Letzte, was ich jetzt wollen würde ist, irgendeinen aus meiner Familie zu begegnen - am aller letzten meinen Vater. Somit mache ich mich schnell bett fertig und lege mich schlafen, falls mich jemand doch gehört haben sollte und den Versuch startet, in mein Zimmer zu kommen, um mit mir zu reden. Ich meine, mein Vater oder Tamara würden sowieso nicht diejenigen sein, sondern nur mein Stiefbruder Toni.
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Mein Leben fängt an zu bröckeln!?
Novela JuvenilErster Teil: Mein Leben fängt an zu bröckeln!? Zweiter Teil: Mein Leben bricht zusammen!? Dritter Teil: Mein Leben fängt neu an!? Alisa - die Tochter eines berühmten Chefarztes und dem Ziel, das Medizinstudium an zustreben. Jedoch hat das Schicksal...